Thomas Arzner

Vor einem Gericht wäre diese Verhandlungslänge wohl einmalig – trotz der Überlastung von Richtern und Staatsanwälten: Knapp 80 Jahre lang dauerte der Prozess, der am Samstag, 15. Mai, sein Ende finden wird. So lange musste der Orden der Salvatorianer auf die Seligsprechung seines Gründers warten – von Pater Franziskus Maria vom Kreuze Jordan.

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Das Verfahren, wie die Kirche einen Menschen „zur Ehre der Altäre“ erhebt, gleicht tatsächlich etwas einem Gerichtsprozess, kommt doch alles, was für oder gegen die Person spricht, auf den Tisch und wird abgewogen. Das letzte Urteil spricht dann der Papst, der der Seligsprechung zustimmen muss.

„Außerordentlicher Tugendgrad“

Zusätzlich kompliziert macht die Angelegenheit, dass die Hauptperson keine Fragen mehr beantworten kann – die Heilig- und Seligsprechungsprozesse beginnen erst nach dem Tod der oder desjenigen, um die es geht. Es braucht also Historiker und Theologen, die für ihn eintreten. Im Fall von Franziskus Maria vom Kreuze Jordan war dies unter anderem Pater Stephan Horn. Der heute 86-Jährige hat als Postulator den Prozess zu Ende gebracht, der Pater Jordan am Schluss den „außerordentlichen Tugendgrad“ bescheinigte. Als solcher musste er sich tief in die Akten des „Falls“ einarbeiten. „Ich wurde damals, vor 20 Jahren, angefragt“, erzählt er. Vor acht Jahren übernahm er seitens des Ordens die volle Verantwortlichkeit.

Eintauchen in Lebensgeschichte

Zuerst hatte Stephan Horn den Auftrag an einer neuen Ausgabe der Lebensgeschichte von Pater Jordan mitzuarbeiten. Er tauchte so ein ins Leben des Mannes, der 1848 im südbadischen Gurtweil geboren wurde, später dann in Freiburg Theologie studierte und zum Priester geweiht wurde und der 1881 seinen Orden gründete – die Salvatorianer.

Impulsiv und spontan

„Es ging im Seligsprechungsprozess bei Pater Franziskus vor allem um die Frage der Klugheit“, sagt Pater Horn. War es beispielsweise klug, Mitglieder aufzunehmen, ohne von ihnen Geld für ihre Ausbildung zu wollen? „Er wollte wirklich sehr großzügig missionarisch wirken und hat viele junge Leute aufgenommen. Das brachte ihn in finanzielle Nöte, die gelöst werden mussten.“

Lebensdaten von Pater Jordan

Jordan hatte eben eher ein impulsives und spontanes Wesen. Auch standen Anschuldigungen aus einem früheren Seligsprechungsprozess im Raum, auch da ging es um finanzielle Unstimmigkeiten. Aber das alles konnte entkräftet werden, so Stephan Horn. Kein Thema seien im Prozess hingegen Fragen des sexuellen oder geistlichen Missbrauchs gewesen.

Ziel einer Visitation

Die Gemeinschaft von Pater Jordan war auch zu seinen Lebzeiten Ziel einer Visitation des Vatikans, die Jahre dauerte – und die Pater Jordan viel Kopfzerbrechen bescherte. „Dass das Amt in der Kirche manchmal unnötige Hindernisse in den Weg legt, war für ihn als Gründer eine der bittersten Erfahrungen. Auch, dass er innerhalb der Kirche solchen Widerstand erfuhr“, sagt Pater Horn. Aber Pater Jordan habe immer zugleich gesehen, dass trotzdem Gutes erwachsen könne. „Er hat sich also nicht verbittern lassen, sondern war treu bei der Kirche und hat auch seine Brüder zur Treue ermahnt.“

In Gurtweil, wo in der Pfarrkirche dieses Relief des Ordensgründers zu sehen ist, wurde Pater Jordan geboren.
In Gurtweil, wo in der Pfarrkirche dieses Relief des Ordensgründers zu sehen ist, wurde Pater Jordan geboren. | Bild: Alfred Scheuble

Trotz all der Anfragen, die im Laufe des Prozesses gestellt wurden – insgesamt wogen die Früchte des Paters schwerer: So sind mittlerweile 2000 Frauen und Männer im Orden. Sie sind weltweit in 40 Ländern tätig und arbeiten unter anderem in Schulen und in der Seelsorge.

Wunder als letzter Schritt

Der letzte Schritt zur Seligsprechung war das Wunder. „Man geht nicht auf die Suche nach einem Wunder“, sagt Pater Horn. Es komme sozusagen zu einem: Sie hätten viele Nachrichten darüber bekommen, dass Bitten, die an Pater Jordan gerichtet wurden, erhört wurden. Allerdings ist nicht jede Heilung ein von der Wissenschaft unerklärbares Wunder.

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Deshalb mussten sie die Fälle, die näher begutachtet werden sollten, auswählen. Der erste Fall, eine Krebsheilung, ließ sich allerdings dann doch mit den Mitteln der Medizin nachweisen. Erst beim zweiten Fall konnten die Ärzte keine natürliche Ursache finden: Bei einem ungeborenen Kind einer Familie in Brasilien wurde eine unheilbare Knochenerkrankung festgestellt. Als Mitglieder einer Gruppe von Laien-Salvatorianern baten die Eltern Pater Jordan um Fürsprache. Am 8. September 2014, dem Todestag des Ordensgründers, kam das Baby völlig gesund zur Welt. Für die Seligsprechung war der Weg damit frei.

Missionarischer Schwung

Aber was bedeutet dieser Akt nun – jenseits der Feierlichkeiten? Für die Kirche heute habe Pater Jordan eine Bedeutung, weil er großen missionarischen Schwung hatte, der weiter gebraucht werde – gerade in diesen Zeiten, sagt Stephan Horn. „Für den Orden hoffe ich, dass die Seligsprechung uns eine geistliche Erneuerung beschert. Denn unser Kapital ist der Gründer.“