Keine zwei Wochen noch, dann wird sich Martin Vetter nach 40 Jahren, in denen er das unter dem Namen Tour – Räder im Zentrum firmierende Fachgeschäft in der Stadt etabliert und weiterentwickelt hatte, aus dem Geschäft mit Fahrrädern verabschieden.

Täglich zur Arbeit geradelt

Dass Martin Vetter es mit Fahrrädern hat, zeichnete sich schon früh ab. „Ich begann 1978 in meinem Keller an Rädern herumzuschrauben. Ein Jahr zuvor hatte ich mein Auto verkauft und bin aufs Fahrrad umgestiegen“, erzählt der heute 68-jährige.

Damals arbeitete er in der Sparte Maschinenbau bei IG Weisser in St. Georgen, fuhr täglich die Strecke von Villingen mit dem Fahrrad, was ungewöhnlich war. Zudem hatte er eine Halbtagsstelle inne, was ihm zusätzlich Spott einbrachte.

„Im Betrieb nannten mich die Kollegen Frau Vetter, denn halbtags haben damals tatsächlich nur Frauen gearbeitet“, berichtet Vetter über diese Zeit.

Der Zulauf an Kunden nahm stetig zu

1982 gründeten Rolf Ketterer und Peter Marull das Fahrradgeschäft Tour in der Josefsgasse in Villingen, mit Öffnungszeiten nur an zwei Tagen die Woche. Ketterer zog sich nach zwei Jahren aber zurück.

„Ich fand den Gedanken reizvoll, als Maschinenbauer mein Hobby zusätzlich zum Beruf zu machen“, so Vetter. Dass das Hobby später zu einer Vollzeitstelle würde, hatte er damals noch nicht absehen können.

Doch der Zulauf an Kunden nahm kontinuierlich zu, das Geschäft hatte dann auch jeden Nachmittag geöffnet.

Hier zeigt Martin Vetter ein E-Bike-Lastenfahrrad mit Neigungstechnik.
Hier zeigt Martin Vetter ein E-Bike-Lastenfahrrad mit Neigungstechnik. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Tour war fester Bestandteil in der Innenstadt

„Ich fuhr morgens um 6.45 Uhr mit dem Rad nach St. Georgen zur Arbeit, mittags um 13 Uhr zurück, um dann von 14 bis 18 Uhr im Geschäft Räder zu verkaufen, diese bis 23 Uhr zu reparieren und Bürokram zu erledigen“, erinnert sich Vetter.

Dies tat er bis 1989, dann kündigte er seine Stelle in St. Georgen und zog mit seinem Geschäft von der Josefsgasse ins Kanonengässle. Und zwar in die Räumlichkeiten des ehemaligen Lichthus, wo Tour bis 2005 zum festen Bestandteil des innerstädtischen Geschäftslebens gehörte.

Wenn Fahrräder die Autos verdrängen

Die Umsätze stagnierten jedoch. Vetter entschied sich 2005, hinaus zum Neuen Markt zu ziehen, wieder für 15 Jahre.

Dann im März 2022 ein weiterer Umzug, allerdings nur um wenige hundert Meter weiter in die Räumlichkeiten der ehemaligen Autogalerie.

„Ich sagte bei der Einweihung, dass Fahrräder die Autos hier verdrängt haben, und drückte meine Hoffnung aus, dass dies auch bald auf den Straßen geschehen möge“, schmunzelt Vetter.

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Viel erlebt im Radsattel

Nach 40 Jahren Leben für das Rad und die Kunden soll am 1. Februar 2024 beruflich Schluss sein. „Ich habe damals mein Hobby zum Beruf gemacht. Jetzt hat mein Hobby, das Fahrradfahren, wieder Vorrang“, bringt es Vetter im Gespräch mit dem SÜDKURIER auf den Punkt.

Denn mit dem Rad hat er insbesondere in den 80-er und frühen 90-er Jahren einiges erlebt.

Kouma Etsrou kam vor 20 Jahren nach Deutschland. Heute ist er Fahrradmechaniker bei Tour, er und auch Karoline Lazar bleiben bei dem ...
Kouma Etsrou kam vor 20 Jahren nach Deutschland. Heute ist er Fahrradmechaniker bei Tour, er und auch Karoline Lazar bleiben bei dem Fahrradladen, den Martin Vetter Anfang Februar abgibt. | Bild: Sprich, Roland

Mit dem Zirkus Randalini unterwegs am Bodensee

So war er über zehn Jahre hinweg immer zur Sommerzeit mit dem radelnden Zirkus Randalini am Bodensee unterwegs, um Menschen mit Aufführungen zu begeistern.

Eine 70-Stunden-Woche war normal

Danach allerdings war die Arbeit beherrschend, sechs Tage die Woche mit mindestens 70 Stunden im Betrieb, Jahr um Jahr.

Was ihn allerdings keine Überwindung kostete, ganz im Gegenteil. „Es ging ja nicht nur um Fahrräder, sondern vor allem um die Verbindung mit den Menschen, die sie benutzen“, so Vetter.

Und auch um seine treuen Mitarbeiter, die seine manchmal ungewöhnlichen Entscheidungen immer solidarisch mittrugen. So zum Beispiel seinen Umgang mit Migranten. „Mir war schon früh klar, dass man diesen Menschen Perspektiven geben muss, sie wichtig für den heimischen Arbeitsmarkt sein können“, erläutert er.

Die Familie musste zurückstecken

Allerdings hatte dies alles Auswirkung auf sein Privatleben. „Maximal eine Woche im Sommer konnte ich mit der Familie Urlaub machen, meist mit dem Fahrrad. Das war nicht immer einfach, gerade für die Kinder“.

Dabei ist seine Familie der Anker in seinem Leben. Vier Kinder hat Vetter, alle erwachsen. Sie bereichern sein Leben, mit seiner Frau führt der mittlerweile 68-jährige seit 27 Jahren eine glückliche Ehe.

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Er kann sein Lebenswerk gut loslassen

Überrascht ist Vetter darüber, dass er sein Lebenswerk, wie er es nennt, jetzt so gut loslassen kann. „Die Übergabe des Geschäfts hat sich im letzten halben Jahr zwar etwas zäh hingezogen, aber letztendlich hat es sich gut gelöst“, ist Vetter überzeugt.

Mit dem Unternehmen K & K Bike GmbH, das unter dem Dach der Firma Die Fahrradkette sechs Fachgeschäfte betreibt, wird Tour weiter am Neuen Markt für die Belange der Kunden da sein.

Alle Mitarbeiter bleiben an Bord

„Die bisherigen Mitarbeiter bleiben alle hier, da ändert sich nichts. Und für alle in den letzten Jahren bei Tour gekauften Fahrräder gibt es hier weiterhin den Service“, betont Vetter.

Und sein Wunsch für die letzten Tage vor Ort? „Dass vielleicht der eine oder andere diese Gelegenheit nutzt und sich, solange ich noch hier bin, ein neues Rad bei mir kauft. Ich gebe zum Schluss zwischen 30 und 70 Prozent Rabatt, und das ist wirklich eine Gelegenheit“, so Martin Vetter abschließend.

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