Die Fahrgäste, vor allem die täglichen Pendler, wollten ihren Augen kaum glauben, als sie dieser Tage die Seegold betraten, um nach Überlingen oder in der anderen Richtung nach Wallhausen überzusetzen – die meisten auf dem Weg zur Arbeit oder in die Schule.

Auf einem Handzettel wurden ihnen verkündet: „Nach 26 Jahren müssen wir, nach derzeitigem Stand, unseren Winterbetrieb zum 1. Januar 2021 leider einstellen. Der Vertrag mit den Städten Konstanz und Überlingen läuft zum 31. Dezember 2020 aus und trotz aller Bemühungen ist es uns nicht gelungen, einen neuen, für alle Parteien annehmbaren Vertrag, auszuhandeln. Ab April 2021 starten wir wieder in den Sommerbetrieb.“

Am frühen Donnerstagabend stehen Petra, Michael und Dennis Giess von der Firma Giess am Hafen Wallhausen. Hinter ihnen die Seegold, Passagiere aus Überlingen steigen aus. Die nächsten Menschen warten bereits, sie wollen pünktlich auf die andere Seeseite gebracht werden.

„Im Winter sind wir reine Dienstleister und verdienen kein Geld“, sagt Michael Giess. „Der Zuschlag der Städte Konstanz und Überlingen reicht nicht einmal aus, um die Kosten zu decken.“ Auch während des Lockdowns hielten sie den Betrieb zuverlässig aufrecht, „auch wenn wir nur eine Handvoll Fahrgäste hatten, da die meisten im Homeoffice waren“, wie Petra Giess erzählt.
Die Stadt Konstanz bat in dieser Zeit laut Schilderungen des Unternehmens um eine Passagierbefragung, um anhand exakter Daten den zum 31. Dezember auslaufenden Vertrag anzupassen. „Das wollten wir aber nicht, da aufgrund Corona die Situation nicht repräsentativ war“, so Michael Giess. „Die Stadt hat sämtliche Daten der Winterfahrten der vergangenen Jahre. Die Sommerdaten geben wir nicht heraus, da müssen wir Geld verdienen, um den Winter zu überstehen.“

Der bisherige Zuschuss beläuft sich in den Monaten November bis März auf monatlich 4000 Euro – 2000 von Konstanz, 2000 von Überlingen. Für den neuen Vertrag baten sie um monatlich 10 000 Euro. Was sich wie ein exorbitanter Anstieg anhört, ist laut der Unternehmer nichts anderes „als die Sicherstellung des Betriebes für die Pendler zwischen November und April. Selbst bei dieser Erhöhung würden wir nichts verdienen“.
Für die Pendler würde die Einstellung des Winterbetriebes einschneidende Folgen haben: Statt mit der Seegold die rund 20 Minuten über den See zu fahren müssten sie mit der Autofähre nach Meersburg oder nach Konstanz und von dort mit dem Bus weiterreisen – oder aber mit dem Auto den Überlinger See umfahren. Schnell formierten sich Pendlern und verfassten einen Brief an die Oberbürgermeister von Konstanz und Überlingen, der auf dem Schiff ausliegt.

Hier heißt es unter anderem: „Wir sind auf diesen kürzest möglichen Arbeitsweg angewiesen. Die Vorteile: ausreichend Parkplätze in Wallhausen für Pendler, die von Allensbach, der Waldsiedlung, Radolfzell und Konstanz anreisen, direkte Bus-Anbindung für Pendler aus Allensbach, Wollmatingen, Dettingen und Dingelsdorf, Litzelstetten und die Fahrt nach Konstanz und zur Mainau. Es gibt viele Lehrer und Schüler, die Schulen in Überlingen besuchen. Überlinger Pendler arbeiten an der Uni, sie können ohne Umsteigen zur Uni fahren ... Die Buslinie 7395 nach Meersburg ist abends ausgedünnt, die Fähren sind nicht barrierefrei. Für eine sichere Planung unseres Lebens benötigen wir Gewissheit. Bitte erhalten Sie die Seegoldlinie.“
Mit diesem Ansinnen treffen die Pendler bei der Stadt Konstanz offenbar auf offene Ohren, wie die Pressestelle auf SÜDKURIER-Anfrage schreibt: „Die Stadt hat großes Interesse, den Beförderungsvertrag über den 31. Dezember hinaus zu verlängern und so den Fährbetrieb aufrecht zu erhalten.“

Laut Stadtverwaltung liegt der Ball des Handels beim Unternehmen. Weiter schreibt die Pressestelle: „Firma Giess möchte einen sehr wesentlich höheren dauerhaften Zuschuss haben als bisher. Die Stadt zeigte sich – aufgrund der Corona-Krise – für einen einmaligen Zuschuss offen. Dieser muss aber – wie bei jedem anderen auch – geprüft und gerechtfertigt werden.“
Die Stadt Konstanz hat nun einen Brief an die Firma geschickt mit der Bitte, die Bilanzen 2018 und 2019 sowie die Ergebnisse der Fahrgastbefragung zur Verfügung zu stellen. „Auf dieser Basis kann der Gemeinderat eine verbindliche Aussage zum einmaligen Zuschuss und zum Vorgehen ab 2021 geben“, schreibt die Pressestelle. Dazu ist das Unternehmen jedoch nicht bereit. Die Stadt Überlingen reagierte nicht auf eine SÜDKURIER-Anfrage.