Tiengen – Gesichter, Gesichter, Gesichter – Das ist der erste Eindruck, wenn man die Ausstellung in den Schwarzenbergsälen im Schloss Tiengen betritt. Dort zeigt Matthias Schrenk (66), Augenarzt aus Rheinfelden, ungewöhnliche Menschenbilder auf Leinwand und Papier. Die gut besuchte Vernissage verlief dann etwas anders als sonst: Statt der üblichen Eröffnungsrede befragte der ehemalige Tiengener Kinderarzt Bernd Salfner seinen Kollegen aus Rheinfelden. Denn beide verbindet nicht nur eine enge Freundschaft, sondern gleichzeitig auch ihr Zweitberuf – die intensive Beschäftigung mit der Kunst. Beide sind aus seiner Sicht „Wanderer zwischen zwei Welten“.

Auch Matthias Schrenk stammt aus der Region, ist in Dogern aufgewachsen, machte am Klettgau-Gymnasium in Tiengen sein Abitur und arbeitete zeitweise am Waldshuter Krankenhaus. Bei der Berufsentscheidung hatte er zwei Studienplätze zur Auswahl: an der Kunstakademie in Karlsruhe und für Medizin an der Universität in Freiburg. Irgendwie konnte er beides miteinander vereinen und wurde beim Medizinstudium bald medizinischer Illustrator. Auf Nachfrage sagt er vergnügt: „Man kann ja auch nachts malen.“

Seit 1996 ist er Augenarzt in Rheinfelden. Die rund 50 Arbeiten, die jetzt in Tiengen zu sehen sind, entstanden alle – bis auf ein Bild – in den vergangenen zwei Jahren: „Da hatte ich durch Corona erstmalig mehr Zeit, nicht nur nachts oder am Wochenende.“ Im Gespräch mit Salfner erzählt er, wie seine Bilder entstehen – ohne feste Planung, aus dem Unterbewusstsein heraus: „Ich fange einfach an.“ Dann übermalt er sie oft, verändert sie. Übermalte Spuren entdeckt der Betrachter häufig. „Ich bleibe dabei immer im Gegenständlichen: hier ein Kopf, ein Gesicht, eine Figur. Landschaft interessiert mich nicht so.“ Die Frage, ob seine Bilder melancholisch seien, bejaht er: „Da ist immer Melancholie in der Kunst.“

Da gibt es die unterschiedlichen Gesichter, mal in einem Gesamtbild mit Öl gemalt, dann einzeln mit bunter Kreide gezeichnet und zu Serien zusammengestellt. Diese Zeichnungen sind stilistisch spannend und sehr unterschiedlich. Sie ähneln einem Streifzug durch die Kunstgeschichte. Sehr berührend wirkt auf den Betrachter schließlich das große Ölbild „Der Soldat“: ein junger Mann, mit kläglich kindlichem Gesicht, der seinen Arm verloren hat, auf dem eine Krähe hockt.

Befremdlich wirkt schließlich das Bild „Schildgasse“ aus dem Jahr 2001: Ein Mann trägt ein Kind auf der Schulter. Hier greift er das Thema Flucht auf und bezieht sich auf die Asylunterkunft in Rheinfelden. Eine Telefonzelle verweist auf die einzige Verbindung nach außen. Solche Unklarheiten und rätselhaften Anspielungen in den Bildern von Matthias Schrenk machen seine Ausstellung besonders sehenswert.