Es ist einer dieser Kriminalfälle, in denen Hintermänner wohl unbekannt bleiben. Sie haben sich als falsche Teppichhändler ausgegeben und die Gutgläubigkeit eines Rentners ausgenutzt. Wert ihrer Beute: 310.000 Euro. "Das war einfach eine Schweinerei", fand Richterin Heike Willenberg deutliche Worte am Ende des Prozesses gegen eine 29-Jährige. Sie muss für zweieinhalb Jahre in Haft. Die Drahtzieher der Bande sind wohl andere, deren Namen sie nicht nennt.
Langwieriger Prozess
Dieser Satz verdeutlicht, welchen Anteil an dem Betrug das Schöffengericht der 29-Jährigen dennoch zusprach. Anders als der Verteidiger war es davon überzeugt, dass die Frau mehr als eine nichts ahnende Gehilfin war. "Sie haben gewusst, was los ist. Sie waren Teil davon", sagte die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Konstanz. Mit diesem Schuldspruch ist ein in die Länge gezogener Prozess zu Ende gegangen; er war begleitet von erfolglosen Befangenheits- und Beweisanträgen durch den Verteidiger sowie Diskussionen über korrekte Übersetzungen aus dem Romani. Die Angeklagte schwieg stets. Auch Ankündigungen, wonach sie laut ihrem Anwalt Stephan Dettmers die Hintermänner des Betrugs nennen wollte, liefen ins Leere – aus Angst vor möglichen Konsequenzen. In den Kreisen, in denen sich die Frau bewegt hat, scheint man nicht zu spaßen.
Von Versprechungen und Beteuerungen
Es ist ein Kreis, der es geschickt verstanden hat, sich das Vertrauen des Rentners zu erschleichen. Bei ihm hatte immer wieder ein Teppichhändler namens Hassan angerufen. Er gab nach mehreren Gesprächen vor, sich Euros ausborgen zu wollen. Der Rentner ließ sich auf Versprechungen ein, auf ein Blenden, auf Beteuerungen.
Er schenkte am Telefon auch falschen Polizisten und angeblichen Ehefrauen Vertrauen und übergab insgesamt 310.000 Euro als Bargeld und in Gold. Als Pfand erhielt er Koffer mit Fremdwährungen. Die oberste Lage waren echte Geldscheine, darunter Papierschnipsel und Tüten. Als der Senior dies entdeckte, alarmierte er die Polizei.
Polizei greift bei weiterem Versuch zu
Die schnappte an einem Augusttag des vergangenen Jahres zu und nahm die 29-Jährige fest, als sie den Rentner in der Wohnung aufsuchen wollte. Angeblich, um diesem ein Handy zu überreichen, mit dem Hassan erneut Kontakt aufnehmen wollte. Zuvor hatte er immer auf dem Festnetz angerufen. Nach Ansicht ihres Verteidigers habe die Frau nicht gewusst, worum es ging, also um Betrug in großem Stil. An jenem Tag hätten weitere rund 330.000 Euro fließen sollen, als Pfand sollte der Senior 930.000 Franken erhalten. Die Verhandlung habe nicht gezeigt, dass seine Mandantin schon vor dem Tag der Festnahme in den vorangegangen Betrug involviert gewesen sei, sie habe allenfalls Gehilfentätigkeit übernommen, führte Stephan Dettmers im 53-minütigen Plädoyer aus. Unter Roma hätten Frauen nichts zu sagen und es stehe ohnehin nicht fest, ob es überhaupt zu einem erneuten Betrug gekommen wäre. Aufgrund der Erfahrung habe der Rentner keine Franken erwarten können. Hätte er wirklich 330.000 Euro übergeben, wäre das eine Schenkung gewesen, das ist kein Straftatbestand. Der Verteidiger forderte Freispruch oder eine geringe Bewährungsstrafe. Die Staatsanwaltschaft plädierte auf drei Jahre Haft.
Nur eine Gehilfin?
Die 29-Jährige ist, zumindest wie aus der Beweisaufnahme hervorging, erstmals an jenem Augusttag in Erscheinung getreten. Sie sei am Bahnhof mit der Aussicht auf 200 Euro angesprochen worden und sollte einen Koffer bei dem Rentner abholen. Diese Version präsentierte sie der Polizei nach ihrer Festnahme, nahm die Aussage vor Gericht aber zurück. Sie war im Auto und in Begleitung mit zwei Männern aus Offenburg angereist. Währenddessen gab es zahlreiche Telefonate zwischen der Angeklagten und Hintermännern. Auf diese abgehörten Gespräche stützte sich das Schöffengericht bei der Bewertung, dass die 29-Jährige nicht nur Handlangerin war.
Diskussion über Strafen und Provisionen
Über Stunden hinweg ging es darum, wer die 330.0000 Euro bei dem Rentner abholen sollte, ob nicht noch mehr herauszupressen sei, wer welchen Anteil von der Beute erhalten sollte, welche Strafe bei einer Festnahme zu erwarten ist und welche Ausrede der Polizei dann präsentiert werden sollte. Das Gericht schloss daraus eine aktive Mittäterschaft der 29-Jährigen. Sie habe vom Ausmaß des erneut geplanten Betrugs gewusst. Und sie sei es am Ende gewesen, die den Entschluss gefasst habe, den Rentner aufzusuchen; trotz der Befürchtung, die Polizei könnte bereits vor Ort sein. "Die Gier hat gesiegt", sagte die Richterin. Die Gier, die die Frau für die nächsten Jahre von ihren drei Kindern trennt.
Das Gesetz
Was unter Betrug zu verstehen ist, hält das Strafgesetzbuch in Paragraf 263 fest. Bis zu fünf Jahre Haft drohen, wer eine Person unter Vorspiegelung falscher oder Verdrehung von Tatsachen um ihr Vermögen bringt. Bis zu zehn Jahren drohen, wer als Mitglied einer Bande oder gewerbsmäßig handelt. Dies war bei der 29-Jährigen, so die Auffassung des Schöffengerichts, der Fall. Sie habe der falschen Teppichhändlerbande angehört und mitgemacht, um mit ihrem Anteil aus der Beute den Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch der Versuch des Betrugs ist strafbar. Die Vorsitzende Richterin sah bereits den Versuch überschritten, indem die 29-Jährige vor der Wohnung des Opfer stand. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben die Möglichkeit, Berufung oder Revision einzulegen. (phz)
"Die Täter passen ihre Geschichten an"
Albert Keller (56 Jahre) ist Kriminalhauptkommissar und im Polizeipräsidium Konstanz für Prävention zuständig
Herr Keller, wieso fallen Menschen immer wieder auf Trickbetrüger am Telefon rein?
Das hat verschiedene Gründe. Die Trickbetrüger nutzen gezielt und gekonnt aktuelle Lebenssituationen und die Grundgefühle wie Vertrauen oder Angst ihrer potentiellen Opfer aus. Sie überraschen Sie unerwartet am Telefon mit einer angeblichen Notsituation eines nahen Verwandten oder geben sich als Polizeibeamte oder andere Amtspersonen aus. In einer solchen Situation überlegt und richtig zu handeln, ist nicht immer einfach.Die Täter lassen sich auch immer wieder neue Tricks oder Varianten von Betrugsmaschen, wie beispielsweise der Enkeltrick, einfallen. Der Trick mit dem falschen Polizeibeamten kann durchaus als eine abgewandelte Form des Enkeltricks angesehen werden.
Wie agieren die Täter im Gespräch?
Die Täter gehen dabei durchaus mit psychologischem Gespür und schauspielerischem Geschick vor. So passen sie ihre Geschichte meist den im Gesprächsverlauf von ihren Opfern entlockten Informationen gerissen an.
Welche Maschen sind die häufigsten?: Der Anruf des falschen Enkels, Polizisten oder Teppichhändlers?
Bei den Betrugsdelikten, die am Telefon angebahnt werden, beobachten wir seit einiger Zeit einen Anstieg der Fälle, bei denen sich die Täter bevorzugt als falsche Polizeibeamte, aber auch als Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Bankangestellter ausgeben. Der Enkeltrick hingegen scheint mittlerweile einfach zu bekannt zu sein.
Sind es immer ältere Menschen, die zu Opfern werden?
Entgegen dem oft bestehenden Empfinden älterer Menschen, Opfer einer Straftat zu werden, sind sie erfreulicherweise insgesamt viel weniger von Kriminalität betroffen als jüngere. Beim Enkeltrick oder dem falschen Polizeibeamten allerdings haben es die Täter bevorzugt auf diese Zielgruppe abgesehen, da sie bei älteren Menschen oftmals leichteres Spiel haben.
Wie oft kommen solche Betrügereien vor?
Die Fallzahlen einer Region wie beispielsweise der Landkreis oder der Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Konstanz sind schwankend. Das liegt daran, dass es sich bei dieser Betrugsmasche meistens um organisierte Banden handelt, die eine gewisse Zeit in einer Region sehr aktiv sind und dann wieder abtauchen. Beim Enkeltrick wurden im Bereich des Polizeipräsidiums Konstanz mit den Landkreisen Konstanz, Ravensburg, Sigmaringen und dem Bodenseekreis im Jahr 2017 beispielsweise 49 Fälle angezeigt, wobei alleine 19 Fälle auf den Landkreis Konstanz entfielen. Viele Taten werden aber nicht angezeigt, weshalb es eine hohe Dunkelziffer gibt. Oftmals schämen sich die Betroffenen, auf einen derartigen Betrug hereingefallen zu sein.
6. Wie können sich Angerufene vor Betrug schützen?
Seien Sie misstrauisch, lassen Sie sich nicht drängen, vergewissern Sie sich.
Philipp Zieger