Herr Böffgen, Sie bekommen Anfragen aus ganz Deutschland zum Grundstücksmarkt in Waldshut-Tiengen. Was, glauben Sie, macht den Standort so attraktiv?

Ungeachtet der vielen touristischen und geographischen Potenziale überrascht es schon, dass ein nach den Kriterien der Landesplanung ländlich geprägter Raum auf ein derartig großes Interesse innerhalb der Immobilienbranche stößt. Außerhalb der Metropolregionen sieht es weltweit nämlich ganz anders aus. Mit Sicherheit sorgen der hohe Beschäftigungsgrad und die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entlang der so genannten Hochrhein-Schiene für ein attraktives Investitionsklima, welches zusammen mit europäischer Zinspolitik und der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten die Nachfrage zusätzlich beflügelt. Zur Begründung des Phänomens wird argumentativ immer wieder die direkte Nachbarschaft zur Schweiz bemüht. Es ist allerdings nicht ein besonders hoher Anteil eidgenössischer Grundstückserwerber, diese machen nach der aktuellen Kaufpreissammlung rund sieben Prozent aus, der uns jenen Boom beschert. Vielmehr dürften die Ursachen im Zusammenhang mit dem hohen Prozentsatz in die Schweiz auspendelnder Arbeitnehmer und nach Deutschland zurückkehrender Umsätze beispielsweise im Einzelhandel zu suchen sein. In diesem Milieu ist dann auch die demographisch bedingte Weitergabe und anschließende Modernisierung der Bestandsbauten von Senioren an junge Familien interessant. Absehbar wird damit auch die Bereitstellung seniorengerechter Wohnformen in zentrumsnahen Lagen dringlicher.

"In Waldshut-Tiengen ist das Bauland knapp“ war der Tenor des ersten Grundstücksmarktberichts 2015. Wie ist die Entwicklung seither verlaufen?

Grundsätzlich wie prognostiziert – und mit kreativem Engagement begegnet. Während die Stadt voraussichtlich noch in diesem Jahr das Bauleitplanverfahren für zwei weitere Wohngebiete abschließt und neue Flächenausweisungen prüft, mobilisieren auf der privaten Seite verschiedene Bauträger eher brachliegende oder unterausgenutzte Baugrundstücke im Siedlungsbestand. Zunehmend werden die Baugebiete auch in Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen entwickelt. Auf dem Weg von Nachverdichtung und Innenentwicklung werden derzeit also die letzten Reserven aktiviert; das Bauland verknappt sich somit weiter.

Wo ist noch Platz für Gewerbeansiedlungen?

Analog der Flächen für Wohnbauland verhält es sich mit solchen für Neuansiedlungen. Mit dem kürzlich zur Rechtskraft geführten Bebauungsplan „Vordere Rohhalde“ war es möglich, das Gebiet Kaitle moderat zu erweitern. Zusätzliche Arrondierungen entlang der Kupferschmidstraße sind zumindest gemäß geltendem Flächennutzungsplan denkbar, wie andere Flächen jedoch auch stets von den Eigentumsverhältnissen abhängig. Insgesamt reduziert sich das Angebot gewerblicher Standorte auf noch unbebaute Grundstücke im Gewerbepark Hochrhein oder eben auf zu restrukturierende Bereiche innerhalb der Bestandsgebiete. Da sich die letztgenannten nicht in gemeindlichem Besitz befinden, kann die Wirtschaftsförderung Ansiedlungswillige hier lediglich beratend oder flankierend unterstützen.

Wo geht die Entwicklung in den Sanierungsgebieten Innenstadt Waldshut und Tiengen Süd im Hinblick auf Grundstückspreise und eventuelle Entstehung neuer Stadtwohnungen?

Die beiden Sanierungsgebiete folgen im Wortlaut des jeweiligen Förderprogramms im Detail unterschiedlichen Zielsetzungen. So steht für die Innenstadt Waldshut die Sanierung städtischer Liegenschaften unter denkmalschutzrechtlichen Grundsätzen im Fokus. Die Arbeiten in der Wallstraße machen gerade den Anfang und sollen später die Aufenthalts- und damit die Wohnqualität im Zentrum erhöhen. Die Maßnahmen in der südlichen Innenstadt Tiengens beabsichtigen eine Attraktivierung des Stadtteils, wie sie mit der Umplanung des zentralen Bereichs rund um die Heckerstraße angestoßen wurde. Inwiefern sich die bis 2025 befristeten Programme auf eine Erhöhung der dortigen Bodenwerte und Mieten auswirken, bleibt in beiden Stadterneuerungsgebieten vorerst abzuwarten. Einzig in Tiengen sieht die Satzung vor, sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen spätestens bei Beendigung des Verfahrens abzuschöpfen. Die aktuelle Bund-Länder-Förderung sieht keine Ausschüttung direkter Fördermittel an private Haus- und Grundstücksbesitzer vor, wie es noch im Sanierungsverfahren der 80er der Fall war. Immobilienbesitzern innerhalb der betroffenen Gebiete steht es vielmehr frei, erhöhte Abschreibungen für durchgeführte Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen steuerlich geltend zu machen. Das Einkommenssteuergesetz begünstigt in diesem Sinne die Schaffung bzw. Erhaltung von Wohnraum in Innenstadtlagen.

Welche Entwicklung sehen Sie bei den Wohnungsmieten in den kommenden Jahren?

Vor dem Hintergrund bundesweiter Tendenzen erscheint der Mietpreisanstieg als vorerst eingebremst. Hauseigene Betrachtungen des örtlichen Marktes bestätigen die Tendenz zumindest im Segment der Bestandswohnungen. Neuvermietungen orientieren sich hingegen eher an Renditekriterien und den oben genannten ökonomischen Rahmenbedingungen. Extrapoliert man die Werte der letzten drei Jahre auf eine ebenso lange Zukunft, ergibt sich ein relativ stabiles Bild ohne größere Veränderungen. Die gesetzliche Möglichkeit, Modernisierungskosten kurzfristig an den Wohnungsnutzer weiterzureichen, schließt steigende Mieten im Zuge der Sanierung von Altbauten allerdings nicht aus.

Fragen: Uthe Martin

Zur Person

Erik Böffgen (50) ist Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Waldshut-Tiengen und Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ...
Erik Böffgen (50) ist Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Waldshut-Tiengen und Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte bei der Großen Kreisstadt Waldshut-Tiengen. Der Ausschuss hat den zweiten Grundstücksmarktbericht für Waldshut-Tiengen erarbeitet, der jetzt vorliegt.

Erik Böffgen (50) ist Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Waldshut-Tiengen und Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte bei der Großen Kreisstadt Waldshut-Tiengen. Der Ausschuss hat den zweiten Grundstücksmarktbericht für Waldshut-Tiengen erarbeitet, der jetzt vorliegt. Der Gutachterausschuss (GAA) ist nach den gesetzlichen Bestimmungen eine selbstständige und von staatlichen Weisungen unabhängige Einrichtung. Diese besteht aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und weiteren ehrenamtlichen Gutachtern, davon auch Vertreter der örtlichen Finanzbehörde.

Quadratmeterpreis für Wohnfläche knackt 3000-Euro-Marke

Wenig Flächenreserven für neuen Wohnraum, hohe Mietpreise für kleine Wohnungen waren Kernaussagen des Grundstücksmarktberichts Waldshut-Tiengen, der 2015 erstmals vorgelegt wurde. Wie sich Markt und Preise in den vergangenen zwei Jahren entwickelt haben, zeigt der aktuelle Bericht 2017 auf.

Einwohner: Waldshut-Tiengen zählte im Jahr 2016 erstmalig etwa 24 500 Einwohner (2001: 22 408 EW, 2014:23 063 Einwohner und überschritt damit deutlich den statistisch bis 2035 vorausberechneten Entwicklungskorridor. Der Anteil der Zuzüge beläuft sich in den letzten Jahren relativ stabil auf etwa neun Prozent pro Jahr.

Allgemeine Entwicklung: Wie laut Grundstücksmarktbericht zu erwarten war, überschritten die Kaufpreise eines Quadratmeters Wohnfläche in der Gemarkung Waldshut-Tiengen gegen Ende 2016 erstmalig die 3000-Euro-Marke.

Wohnungsbestand: Dem stetigen Bevölkerungswachstum folgend verzeichnet auch der Wohnungsbestand bis 31. Dezember 2015 Zuwachs: 4348 Wohngebäude (inklusive Wohnheime, Wochenend-/Ferienhäuser über 50 m² Wohnfläche) und 11 501 Wohnungen (2013: 4298 bzw. 11 326). Die Belegungsdichte hat sich dem hingegen auf 2,0 Einwohner pro Wohnung (2002: 2,2) leicht reduziert, was dem Trend zu mehr Wohnfläche pro Kopf entspricht.

Marktübersicht: Die Anzahl der abgeschlossenen Kaufverträge präsentiert sich innerhalb der letzten Jahre relativ stabil, lag 2015 in Waldshut-Tiengen jedoch erstmalig über 400. Trotz anschließend wieder sinkender Verkaufszahlen (2016: 355) bleibt der Umsatz allerdings auf hohem Niveau. Als Grund für den leichten Rückgang kommt ein zurückgehendes Objektangebot in Frage.

Neuerrichtetes Wohnungseigentum liegt je nach Ausstattungsstandard in einer Spanne von 2700 bis 3100 Euro/m², in Nachbargemeinden auch darüber, beispielsweise in Küssaberg bei 3300 Euro/m², in Lauchringen bei 3500 Euro m²). Die Kaufpreise pro Quadratmeter Bestands-Wohnfläche liegen, abhängig von Gebäudealter und Modernisierungszustand, bei rund 1900 Euro sowohl für Ein- und Zweifamilienhäuser als auch für Wohnungen.

Wohnbauflächen: Die Bodenrichtwerte der Periode 2015/16 für baureifes Land beginnen in den dörflich geprägten Ortsteilen der Stadt bei 65 Euro/m² und enden bei 220 Euro/m² für innerstädtisches Wohnbauland. Werte darüber finden sich in den gemischt genutzten Lagen der historischen Stadtkerne Waldshut mit 700 Euro/m² und Tiengen (320 Euro/m²) sowie in Bereichen des (großflächigen) Einzelhandels und von Dienstleistungsangeboten. Bei den Quadratmeterpreisen in den kommunalen Neubaugebieten in den kleineren Stadtteilen gilt auch weiterhin ein einheitlicher Bodenpreis von 90 Euro/m² baureifes Land.

Gewerbliche Bauflächen: Die Bodenrichtwerte für die gewerbliche Bauflächen bewegen sich in einer Spanne zwischen 65 Euro/m² und 145 Euro/m², wobei die höherpreisigen Parzellen unmittelbar an den überörtlichen Verkehrsachsen liegen.