Die Büste einer fülligen Badenden mit grüner Badehaube, ein Bild, das mit Tintenfischtinte gemalt wurde, die jetzt glücklicherweise nicht mehr nach Fisch riecht, oder ein übermaltes Akt-Bild, das in später Reue wieder halb freigekratzt wurde – im Tiengener Schloss gibt derzeit eine besondere Ausstellung ungewohnte An- und Einsichten.

Nicht diejenigen Werke, die von den ausstellenden Künstlern mit Überzeugung in der Öffentlichkeit präsentiert werden, sind zu sehen, sondern solche, die sie bislang aus verschiedensten Gründen zurückgehalten haben. „Verschlusssache – Das Kunstwerk, das ich nie ausstellen wollte“ ist folgerichtig Titel der Ausstellung. In den Schwarzenbergsälen und im Tiengener Schloss sind 23 „Verschlusssachen“, sprich 23 Bilder, Skulpturen und auch Fotos erstmals öffentlich zu sehen.

Heiterkeit: Diese drei Besucher haben Freude am Kunstwerk „Versunken“. Inspiriert zu dem Werk wurde Künstlerin Mechthild ...
Heiterkeit: Diese drei Besucher haben Freude am Kunstwerk „Versunken“. Inspiriert zu dem Werk wurde Künstlerin Mechthild Ehmann durch Besuche im Thermalbad Zurzach. | Bild: Ursula Freudig

Am Samstag war die Vernissage. Rund 70 Interessierte sind zur Eröffnung gekommen. „Endlich treten solche Kunstwerke ans Licht und dürfen ihre Wirkung entfalten“, sagte die städtische Kulturamtsleiterin Kerstin Simon in ihren Begrüßungsworten. Sie und Bernd Salfner, Künstler und Vorstandsmitglied des Vereins Freunde Schloss Tiengen, sind die Kuratoren der Ausstellung. Ans Licht bringt sie nicht nur lang verborgene Kunstwerke der 23 Künstler, sondern auch die vielfältigen Gründe dafür. Zu persönlich, missraten, passt nicht ins Gesamtwerk, sind einige davon. Die Künstler nennen ihre Gründe auf Texttafeln direkt neben ihrem Werk oder erzählen sie persönlich.

Offene Worte: In der Vernissage erzählen ausstellende Künstler, warum sie ihr Kunstwerk vor der Ausstellung ...
Offene Worte: In der Vernissage erzählen ausstellende Künstler, warum sie ihr Kunstwerk vor der Ausstellung „Verschlusssache“ nie der Öffentlichkeit gezeigt haben. Von links: Elisabeth Bereznicki, Matthias Dämpfle, Mechthild Ehmann, Gela Samsonidse, Kulturamtsleiterin Kerstin Simon, Gisela Frenzel und Bernd Salfner (Mitkurator und Künstler). | Bild: Ursula Freudig

Die erste von insgesamt drei Gesprächsrunden mit ausstellenden Künstlern fand bereits bei der Vernissage statt. Unter ihnen war Mechthild Ehmann, die bei Aufenthalten im Thermalbad Zurzach zu der anfangs erwähnten Büste der Frau mit Badehaube inspiriert wurde. Das Werk löste bei den Betrachtern durchweg eine gewisse Heiterkeit aus.

Interessiert: Iris und Bernd Wallascheck lesen aufmerksam die Geschichte hinter dem Bild von Antonio Idone, es ist mit der Tinte von ...
Interessiert: Iris und Bernd Wallascheck lesen aufmerksam die Geschichte hinter dem Bild von Antonio Idone, es ist mit der Tinte von Tintenfischen gemalt. | Bild: Ursula Freudig

Vielfach haben die Arbeiten auch ernste Hintergründe, die oft mit der Lebenssituation der Künstler während des Schaffensprozesses zusammenhängen. Gela Samsonidse hat zum Beispiel seine sterbende Mutter gemalt, ein Bild, das eigentlich nur für die Familie bestimmt war. Und Matthias Dämpfle erzählte in der Runde, dass seine ausgestellte Skulptur ein einmaliger Versuch war, mit Faserplatten aus dem Baumarkt Skulpturen zu schaffen.

Die Ausstellung macht Freude, weil sie anders ist, weil die Geschichten hinter den Werken interessant sind und Einblicke in die Persönlichkeit, das Denken und das Leben der ausstellenden Künstler geben. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kulturamts der Stadt Waldshut-Tiengen und des Kulturvereins Freunde Schloss Tiengen.