Halbgötter in Weiß, so haben sich Ärzte früher gerne gesehen. Chefarzt Wolf-Rüdiger Klare hat ein ganz anderes Bild von sich als Mediziner. Als Experte und Vorreiter in der Behandlung von Diabetes kann er seine Patienten nicht einfach heilen, sondern sie begleiten und dabei unterstützen, dass sie mit der Krankheit leben können.
„Der Mensch muss sich selbst behandeln, das hat mich immer schon fasziniert“, sagt Klare. 36 Jahre lang hat er am Radolfzeller Krankenhaus gewirkt und eines der führenden Zentren der Diabetologie in Süddeutschland aufgebaut. Nun geht er zum Jahresende mit 70 Jahren in den Ruhestand.
Radolfzell war medizinisch gesehen ein besonderer Ort
Als Wolf-Rüdiger Klare 1985 als Oberarzt nach Radolfzell kam, steckte die Diabetes-Forschung und Behandlung noch in den Kinderschuhen. Radolfzell sei damals ein besonderer Ort gewesen, erinnert sich Klare heute. Der Chefarzt zu dieser Zeit, Gunter Langbein, war der erste Gastroenterologe in der Region an einem Krankenhaus und Leiter der Inneren Medizin. Er holte auch den ersten Kardiologen an das Radolfzeller Krankenhaus und Klare als Internisten.

„So etwas gab es damals in der gesamten Region nicht, Radolfzell war vorne mit dabei“, beschreibt Klare die fachliche Ausrichtung des Krankenhauses Mitte der 80er-Jahre. Und auch Wolf-Rüdiger Klare wollte sich einbringen und fing an, sich im Bereich der Diabetologie zu engagieren. Ein Feld, auf das sich bisher nur wenige Mediziner gewagt hatten.
Viel Improvisation
Vieles sei zu Beginn improvisiert gewesen, erinnert sich Klare. Konzepte, langfristige Entwicklungspläne oder gar Geschäftsführer habe es zu dieser Zeit in Krankenhäusern nicht gegeben. Als er 1987 die erste Diabetes-Schulungsschwester Gerda Reuter einstellen wollte, lief sie erst einmal über die Kostenstelle der Küche. Denn Gelder für Diabetes-Behandlungen waren nicht vorgesehen.
Wolf-Rüdiger Klare verfolgte von Anfang an einen ganzheitlichen Ansatz bei der Therapie. Da gerade bei der Behandlung von Diabetes Typ 2 der Lebensstil der Patienten eine entscheidende Rolle spielt, gründete er 1990 die Diabetessportgruppe. 1991 hob er das Diabetesforum Radolfzell mit aus der Taufe und sorgt so seit mehr als 30 Jahren für Information und Aufklärung zu dieser Krankheit.
Nicht nur im Bereich der Diabetes-Forschung, sondern auch im Radolfzeller Krankenhaus habe Aufbruchstimmung geherrscht. „Das war schon eine tolle Zeit“, fasst Wolf-Rüdiger Klare sein Berufsleben zusammen. Chefarzt Langbein habe ihm und seinen Kollegen viel Freiheiten gelassen, die Eigeninitiative sei belohnt worden. So habe man das heutige Diabeteszentrum aufgebaut.

Auch Klare persönlich nutzte die Chance, sich selbst fortzubilden. 1996 erhielt er von der Deutschen Diabetes Gesellschaft den Titel Diabetologe. Die Ärztekammer führte diese Zusatzqualifikation erst 2006 ein, Klare erhielt zusammen mit Jochen Seufert vom Uni-Klinikum Freiburg als einer der ersten in Süddeutschland diese Zusatzbezeichnung. „Wir mussten uns damals gegenseitig prüfen“, erzählt Klare.
Es sei eine aufregende und sehr intensive Zeit gewesen, fasst Klare zusammen. Er habe Kinder und Schwangere mit Diabetes behandelt und aus einer Forschung zum Thema Screenings auf Schwangerschaftsdiabetes entstand für Klare eine Doktorarbeit. Er promovierte 1999 an der Universität Düsseldorf. Immer mehr versuchte der Chefarzt Strukturen aufzubauen, die die Volkskrankheit Diabetes mit all seinen Symptomen erfasst.
Patienten kommen von weit her
1998 öffnete er die Fußambulanz am Radolfzeller Krankenhaus, 2005 gründete er das Deutsche Institut für Wundheilung. „Wir haben noch immer ein großes Einzugsgebiet bei unseren Patienten, insbesondere wenn es um die Behandlung diabetischer Füße geht“, sagt Klare. Jedes Jahr gebe es immer mehr Diabetes-Patienten, vor allem die des Typs 2,welches eine Folge von Übergewicht sein kann. Pro Jahr behandle man am Krankenhaus fast 400 Fuß-Patienten, Tendenz weiter steigend.
Sich komplett aus der Medizin zurückziehen kann Wolf-Rüdiger Klare noch nicht. Er wolle weiterhin Vorträge und Seminare abhalten und helfe aktuell mit, eine Fußambulanz bei einer größeren Diabetespraxis aufzubauen. Auch noch im Ruhestand wolle er an einer besseren Versorgung für Diabetes-Patienten im Landkreis mitwirken. „Nur noch Hobby, das wäre nichts für mich“, sagt der 70-Jährige, der passionierter Segler ist.
Seine Nachfolge am Diabeteszentrum in Radolfzell ist ebenfalls geklärt. Marco Zinsmaier wird die Abteilung, die Teil der Klinik für Inneren Medizin am Hegau-Bodensee-Klinikum Radolfzell ist, nun als leitender Arzt übernehmen. Unterstützt wird er von den beiden Oberärztinnen Monika Fritz und Angelika Kühnle.