Die Klettgauer Heimattracht verdankt sich drei Frauen – wer waren sie und was motivierte sie zur Gründung des Vereins?
Hubert Baumgartner: Erna Groll, Olga Brenner und unsere Mutter, Gertrud Baumgartner, wollten wissen, wie die Festtagstracht aussah, die früher in Tiengen getragen wurde. Sie forschten und fanden heraus, dass in Tiengen die Klettgau-Tracht getragen wurde. Tiengen war damals Hauptstadt des Klettgaus, der bis in die Schweiz hinein reichte.
1953 war beim Schwyzertagsumzug der erste Auftritt der drei Frauen mit zwei Kindern in der Klettgau-Tracht. Die zwei Kinder waren die Gritli, die Tochter von Erna Groll, und ich. Wir waren beide neun Jahre alt. Wir sind wie heute durch die Hauptstraße gelaufen, nur standen damals dort noch Autos.
Rita Maximilian: Die Bürger- und Narrenzunft hatte damals schon eine Tracht, aber das war eine Fantasietracht. Die Frauen wollten es genau wissen. Frau Groll war belesen und hatte Verbindungen zu Archiven. Im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen ist eine Klettgauer Tracht ausgestellt, welche auch im deutschen Klettgau getragen werden kann.

Wer sind die Personen und der Verein?
Was für eine Frau war Ihre Mutter?
Rita Maximilian: Sie war eine sehr lebenslustige Frau, sie konnte gut singen, war im Kirchenchor und hat gern lustige Gedichte vorgetragen. Ich war acht Jahre alt, als ich 1958 zur Klettgauer Heimattracht kam. Abgesehen von meinem Vater und dem älteren Bruder, waren wir mit vier Familienmitgliedern vertreten. Meine ältere Schwester Edith war 50 Jahre dabei.
Wer so lange dabei ist, der hat viel erlebt. Was war besonders schön und ist unvergessen?
Rita Maximilian: Nie vergessen werde ich den Schwyzertag 1962, als der damalige Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger Festredner beim Heimatabend war. Ich war zwölf Jahre alt und stand wieder, wie die Jahre davor, auf der Bühne und sagte ein Mundartgedicht auf.
Einige Passagen daraus hat Kiesinger in seine Festrede eingeflochten. Mein Vortrag schien ihm gefallen zu haben, denn er hat ein paar Tage später in Tiengen auf dem Bürgermeisteramt angerufen und gebeten, dass man mir in seinem Namen eine Schachtel Konfekt überreicht. Das hat der damalige Bürgermeister Franz Schmidt dann auch gemacht, es gibt ein Bild davon. Ich war sehr stolz damals und finde es heute noch schön, dass ein so hoher Herr wie der Kiesinger meinen Vortrag auf diese Weise gewürdigt hat.

Hubert Baumgartner: Für mich ist jeder Auftritt schön. Es ist einfach wunderbar, wenn ich mit meiner Frau in Tracht tanze. Wir kennen rund 50 Tänze und üben zu jedem Schwyzertag einen neuen ein oder greifen auf alte zurück, die wir vor langer Zeit einstudiert haben. Marianne Fischer und Eberhard Schulz sind unsere Tanzlehrer. Wir proben einmal die Woche in der ehemaligen Gewerbeschule in Tiengen. Seit der Gründung ist das unser Raum. Ich bin dort zur Schule gegangen.
Gibt es nicht auch die Proben-Tanzsunntige in Gurtweil?
Hubert Baumgartner: Bis vor Corona hatten wir jedes Jahr in der Gurtweiler Halle einen Tanzsunntig. Die mitmachenden Vereine kamen aus der ganzen Umgebung, vom Bodensee, dem Schwarzwald, aus der Schweiz. Im Moment machen wir keine mehr, weil die Nachfrage in den letzten Jahren nachgelassen hat und die Organisation sehr aufwendig war.

Lassen Sie uns noch ein wenig über Ihre Tracht reden: Was zeichnet die Klettgauer Tracht aus?
Hubert Baumgartner: Wir Männer tragen weite, gefaltete Kniebundhosen, weiße Strümpfe, Samthosenträger, einen Dreieckhut und eine Jacke mit weißem Revers, darunter eine rote Weste, ein weißes Hemd und eine Hals-Schleife. Ich fühle mich sehr wohl in der Tracht. Meine Frau und ich haben auch in Tracht kirchlich geheiratet. Sie trug dabei einen Hochzeitsschäppel auf dem Kopf, der zur Klettgauer Tracht dazugehört.
Rita Maximilian: Die Klettgauer Festtagstracht ist eine sehr wertvolle Tracht. Wir Frauen tragen ein Seidenmieder, darunter eine weiße Bluse und darüber einen weißen Gollerkragen, einen bestickten roten Wollbrustlatz und einen Plisseerock, für den fünf Meter Stoff nötig sind. Es ist, im Vergleich zu den eher dunklen Schwarzwälder Trachten, eine eher farbenfrohe Tracht, wir sind auch die einzigen, die rote Strümpfe tragen.

Fühlt man sich anders, wenn man Tracht trägt?
Rita Maximilian: Es ist schon ein besonderes, sehr schönes Gefühl, Tracht zu tragen. Man hat mehr Heimatgefühl, weil man weiß, dass man etwas trägt, was schon Frauen vor 250 Jahren getragen haben.
Sie beide sind sicher mit der Klettgauer Heimattracht viel rumgekommen, oder?
Rita Maximilian: Wir sind dem Bund Heimat- und Volksleben angeschlossen und wurden und werden deshalb oft zu Festen und Umzügen eingeladen. Wir waren zum Beispiel schon oft in Ettlingen bei Karlsruhe und sind sogar schon zwei Mal in München beim Oktoberfestumzug mitgelaufen. Das waren schon Highlights, denn so einfach durfte man da nicht mitlaufen, man musste sich bewerben.

Viele Vereine plagen Zukunftssorgen, wie sieht es bei der Heimattracht aus?
Hubert Baumgartner: Wir sind rund acht Erwachsenen-Tanzpaare und haben seit Kurzem wieder eine Kindertanzgruppe unter der Leitung von Sandra Wesner und Nicole Wassmer. Beim letzten Heimatabend sind die Kinder aufgetreten und haben es toll gemacht. Man hat gesehen, wie viel Spaß es ihnen und dem Publikum gemacht hat. Im Moment sieht es recht gut bei uns aus.