Wie geht es der Kultur? „Wir sehen uns einer multiplen Stresssituation ausgesetzt“, sagt Lutz Schwarz, der in diesem Jahr in VS die Nachfolge des langjährigen Kulturamtsleiters Andreas Dobmeier angetreten hat. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er sich in einem städtischen Krisenstab Gedanken über die Energieversorgung städtischer Kultureinrichtungen machen müsse.

Mögliche Einschränkungen in der Energieversorgung und Corona-Schutzmaßnahmen: Sie schweben wie ein Damoklesschwert über der neuen Spielsaison des städtischen Kulturbetriebs.

Lockdown-Maßnahmen nicht in Sicht

Was droht den Künstlern und dem Publikum von der Corona-Pandemie? Schwarz weist darauf hin, dass das Land seine Corona-Verordnung zum 1. Oktober 2022 aktualisieren werde. Nach bisherigen Informationen seien darin kein Lockdown-Maßnahmen vorgesehen.

Droht wieder die Maskenpflicht für Theaterbesucher? Für den Kulturbetrieb wäre dies noch das kleinste Übel.
Droht wieder die Maskenpflicht für Theaterbesucher? Für den Kulturbetrieb wäre dies noch das kleinste Übel. | Bild: Block, Andreas

Eine 50 prozentige Publikumsbegrenzung würde die Einnahmenseite empfindlich treffen. „Ich hoffe, dass bei einer Ausbreitung der Pandemie nur eine Maskenpflicht eingeführt wird. Aber nicht mehr.“ Schwarz rechnet in der neuen Saison dennoch mit einem Besucherrückgang von zehn bis 20 Prozent. Weil das ältere Publikum mit einem Aufleben der Pandemie zurückhaltend werde, Veranstaltungen zu besuchen.

Mit Mantel und Mütze ins Theater?

Das zweite Thema ist die aktuelle Energiekrise. Muss das Publikum mit Mantel und Mütze ins Theater oder ins Konzerthaus kommen? Warm anziehen ist auf jeden Fall kein Fehler. „Wir werden die Temperaturen auf 19 Grad Celsius absenken“, kündigt der Kulturamtsleiter an.

Weniger geht aber nicht: Zum einen wegen der Besucher, zum anderen wegen der Instrumente. Beispiel: Im Franziskaner Konzerthaus steht ein 160.000 Euro teurer Flügel. Bei Raumtemperaturen unter 16 Grad oder bei Temperaturschwankungen würde er Schaden nehmen. Das heißt: Die Veranstaltungsräume müssen kontinuierlich beheizt werden. Das gelte auch für das Franziskaner Museum. Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit seien Gift für die Ausstellungsstücke, verdeutlicht Schwarz.

Auch Abstandsregeln für das Publikum wie bei diesem Meisterkonzert vor zwei Jahren hätten wieder empfindliche Auswirkungen auf den ...
Auch Abstandsregeln für das Publikum wie bei diesem Meisterkonzert vor zwei Jahren hätten wieder empfindliche Auswirkungen auf den Kulturbetrieb. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Eine Verlegung großer sinfonischer Konzertveranstaltungen aus dem Franziskaner Konzerthaus, dem größten Energieverbraucher unter den städtischen Veranstaltungsräumen, ist nach Aussage des Kulturamtsleiters nicht möglich. Auch im Theater am Ring reiche die Podesterie nicht aus, um dort ein größeres Orchester unterzubringen.

Musiker des Sinfonieorchesters Villingen-Schwenningen bei einem Auftritt im Juli 2021 im  Franziskaner Konzertsaal. Eine Verlegung ...
Musiker des Sinfonieorchesters Villingen-Schwenningen bei einem Auftritt im Juli 2021 im Franziskaner Konzertsaal. Eine Verlegung großer Orchester ins Theater, um Energiekosten zu sparen, ist aus Platzgründen nicht möglich. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Stichwort Theater: „Bei Auftritten von Tanztheatern sind wir vertraglich gebunden, eine Raumtemperatur von mindestens 21 bis 22 Grad einzuhalten“, berichtet Lutz Schwarz. Ist es zu kühl, drohten den Akteuren gesundheitliche Risiken.

Der „Kleine Zyklus“ muss womöglich weichen

Einzig für die Konzertreihe des „Kleinen Zyklus“ mit seinen kleinen Kammerorchestern sieht der Kulturamtsleiter Spielräume. Bisher findet die Konzertreihe mit ihren acht Veranstaltungen ebenfalls im Franziskaner Konzerthaus mit seinen 900 Sitzplätzen statt. Allerdings zumeist mit kleinem Publikum unter hundert Besuchern. Hier scheint eine Verlagerung möglich und geboten.

„Wir prüfen die Möglichkeiten“, bestätigt Schwarz dem SÜDKURIER. Allerdings stehe schon jetzt fest, dass an drei Terminen des „Kleinen Zyklus“ alle anderen Veranstaltungshäuser bereits belegt seien. Bleiben also noch fünf Termine, die verlegt werden könnten.

An kurzfristigen Energiesparmaßnahmen in den Kulturstätten der Stadt sieht Schwarz aktuell vor allem die Möglichkeit, die Heizungen zu optimieren und die Beleuchtung sukzessive auf sparsame LED-Leuchten umzustellen. Ein entsprechendes Programm läuft bereits über das Hochbauamt der Stadt.

Sollte es im Winter tatsächlich zu einem gravierenden Energieengpass kommen, liegt das weitere Vorgehen ohnehin nicht in den Händen der Stadtverwaltung. Bei einer Gasmangellage wird die Bundesnetzagentur festlegen, wo und wie gespart wird, wer Gas bekommt und wer nicht mehr. Schwarz geht aber davon aus, dass solche drastischen Maßnahmen frühestens im Januar denkbar sind und bis dahin noch viel Kultur hoffentlich ganz normal stattfinden kann. „Warten wir mal ab.“

Wachsende Sehnsucht nach Kultur

Der Kulturamtsleiter will sich die Freude auf die bevorstehende neue Saison durch solche Szenarien nicht allzu sehr trüben lassen. Er freue sich auf das gute, sehr aufmerksame Publikum in Villingen-Schwenningen. „Mein Eindruck ist, dass die Lust auf Theater, Konzerte, Kleinkunst, auf ein kulturelles Miteinander derzeit sehr groß ist. Es gibt eine allgemeine Sehnsucht, wieder zusammenzukommen“, sagt er.

Ende September starten die Abo-Reihen und sonstigen Veranstaltungen des städtischen Kulturamtes. Gleichzeitig beginnen am 23. September die Literaturtage Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen mit 47 Veranstaltungen binnen fünf Wochen. „Das ist großartig“, sagt Lutz Schwarz. Und er hofft, dass das Publikum voll dabei ist.

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