Für viele ist Radfahren ein Hobby, für Michelle Stark mittlerweile viel mehr als das. Seit 2020 nimmt die 24-jährige Sportlerin aus Hohentengen an Radrennen in der Schweiz teil. Und hat ein Ziel fest vor Augen: Teil des nationalen Frauenkaders der Schweiz zu werden.
Offen und immer mit einem Lachen im Gesicht erzählt die angehende Physiotherapeutin, wie sie zum Radrennsport kam. Eigentlich waren lange Zeit Pferde ihre Favoriten. Bis ihr Vater Marcel Hollenstein, der selber lange aktiver Radrennsportler in der Schweiz war, ihr ein Rennrad hingestellt hat. 2017 hat sie dann angefangen, längere Touren zu unternehmen und trainingsmäßig zu fahren.
„Das war eigentlich zu viel Aufwand, um es nur für mich zu machen. Daher habe ich mir 2019 überlegt, beim Schweizer Radsportverband die Lizenz zur Teilnahme an nationalen Radrennen zu beantragen“, erzählt sie. Denn nur mit einer Lizenz dürfen Sportler an offiziellen Rennen teilnehmen, vorausgesetzt sie sind Mitglied in einem Radsportverein. Michelle Stark entschied sich für den VCA Schneisingen.
Bald trainierte sie zehn bis zwölf Stunden in der Woche. „Allerdings noch nicht sehr systematisch“, erzählt sie lachend. Ende 2020 nahm sie an ihrer ersten Straßenmeisterschaft teil. „Da habe ich gemerkt, ich brauche einen Trainer, sonst komme ich nicht weiter“ – und mehr Zeit für ihr Hobby.
Derzeit macht sie nach erfolgreichem Studienabschluss in Winterthur ein praktisches Anerkennungsjahr für ihre Physiotherapieausbildung und kann ihr Arbeitspensum auf 60 Prozent reduzieren, um mehr Zeit für das aufwendige Training zu haben. Fünf Tage die Woche sitzt sie im Sattel, 15 bis 20 Stunden kommen da zusammen.
Grenzüberschreitendes Training
Von Oktober bis März baut sie mit längeren Einheiten die Basis für die Saison auf, im Sommer gibt es kürzere und intensivere Einheiten. Auf ihren Trainingstouren ist sie oft grenzüberschreitend unterwegs, Richtung Schwarzwald, Basel, Schaffhausen, im Sommer über die Alpenpässe.

Ihr Trainer Kurt Bürgi aus Aarwangen bei Olten stellt für sie die wöchentlichen Trainingspläne zusammen. Dafür werden die Daten ihrer Fahrten mit dem Radcomputer aufgezeichnet und analysiert. „Daraus sieht er was gut läuft und was noch verbessert werden muss. Mittlerweile hat sich meine Leistung um 100 Prozent gesteigert“, freut sie sich.
Diese Saison sollen nach Corona-Pause wieder alle nationalen Rennen stattfinden, 15 an der Zahl. Alle zwei bis drei Wochen geht es dann für Michelle Stark an den Start. Da heißt es früh aufstehen, um anzureisen und erst spät ist sie wieder zurück.
Um in den nationalen Kaderpool, deren Fahrerinnen auch internationale Rennen fahren, zu kommen, muss man durch gute Leistung auf sich aufmerksam machen, etwa bei den Schweizer Meisterschaften für Straßenrennen und Zeitfahren am 22. und 26. Juni. „Mein Ziel ist, dieses Jahr vorne mitzufahren und unter die ersten fünf zu kommen. Wenn ich einen guten Tag habe, wäre das möglich“, ist sie optimistisch. Und in die nationale Auswahl für das Frauenteam, das an der „Tour de Suisse Women“ starten darf, möchte sie es schaffen.
Im vergangenen Jahr war sie mir ihrem Züricher Velo67-Racing-Team dabei. „Das war ein internationales Rennen, hochklassig besetzt. Es war mega cool, eine tolle Stimmung“, schwärmt sie von ihrem bislang schönsten Rennen.
Persönliche Erfolge waren der dritte Platz im September 2021 bei der „Tour de Jura“, der Sieg bei der Aargauer Meisterschaft 2021, und beim Frauen-Cup mit sieben Wertungsrennen wurde sie 2021 Dritte.

Was fasziniert sie am Radrennsport? „Man kommt schnell weit, sieht viel. Und das Austesten der Leistungsgrenze. Was kann ich mit Training erreichen? Geht es noch besser? Ziele zu verfolgen ist wichtig“, beschreibt die ehrgeizige Sportlerin ihre Motivation. „Andererseits muss man viel zurückstecken, in der Beziehung zum Freund, zu Freunden, der Familie. Man gibt viel auf.“ Aber sie bekomme auch viel Unterstützung von ihnen.
Großes Ziel: Berufsrennfahrerin
Nächstes Jahr im Mai wird sie mit ihrer Ausbildung fertig. Mit guten Renn-Platzierungen möchte sie sich dann für ein Continental-Team oder Worldtour-Team bewerben. Einmal Berufsfahrerin zu werden, das wäre toll. „Aber das dauert noch, da braucht es noch viel Renn- und Trainingserfahrung“, ist Michelle Stark bewusst. Aber träumen, das darf man ja schon einmal Als nächstes freut sie sich auf das 41. GP Osterhas Rennen in Affoltern/CH am Ostersamstag.