Sandhya Hasswani
Herr Burger, wie sind Sie denn vor 20 Jahren als Ingenieur der Messtechnik auf so ein kreatives Handwerk wie auf das Schreiben gekommen?

Bei mir war es eine Phase im Leben, man könnte es midlife crisis nennen. Ich hatte damals schon viel erreicht; hatte drei wunderbare Töchter mit groß gezogen, war im Beruf aufgestiegen und hatte dann irgendwie das Bedürfnis mich neu zu ordnen. Das Schreiben habe ich dann erst als Hobby angefangen.
 

Seit einem Jahr widmen Sie sich voll der Schriftstellerei und sind quasi aus dem Ingenieursberuf ausgestiegen. Klappt das denn gut?

Ja. Ich habe noch etwa drei Jahre bis zur Rente und bin an einem Punkt, wo ich dem Schreiben meine ganze Aufmerksamkeit widmen möchte. Ich habe mich deshalb dazu entschlossen, den Beruf sein zu lassen und mir den Luxus zu gönnen, mich ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. Zwar lebe ich seither in bescheidenen Verhältnissen, aber das ist es mir wert.
 

Aller Anfang ist schwer. Traf das auch auf Ihr erstes Buch zu?

Ja. In der Regel ist es sehr schwer, das erste Buch irgendwo unterzubringen. Es fehlt am Anfang einfach die Ahnung von dem Geschäft und Verlage wollen schließlich auch Geld mit den Büchern machen. Man muss einfach dran bleiben, es gehört schon Übung dazu. Auch lernt man kreatives Schreiben nicht in der Schule.
 

Dort hatten Sie sicher gute Noten im Fach Deutsch gehabt, oder?

Bei Erlebnis-Aufsätzen schon. Aber meine Talente in der Schule lagen eindeutig in den Fächern Mathe und Physik. Später habe ich keine Sekunde bereut, den Ingenieurberuf ergriffen zu haben. Heute hilft mir das logische Denken sogar beim Schreiben meiner Krimis.
 

Inwiefern?

Die Denkprozesse sind die gleichen, denn ein Krimi lebt von einer gewissen Logik. Auch das strukturierte, terminorientierte Projekt-Arbeiten aus dem Ingenieurberuf kann ich beim Bücherschreiben anwenden. Hier muss man ebenfalls feste Abgabetermine einhalten und sollte möglichst nicht in den Tag hineinträumen.
 

Apropos Träumen: Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Ich finde Themen und Konstellationen spannend, wo Menschen in Nöte getrieben werden. Was geht da in den Menschen vor, frage ich mich. Auch bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es keine bösen Menschen gibt. Hinter jeder Tat steckt eine tief verstrickte Vergangenheit.
 

Ihr Kommissar Gerlach erlebt ja ständig Abenteuer. Wünschen Sie manchmal in seine Haut schlüpfen zu können?

Als kreativer Schöpfer lebt und leidet man beim Schreiben ja ständig mit der Figur mit. Ich mag den Gerlach sehr gerne und wir haben sicher viel gemeinsam; etwa dass wir beide berufliche Verantwortung für ein Team tragen und dass wir beide Töchter haben. Aber im realen Leben würde ich niemals alle seine Abenteuer durchstehen wollen. Da würde man ja gaga oder zumindest zynisch. Der Gerlach aber wird nie zynisch.
 

Was macht einen wirklich guten Krimi aus?

Dreierlei: Ein Krimi sollte handwerklich gut geschrieben sein, also mit einem gewissen Anspruch aber auch einer Direktheit. Dann die psychologischen Aspekte: dass die Figuren glaubhaft sind. Und das Wichtigste: Ein Krimi sollte logisch sein. Das hat mich früher bei manchen Fernsehkrimis gestört.
 

Schauen Sie denn Krimis im Fernsehen, und was halten Sie vom Tatort?

Früher war der Tatort bei uns Pflichtprogramm. Heute habe ich nur noch wenig Zeit zum Fernsehen, dafür aber andere Gewohnheiten.
 

Welche denn?

Ich lese wie ein Verrückter. Ich mag den amerikanischen Erzählstil, wie von Stephen King, lese aber auch Krimis von deutschen Kollegen, von denen ich manche sehr schätze. Dazwischen immer wieder Uwe Timm oder auch mal Kleist oder Goethe. Ich gehe auch gern spazieren, was beim Reflektieren hilft und koche unheimlich gern.
 

Gibt es neben dem Krimi ein Genre oder ein Thema, das Sie brennend interessiert?

Immer das, an dem ich grad arbeite. Bei mir lagert eigentlich kaum Stoff im Voraus. Ich finde auch, dass sich das Genre Krimi über die Jahre total gemacht hat. Der Krimi von heute spiegelt so richtig die vielschichtigen gesellschaftlichen und technischen Veränderungen wider. Das Genre Krimi ist heute eine durchaus ernst zu nehmende Literatur.
 

Was erwartet die Leser in Ihrem neuen Krimi?

Der neue Krimi befindet sich noch im Lektorat. Er heißt: Schlaf, Engelchen, schlaf. Kommissar Gerlach wird darin von einem Stalkingopfer in eine Geschichte verstrickt. Je mehr Gerlach die Verbindungen aus der Vergangenheit aufdeckt, desto mehr wird er selbst mit reingezogen.
 

Haben sie noch einen Bezug zum Hochrhein und schauen Sie mal wieder vorbei?

Aber natürlich. Meine ältere Schwester und mein Bruder leben in Bad Säckingen und ich bin immer wieder mal in der Region. Auch an meine Schule, das Scheffel-Gymnasium, habe ich noch gute Erinnerungen.
 

Fragen: Sandhya Hasswani

 

Zur Person

Wolfgang Burger, geboren 1952 in Oberwihl, lebt und schreibt abwechselnd in Karlsruhe und Regensburg. Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Maschinenkonstruktionslehre und KfZ-Bau, und dann Leiter der Gruppe Mess- und Versuchstechnik mit Promotion zum Dr. Ing. Bis Juni 2015 war er akademischer Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie KIT und Oberingenieur am IPEK. Wolfgang Burger ist Vater dreier Töchter und seit 1995 schriftstellerisch tätig. 1998 erschein sein erster Kriminalroman „Mordsverkehr“. Inzwischen sind 17 Romane erschienen, die Gesamtauflage beträgt über 500 000 Exemplare. Drei seiner Romane standen bisher auf der Spiegel-Bestsellerliste, zwei weitere wurden für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Er ist Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller VS und im Syndikat. (sha)