Daniel Groß ist hin und hergerissen, wenn er an seinen Stadtteil denkt. „Vieles ist schon in den Brunnen gefallen“, sagt der CDU-Stadtrat, Historiker und Spezialist für Wollmatingen.

Der Ur-Wollmatinger sieht, wie der Verkehr in der Radolfzeller Straße den Ortskern durchschneidet, er sieht die Bausünden der vergangenen Jahre. Und dennoch hat er Hoffnung, dass der neue Bebauungsplan für die Ortsmitte ein bisschen was vom dörflichen Flair erhalten kann.

Der Historiker und Ur-Wollmatinger Daniel Groß begrüßt den Bebauungsplan, sieht aber auch, was im Stadtteil schon alles falsch gelaufen ist.
Der Historiker und Ur-Wollmatinger Daniel Groß begrüßt den Bebauungsplan, sieht aber auch, was im Stadtteil schon alles falsch gelaufen ist. | Bild: SK-Archiv

Er regt zudem weitere Verkehrsberuhigungen an, auch in der vom Bahnhof Reichenau kommenden Kindlebildstraße. Die Dorfmitte, so sagt der Experte, müsse nicht unbedingt an der Radolfzeller Straße liegen. Dies sei auch am Engelsteig, also eine kleine Querstraße weiter westlich, möglich.

Grundsätzlich sieht Groß nicht nur baulich dörfliche Strukturen in Wollmatingen: „Im Kernbereich gibt es noch eine Zugehörigkeit.“ Einrichtungen wie das Dorffest oder der von ihm mitinitiierte Wochenmarkt vor dem Restaurant Heuboden, der nun schon seit zwei Jahren donnerstags stattfindet, trügen dazu bei. „Wir haben für jedes Sortiment einen Stand.“ Es fehle im Augenblick noch einer für Blumen.

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Einwohner wie Gizem Yavuncu wünschen sich noch mehr Märkte – und mehr Spielflächen für Kinder. Andere denken schon an die großen planerischen Herausforderungen, wenn der Stadtteil um den Hafner erweitert wird, wo bis zu 3200 Wohnungen entstehen sollen. Doch jetzt geht es erst einmal um die Ortsmitte.

Der neue Bebauungsplan stellt Regeln für Neubauten und Sanierungen auf. Er will die Weiterentwicklung des Kerns von Wollmatingen so steuern, dass die dörflich geprägten Baustrukturen erhalten bleiben.

Um diesen Bereich geht es

Bild 2: Für Wollmatingen gilt: Der Gemeinderat will retten, was noch zu retten ist
Bild: Schönlein, Ute

Geregelt werden unter anderem die Höhen der Gebäude und deren Ausrichtung sowie die Sicherung und Gestaltung der bestehenden Freiräume. Der Bebauungsplan legt fest, welche Flächen überbaut werden können und wie viel versiegelt werden darf.

Für das Linde-Areal kommt der Plan zu spät. Die beiden ortsbildprägenden Gebäude im Ortszentrum – der Gasthof und das ehemalige Bauernhaus (heute Bäckerei Kopp) – sollen durch neue Geschäfts- und Wohnhäuser ersetzt werden. Dieser Fall und weitere Anfragen zu Modernisierung und Abbruch bestehender Gebäude waren Anlass für den Gemeinderat, einen Bebauungsplan für die Ortsmitte zu beschließen.

Der Gasthof Linde in Wollmatingen (rechts) sowie das Fachwerkhaus links daneben werden weichen. Links die auf die Radolfzeller Straße ...
Der Gasthof Linde in Wollmatingen (rechts) sowie das Fachwerkhaus links daneben werden weichen. Links die auf die Radolfzeller Straße einmündende Kindlebildstraße. | Bild: Scherrer, Aurelia

Dort sollen nun keine Gebäude mehr entstehen, die nicht ins Ortsbild passen und durch ihre Dachform und Gebäudehöhe aus dem städtebaulichen Gefüge hervorstechen. In der Radolfzeller Straße ist dies in der Vergangenheit schon an einigen Stellen geschehen. Vor allem im Umfeld des Rathauses gebe es „erhebliche Mängel“, heißt es in der Analyse für den Bebauungsplan.

Das bisschen Dorf, das Wollmatingen noch hat, soll erhalten bleiben. Auch wenn die Autos weiter stören.
Das bisschen Dorf, das Wollmatingen noch hat, soll erhalten bleiben. Auch wenn die Autos weiter stören. | Bild: Rindt Claudia

Die Experten fanden bei Begehungen aber auch erhaltenswerte Leuchttürme. Der Biergarten des Gasthauses Löwen gegenüber dem Linde-Areal sei ein gelungenes Beispiel für die dörflichen Freiräume, wird da gelobt. Der wertvolle Baumbestand lade zum Verweilen ein. Und: „An der Ecke Engelsteig/ Kindlebildstraße bietet ein kleiner Dorfplatz, auf dem das Dorffest stattfindet, einen Ort für Begegnung und Austausch.“ Der Platz könne aber noch aufgewertet werden.

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Auch die Kirche sei identitätsstiftend, ebenso die Hinterhöfe in der zweiten und dritten Reihe. „Diese Hofsituationen sind typisch für dörfliche und einst landwirtschaftlich geprägte Siedlungsbereiche.“

Das historische Fachwerkhaus Engelsteig 12/14 gehört zu den erhaltenswerten Kleinoden in Wollmatingen.
Das historische Fachwerkhaus Engelsteig 12/14 gehört zu den erhaltenswerten Kleinoden in Wollmatingen. | Bild: Michael Buchmüller

Grundsätzlich läuft der Denkmalschutz unabhängig vom Bebauungsplan, sagt Stadtsprecher Walter Rügert auf Nachfragen. Aber denkmalgeschützte Gebäude würden im Bebauungsplan dargestellt – und auch solche, die noch unter Denkmalschutz gestellt werden sollen. Zu den entsprechend ausgewiesenen Kleinoden gehören etwa das Rathaus und das alte Fachwerkhaus Engelsteig 12/14, oder auch das Hofgebäude in der Radolfzeller Straße 55.

Das große Problem: Der Verkehr hat Wollmatingen nach wie vor fest im Griff, in Stoßzeiten ist es oft kaum auszuhalten an der Radolfzeller Straße.

In der Strukturanalyse heißt es: „Trotz der Ortsumfahrung fließt ein großer Teil des Verkehrs durch das Ortszentrum von Wollmatingen. Dabei entsteht eine starke räumliche Trennung des südwestlichen Bereichs vom nordöstlichen Bereich. Diese Trennung kann auch durch die Geschwindigkeitsbegrenzung (Zone 30) kaum gemindert werden.“

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Die Stadt sieht keine Gefahr zusätzlichen Verkehrs, sondern Entlastungen, wenn im Zuge des Neubaus der B 33 wie geplant Mitte Juli die Landesstraße 220 zwischen Wollmatingen und B 33/Reichenau-Waldsiedlung gekappt wird. Stadtsprecher Walter Rügert schreibt auf Anfrage: Konstanz erwarte „eine erhebliche Verkehrsentlastung für Wollmatingen“.

Am Ende von Wollmatingen geht es bei der Kreuzung mit der Westtangente geradeaus Richtung Waldsiedlung. Doch diese Landesstraße wird im ...
Am Ende von Wollmatingen geht es bei der Kreuzung mit der Westtangente geradeaus Richtung Waldsiedlung. Doch diese Landesstraße wird im Juli 2022 mit der Eröffnung des B-33-Tunnels bei der Waldsiedlung gesperrt. | Bild: Zoch, Thomas

Daniel Groß allerdings sieht die Pläne zwiegespalten. „Was ist, wenn auf der B 33 was passiert?“ Es fehlt dann ein Bypass nach Konstanz.

Und noch weiß niemand, ob Autofahrer Richtung Konstanz künftig nicht schon an der Abfahrt Reichenau von der Bundesstraße abbiegen statt wie geplant an der Westtangente – dann landen sie über die Kindlebildstraße wieder mitten in Wollmatingen.