Der angeklagte Großvater, der vor dem Landgericht des schweren sexuellen Missbrauchs von drei Kindern angeklagt war, soll drei Jahre ins Gefängnis. Damit folgte die Jugendstrafkammer am Donnerstag dem Antrag von Staatsanwalt und Verteidiger. Was die Schwere der Schuld angeht, lagen die Anwälte der Nebenkläger – im Auftrag der Eltern – und der Verteidiger des Angeklagten weit auseinander. Der Vorsitzende Richter Martin Hauser würdigte in der Urteilsbegründung das Geständnis des Angeklagten, ohne das etliche Taten nicht hätten geahndet werden können.
Das Urteil ging von elf Handlungseinheiten 2016/17 an drei Kindern, vor allem aber an der Enkelin und dem Enkel des Mannes, aus. Sexueller Missbrauch ging dabei teilweise mit der Herstellung pornografischer Aufnahmen einher: der übergriffige Großvater hatte die Kinder in eindeutigen Posen fotografiert. Laut Gericht hatte der Täter zunächst bei der elfjährigen Enkelin den kindlichen Wunsch, Fotomodell zu werden, ausgenutzt. Aus Posen wurden Berührungen, später auch unter den Kindern mit dem Cousin der Enkelin kurz auch mit einem Mitschüler. Dies angeblich im Interesse der sexuellen Aufklärung, der Aufklärer befriedigte sich dabei selbst. "Mit Aufklärung hatte das nichts mehr zu tun", stellte der Vorsitzende fest. Auch wenn die Kinder sexuelle Neugier gezeigt hätten, wäre es "falsch, das auslösende Moment für die Taten bei den Kindern zu suchen". Das Gericht ging aber auch nicht von Gewaltanwendung aus. Dauerhafte psychische Folgen für die Kinder seien nicht bewiesen, wenn auch nicht auszuschließen, so der Richter.
Nachdem Staatsanwalt Jan Meents in der vergangenen Woche drei Jahre Haft gefordert und dabei das Geständnis des 61-Jährigen stark gewichtet hatte, sahen die Nebenkläger-Anwälte Heiko Gleixner und Christoph Wittekindt das Geständnis als verspätet an. Die Begründung des Täters, er habe die Kinder aufklären wollen, sei geradezu perfide, sagte Gleixner. Die materielle Wiedergutmachung sei "taktisch motiviert" gewesen. Der Angeklagte habe das Vertrauensverhältnis zu zwei Enkelkindern über einen langen Zeitraum gezielt missbraucht. Rechtsanwalt Wittekindt verwies auf lebenslange Folgen für die Betroffenen. Tatsächlich müsse sich die missbrauchte Enkelin in psychotherapeutische Behandlung begeben. Die Nebenkläger plädierten auf vier Jahre Haft. Der Angeklagte habe schon vor dem Urteil alles verloren – seine von ihm abgerückte Familie und die Zuneigung seiner Enkelkinder – erklärte Verteidiger Urs Gronenberg. Sein Mandant stehe zu seiner Verantwortung, das Geständnis mit der damit verbundenen Entlastung der Opfer, die nicht vor Gericht auftreten mussten, sei ihm sehr wohl anzurechnen. "Die Beweislage war alles andere als erdrückend." Für seelische Schäden der Kinder gebe es keine gutachterlichen Beweise.
Das Strafrecht eröffne die Möglichkeit, einen minderschweren Fall zu sehen, "wenn die Tat auf die Initiative des Kindes zurückgeht". Ohne den Kindern einen Vorwurf zu machen, zitierte Gronenberg aus den – aufgezeichneten – Vernehmungen bei der Polizei einzelne Passagen, laut denen die Enkelin einräumte, sie habe "die Erfahrung machen" wollen und "ein bisschen Lust gehabt". Der Großvater mache sich heute Vorwürfe, dass er nicht konsequent Nein gesagt habe. Der Verteidiger hielt, wie der Staatsanwalt, drei Jahre Strafhaft für angemessen. Der Verurteilte sitzt seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft.
Der Angeklagte und der Staatsanwalt erklärten nach der Begründung, dass sie auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten werden.
Missbrauch von Kindern
Sexueller Missbrauch von Kindern (bis 14 Jahre) wird vom Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet. Schuldig ist unter anderem, wer sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt oder ein Kind dazu bestimmt, dass es selbst sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.