Vor 75 Jahren am 27. April rückte die französische Besatzungsmacht in Gurtweil ein. In Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges sind auch in der Gurtweiler Dorfchronik etliche Hinweise auf jene Zeit zu finden. Dekan Leo Beringer – Ehrenbürger von Gurtweil – hat in der von ihm verfassten Dorfchronik die Ereignisse Ende April 1945 ausführlich festgehalten.
„Mit dem Einmarsch Hitlers in Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg, der in den ersten Jahren die Besetzung fast ganz Europas durch deutsche Truppen brachte, ab 1943 aber dauernde Rückzüge und Niederlagen bis zum Zusammenbruch im Frühjahr 1945, der zur bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 führte. Auch von Gurtweil waren im Laufe des Krieges alle waffenfähigen Männer eingezogen worden. Sie belief sich auf etwa 110 Mann.
In den letzten Kriegsjahren kamen immer mehr feindliche Fluggeschwader über das Dorf, die bei Tag und Nacht zu Angriffen meist gegen Friedrichshafen flogen. Im Dorf selbst wurden keine Bomben geworfen, doch wurden in Waldshut und Tiengen gegen Ende des Krieges etwa 20 Personen getötet. Man hatte auch große Angst, dass die Schluchsee-Staumauer bei Seebrugg zerstört werden könnte, wobei eine gewaltige Flutwelle durch das Schlüchttal auf Gurtweil zugekommen wäre.
Festungsdreieck Waldshut/Gurtweil/Tiengen
Im Frühjahr 1945 wurden von einheimischen und fremden Männern und Frauen unter Leitung des Pioniers, Hauptlehrers Uhl von Unterlauchringen, geschanzt, Maschinengewehrnester und Panzerfallen angelegt und Bäume gefällt, um sie im Notfall über die Wege zu legen. Man wollte den Raum Waldshut/Gurtweil/Tiengen zu einem Festungsdreieck ausbauen. Seit dem 20. April 1945 lag eine Abteilung des nationalsozialistischen Kraftfahrkorps, etwa 20 bis 30 Mann stark, in Gurtweil.
Das Hauptquartier hatten sie in der Schule, ihre Wagen waren in verschiedenen Scheunen untergebracht. Zur Freude der Leute zogen sie nach einem nächtlichen Gelage in der Früh des 22. April über Tiengen und den Randen zum Bodensee. Sie hinterließen im Schulhaus zwei Personenwagen, Waffen, leere Flaschen und eine große Unordnung.
Sieben Tote bei Bombenabwurf
In den Tagen vor dem Einmarsch der Franzosen kam von Laufenburg her ein Pionier-Sprengkommando, um die Brücken mit Sprechlöchern zu versehen. Das Pulver wurde dann später noch rechtzeitig herausgenommen. In Waldshut und Tiengen wurden großen Verteidigungsmaßnahmen getroffen. Am 24. April gegen 8 Uhr abends wurden in Waldshut Bomben geworfen, wobei es sieben Tote gab. In Tiengen fand um dieselbe Zeit eine Versammlung auf dem SA-Platz statt, bei der Bürgermeister Gutmann eine Kampfrede hielt und für Verteidigung eintrat. Auch dort wurden Bomben geworfen und es gab Tote.
Etwa 14 Tage vor der Besetzung durch die Franzosen hatte ich als Pfarrer der Gemeinde das Gelübde gemacht, bei Bewahrung der Gemeinde vor größerem Schaden einen Dankgottesdienst und eine besondere Prozession auf den Kalvarienberg abzuhalten. Der Dankgottesdienst fand am 1. Mai statt. Etwas später war Bürgermeister Julius Rüde bei mir und wir besprachen das Hissen der weißen Fahnen auf dem Kirchturm und am Schul- und Rathaus. Dies geschah denn auch am Vormittag des 25. April, als die französischen Panzer gegen Dogern fuhren.
Franszosen treffen am 27. April in Gurtweil ein
Am Mittwoch, den 25. April um die Mittagszeit waren die Franzosen mit Panzerwagen in Waldshut eingetroffen, ohne dass es zu Kampfhandlungen kam. Sie hinterließen Sicherungen und zogen bald weiter nach Tiengen, wo vorher beim Bahnhof und Postamt Bomben gefallen, sieben Personen getötet und die Telefonzentrale zertrümmert worden war. In Gurtweil rückten die Franzosen erst am 27. April ein. Es waren Marokkaner unter Führung eines französischen Offiziers.“
Was das Dorf Gurtweil in den ersten Tagen und Monaten der französischen Besetzung erlebte, darüber hat Dekan Leo Beringer gesonderte, tagebuchartige Aufzeichnungen verfasst. „Es dauerte viele Wochen bis das Leben in Gurtweil wieder einigermaßen seinen Lauf nehmen konnte und jahrelang musste die Bevölkerung noch Entbehrungen leiden und die Folgen des verlorenen Krieges tragen.“