Der Konstanzer Gemeinderat hat am Donnerstag mit einer Entscheidung für Tränen bei den Aktivisten von Fridays for Future (FFF) gesorgt. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag von Linker Liste, Freier Grüner Liste und Jungem Forum zum Thema Klimapositivität, an dem auch FFF-Aktivisten mitgewirkt hatten. In nächtelanger Arbeit sei der Antrag entstanden, an jedem Wort hätten sie gefeilt.

In einem waren sich alle einig
Doch zunächst: In einem waren sich ja alle Fraktionen einig, jeder einzelne Stadtrat, jede einzelne Stadträtin. Darin, dass die Stadt Konstanz stärker am Klimaschutz arbeiten muss. Dafür hat die Stadt jetzt Helfer aus der Wissenschaft mit an Bord: Das renommierte Heidelberger Ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung wird Verwaltung und Gemeinderat beraten und eine Klimaschutzstrategie erarbeiten.

Hans Hertle vom Institut war eigens nach Konstanz gekommen. Er sagte: „Eigentlich wollte ich in Rente gehen. Aber diese Aufgabe mit Ihnen hier in Konstanz hat mich so gereizt, dass ich meinen Ruhestand verschoben habe.“
Stadt hat beste Bedingungen
An Konstanz gereizt habe ihn, dass die Stadt als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen habe. „Wir berechnen das jetzt zum ersten Mal genau für eine Kommune, das wird knallhart“, freute er sich. Die Bedingungen, hier wirklich etwas fürs Klima zu erreichen, seien ideal. Gute Lage, Wohlstand und „Feuer“.
Der strittige Punkt
Der strittige Punkt unter den Gemeinderäten war, sich eindeutig dazu zu bekennen, bis 2030 oder zumindest 2035 klimapositiv zu werden. Doch CDU, SPD, Freie Wähler und FDP lehnten den Antrag an. Oberbürgermeister Uli Burchardt stellte sich ebenfalls dagegen und so scheiterte der Antrag mit 20 zu 21 Stimmen.
16-Jährige hielt flammende Rede
Trotz einer flammenden Rede, die die 16-jährige FFF-Aktivistin Frida Mühlhoff zuvor vor dem Gemeinderat gehalten hatte. In der sie beschrieb, wie die Welt bald aussehen werde, wenn nichts getan wird: Nämlich nicht mehr lebenswert. In der sie wissenschaftlich argumentierte und emotional.
Diese Vorlage gewann
Stattdessen gewann eine Vorlage, in der es heißt, dass Klimaneutralität „schnellstmöglich“ erreicht werden soll. Dafür will man sowohl das Idealszenario berechnen, das Klimaneutralität 2030 und 2035 zum Ziel hat. Und das Bestmöglich-Szenario ohne Datum, das als realistischer gesehen wird.
Einer derjenigen, der scharfe Kritik übte, war Simon Pschorr von der Linken Liste. Er sagte unter anderem: „Es ist der falsche Weg, wenn es am Ende heißt „das bisschen Feuerwerk tut nicht weh, das bisschen Verkehr in der Innenstadt tut nicht weh.“
Er fuhr fort: „Ich sage Ihnen, jedes bisschen, jeder einzelne Schritt ist lohnenswert.“
Alle Bürger müssen mitmachen
Einer, der für die Vorlage ohne Datum stimmte, war Ewald Weisschedel von den Freien Wählern. Er betonte: „Wir können das nur schaffen, wenn die ganze Stadtgesellschaft mitmacht. Und da habe ich eine Beobachtung gemacht. Als wir den Klimanotstand ausgerufen haben, bin ich oft angesprochen worden. Die Leute sagten: ‚Ihr spinnt ja, das bringt doch eh nichts.‘ Heute ist die Diskussion anders geworden.“
Vision scheitert an Realität?
Nicht zuletzt Lorenz Heublein von der Stabstelle Klimaschutz legte anhand von Beispielen dar, warum 2030 für viele Beteiligten zu hohe Anforderungen bedeuten würde.
Etwa die Stadtwerke, die sehr engagiert seien, aber denen ganze Geschäftsfelder zusammenbrechen würden, wenn man pauschal 2035 sagen würde. „Und dann ist halt die Frage, welches Signal setzen wir an die umsetzende Ebene? Die beispielsweise momentan noch den ÖPNV querfinanziert durch das Wärmegeschäft.“

Drinnen der nächste Tagesordnungspunkt, draußen Tränen und Wut
Nach der Abstimmung ging es weiter zum nächsten Tagesordnungspunkt. Unterdessen war draußen vor dem Bodenseeforum die Stimmung am Boden. Die FFF-Aktivisten weinten teilweise. „Ich verstehe nicht, wie sie das tun konnten“, sagte Frida Mühlhoff. Sie malte zusammen mit einer Freundin „Konstanz bricht mit dem Klimanotstand„ mit Kreide auf den Asphalt.

Hans Hertle suchte das Gespräch
Wenig später kam Hans Hertle vom Ifeu-Institut nach draußen und suchte das Gespräch mit den jungen Menschen. „Ihr habt schon so viel erreicht“, tröstete er sie. Er selbst arbeite seit Jahren im Klimaschutz. „Vor fünf Jahren war ich richtig zerknirscht, dachte, es geht nichts mehr voran. Und dann kam Fridays for Future – ihr habt auch mir neue Hoffnung gegeben! Kämpft weiter!“