Zur Verhandlung vor dem Singener Amtsgericht hat die junge Frau ihre Mutter mitgebracht. Zielstrebig setzt sie sich in den Zeugenstand, gleich unter dem etwas erhöhten Richtertisch. Doch die Richterin weist ihr den Platz neben dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe zu. Jetzt wird klar, dass die schmächtige Person nicht Zeugin, sondern die Angeklagte ist. Ihr wird vorgeworfen, im Dezember 2017 Kosmetikartikel im Wert von 22,90 Euro aus einem Drogeriemarkt gestohlen zu haben. Während des Ladendiebstahls hatte sie ein Springmesser griffbereit in ihrer Bauchtasche dabei. Daher lautet die Anklage der Staatsanwältin nun: "Diebstahl mit Waffen".

Zu der Tat will sich die junge Frau, die sich betont männlich gibt, zunächst nicht äußern. Doch als sie die Richterin darauf hinweist, dass sich das negativ auf das Urteil auswirken werde, räumt sie den Diebstahl etwas mürrisch ein: "Ich geb's ja zu. Es steht fest, dass ich das getan habe." Die Kosmetikartikel seien nur zum Teil für sie selbst gewesen. Kurz vor Weihnachten habe sie ein Geschenk für die Mutter gebraucht, aber kein Geld gehabt. Das Messer habe sie bei dem Diebstahl nicht zum Einsatz bringen wollen, beteuert sie. Warum sie es dann überhaupt bei sich getragen habe, fragt die Staatsanwältin. "In Singen braucht man ein Messer", antwortet die 18-Jährige, die sich in ihrer Haut sichtlich unwohl fühlt.

Obwohl das von der Polizei einbehaltene Messer nicht unter das Waffengesetz falle, wird die Straftat als Diebstahl mit Waffe eingeordnet. Die Richterin erklärt den Unterschied zu einem einfachen Diebstahl. Trotz der verhältnismäßig gerinnen Summe, bekomme die Tat durch das Messer eine andere Qualität. Nach dem Erwachsenenstrafrecht werde das mit sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitstrafe bestraft. Das haben jedoch weder die Richterin, noch die Staatsanwältin vor. Sie sehen eine Vielzahl an Problemen in der persönlichen, familiären und schulischen Entwicklung der jungen Frau. Deshalb wendet die Richterin bei ihr das mildere Jugendstrafrecht an mit dem vorrangigen Ziel, sie in die Gesellschaft einzugliedern.

Wie sich im Laufe der Verhandlung herausstellt, war es nicht der erste Diebstahl, bei dem die 18-Jährige erwischt wurde. Nur wenige Wochen zuvor wurde sie daran gehindert, Boxershorts zu stehlen. Gegen eine Geldbuße von 50 Euro wurde von einer weiteren Strafverfolgung abgesehen. Was der grundsätzlich milde gestimmten Richterin jedoch Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist ein Vorfall während der Fasnacht, den die junge Frau auf Anraten ihres Jugendgerichtshelfers freiwillig erzählte: Weil es ihr nicht gepasst habe, wie sich eine Polizeistreife näherte, habe sie in die Türe des Streifenwagens getreten und versucht die Beamten zu schlagen. Hierzu werde es noch ein gesondertes Verfahren geben, kündigte die Richterin an und legte der Angeklagte nahe, die Zeit zur Rehabilitation zu nutzen.

Um der jungen Frau bei der Suche nach Orientierung und Perspektiven zu helfen, verordnete die Richterin ihr mit dem Urteil 20 Stunden gemeinnützige Arbeit, einen sozialen Trainingskurs und eine Betreuerin, die ihr Hilfe und Unterstützung bei der Berufswahl geben soll. Begünstigend bei dem Urteil wirkte das Tateingeständnis.

  • Das Strafgesetzbuch sagt
    Der Paragraph 244 behandelt unter anderem den Diebstahl mit Waffen wie folgt: Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden /.../. In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. (Quelle: dejure.org)