Von Werner Huff

Der Abschied vom alten und die Begrüßung des neuen Jahrs ist weltweit mit Krach und Feuerzauber verbunden. Vor heute genau 25 Jahren, am 30. Dezember 1992, gab's zusätzlich eine Poltergeist-Einlage. Obwohl um einen Tag verfrüht, machte dieser Silvester-Rums weit mehr Eindruck als noch so viele China-Böller. Genau um 22.34 Uhr rumpelte ein Erdbeben durch den Kreis Waldshut. Wer schon im Bett lag, wurde wach, die anderen spürten ein Zittern, während Geschirr klapperte und Gläser klirrten.

Von 22.40 Uhr bis Mitternacht riefen bei der Polizei weit über hundert besorgte Einwohner an. War es wirklich ein Erdbeben? Oder war ein Flugzeug abgestürzt? Oder hatte es gar einen Störfall im Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt gegeben? Auf all diese Fragen hatte auch die Polizei zunächst keine Antwort. Und weil sich Einwohner auch gegenseitig anriefen, war im Ortsnetz Waldshut zeitweise die gesamte Telefonleitung blockiert.

Um 22.55 Uhr wusste die Polizei schließlich Bescheid, nachdem die Landespolizeidirektion bestätigte, dass die Erde gebebt hatte. Das Zentrum des mehrere Sekunden dauernden dumpfen Grollens lag im Raum zwischen Wutöschingen und Ühlingen-Birkendorf, die Stärke wurde zwischen 4 und 4,5 auf der Richterskala angegeben. Damit war es das stärkste Beben seit über zehn Jahren in der Region. Es blieb harmlos, weil der Erdbebenherd 22 Kilometer tief lag. Trotzdem schlug erstmals das seismische Messgerät im Kernkraftwerk Leibstadt gegenüber Dogern aus. Es soll dafür sorgen, dass ab Bebenstärke 6 bis 7 der Reaktor zu Inspektionszwecken abgeschaltet wird. Eine einzige Schadensmeldung kam aus dem Kurhaus Grafenhausen. Dort war ein Regal mit wertvollem Porzellan umgekippt. Schaden: 5000 Mark.

Besonders besorgt waren Kreisbewohner aus Ländern, in denen Erdbeben oft katastrophale Folgen haben. So fand eine Polizeistreife auf einem Parkplatz in Murg drei vollbesetzte Autos mit italienischen Familien. Sie hatten Angst vor einem größeren Nachbeben und wollten sicherheitshalber im Freien übernachten.