Von West nach Ost durchstreifen zahlreiche Fließgewässer Waldshut-Tiengen und die Ortsteile. Alle gehören zum Flusssystems des Rheins, weil sie alle entweder in die Wutach oder in den Rhein münden und die Wutach wiederum in den Rhein mündet. Die Quellgebiete des Rheins liegen im Schweizer Kanton Graubünden, in den Niederlanden mündet der Strom in die Nordsee.
1. Der Rhein
Der Rhein prägt mit mehr als 1232 Kilometern Länge das Leben der Region seit Jahrtausenden. „Siedlungen entstanden seit jeher an Flüssen, weil sie wertvolles Wasser lieferten und gleichzeitig die Mobilität erleichterten“, sagt Waldshut-Tiengens Stadtarchivar Ingo Donnhauser.
So sei auch Waldshut gewachsen: „Die Habsburger wählten diesen Standort, als sie ihr Territorium nördlich des Rheins erweiterten, als lagestrategische Planstadt“, sagt der Historiker.

Bereits um 1400 gab es erste Rheinfähren, die den Handel beflügelten. „Damals war der Rhein noch keine Landesgrenze, sondern die Verbindung im vorderösterreichischen Gebiet“, so Donnhauser. „Erst 1415 fiel der linksrheinische Teil an die Eidgenossen und der Rhein wurde zur Landesgrenze.“
2. Der Liederbach
Der Liederbach entspringt südwestlich von Gaiß, fließt an den Streuobstwiesen von Eschbach vorbei und in der Waldshuter Bleiche, in den Rhein. „Hier wurden früher Leinenstoffe unter der Sonne gebleicht, etwa für die großen Waldshuter Textil- und Webereiunternehmen“, weiß Donnhauser zu berichten. „Dieser Prozess verbrauchte viel Wasser, das der Liederbach lieferte.“
3. Der Seltenbach
Der Seltenbach entspringt nördlich von Waldkirch und durchfließt Schmitzingen. Am Ortseingang von Waldshut teilt sich das Gewässer in Seltenbach (rechts) und Forellenbach (links). Teile davon liefern das Wasser für den Waldshuter Stadtbach, der im Mittelalter wie vielerorts als Abwasserkanal genutzt wurde.

Forellenbach und Seltenbach vereinen sich unterhalb des Hochrhein-Gymnasiums wieder, fließen unter der imposanten Seltenbachbrücke am Oberen Tor hindurch und münden dann beim Fähranleger in den Rhein. „Bis ins 19. Jahrhundert trug der Seltenbach den Namen Mühlebach, weil im Talgrund bei Schmitzingen in Steinbrüchen Mühlsteine abgebaut wurden“, sagt Ingo Donnhauser, „diese wurden europaweit verkauft“.
4. Der Haselbach
Der Haselbach fließt aus Richtung Weilheim kommend tief unten im Tal an Indlekofen und Bürgeln vorbei und mündet nördlich von Gurtweil in die Schlücht. Ein besonderes Naturschauspiel bietet der etwa 14 Meter hohe Haselbach Wasserfall, der bei genügend Wasser zwischen Aispel und Rohr bestaunt werden kann.
5. Die Wutach
Die Wutach ist mit 91 Kilometern der zweitgrößte Fluss der Doppelstadt. Als Seebach vom Feldberg kommend, heißt der Fluss erst Gutach, um nach der Einmündung der Haslach zur Wutach zu werden.

Sie hat mit der Wutachschlucht nicht nur deutschlands tiefsten Canyon geschaffen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung von Tiengen früh geprägt. Der Hett-Kanal südlich der Schaffhauser Straße, im Volksmund Gewerbekanal genannt, ist Zeuge dieser Zeit:
„Die Weberei Honegger nutzte ihn, um die Maschinen mit Wasserkraft anzutreiben“, berichtet Donnhauser. „Einzelne Gebäude, wie der Fristo-Getränkemarkt und umliegende Bauten auf Höhe des Möbelhauses Seipp sind Überbleibsel der Honeggerei.“
6. Die Schlücht
Die Schlücht entspringt bei Rothaus. Auf Waldshut-Tiengener Gemarkung sammelt sie zwischen Aichen und Gutenburg Wasser vom Guggenlochgraben, Elbachgraben, Flunischbach und Krebsgraben ein, teilt sie sich anschließend unterhalb der Haselbachmündung in Schlücht (rechts) und Mühlegraben (links).
Beide Bäche durchfließen Gurtweil auf eigenen Wegen und vereinen sich anschließend östlich des Kaitles wieder. Rund 500 Meter weiter südlich fließt der kurze Landgraben in die Schlücht. Gegenüber von Homburg münden die Bäche dann vereint als größter ihrer Nebenflüsse in die Wutach.
„Die einstige Holzbrücke beim Bad Bruckhaus in Gurtweil war ab dem Mittelalter ein wichtiger Zollknotenunkt, weil hier Territorialgrenzen zwischen Vorderösterreich und der Landgrafschaft Stühlingen, später der Fürstabtei St. Blasien verliefen“, sagt Donnhauser.
„Außerdem wuschen Tiengener Bürger ihre Wäsche jahrhundertelang in der Schlücht – wo heute das Schwimmbad ist, lag der Waschplatz.“ Später war das Kraftwerk Gutenburg um 1902 das erste Wasserkraftwerk des heutigen Landkreises.
7. Der Kaltenbach
Der Kaltenbach entsteht im Waldgebiet nördlich von Tiengen als Talbach. Im Stadtgebiet teilt er sich in Kaltenbach (links) und Stadtbach (rechts) um dann kurz vor der westlichen Einfahrt in den Bürgerwaldtunnel, in die Wutach zu münden.
In einem Text aus dem Alb Boten vom 4. Juli 1985 wird vom Gipsabbau im Tal berichtet. Ein Wasserkanal sei 1893 „im oberen Tal vom Bach abgezweigt“ worden, um die Maschinen der Fabrik zur Gipsverarbeitung per Turbine anzutreiben. Die Straße, die zwischen dem Kaltenbach und der Friedhofsmauer vorbei führt, heißt auch heute noch „An der Gipsmühle“.
8. Die Steina
Die Steina schlängelt sich rund 37 Kilometer wildromantisch von Schluchsee ins Tal hinab. In Detzeln teilt sich der Fluss in Steina (rechts) und Mühlebach (links), um sich kurz darauf wieder zu vereinen. Der Krebsbach und der Dunstenbach bei Krenkingen, der Lützelbach nördlich und der Fockeltenbach südlich von Detzeln sind allesamt Nebenflüsse der Steina, deren Wasser gemeinsam am südöstlichen Rand von Tiengen in die Wutach münden.

Eine Besonderheit, über die Heinz Voellner in seiner Tiengen-Chronik (1958) schreibt, ist die Steina-Versickerung im Muschelkalk: „Öde und doch seltsamverlockend bleibt ein leeres Flussbett zurück, in dem man trockenen Fußes viele hundert Meter weit entlanggeistern kann.“
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