Die Abteilung Verpackung wird am Novartis-Standort Wehr bis 2022 geschlossen und an einen anderen Standort verlegt. Dadurch werden 160 der 520 Stellen abgebaut. Das teilt das Unternehmen jetzt mit. Standortleiter Martin Renner geht davon aus, dass die Verpackung ins "osteuropäische EU-Ausland" verlegt wird, wo die Produktion kostengünstiger möglich sei. Wehrs Bürgermeister Michael Thater spricht von einem "schweren Schlag ins Kontor der Stadt Wehr", zugleich sei er aber froh, dass Schlimmeres verhindert werden konnte.

"Der Novartis-Standort Wehr insgesamt ist nicht gefährdet", so bringt es Martin Renner im Gespräch mit unserer Zeitung auf den Punkt. Und damit verleiht er seiner Erleichterung ebenso Ausdruck wie den Gefühlen der Belegschaft, denn in den vergangenen Monaten hätten sich hartnäckig Schließungsgerüchte gehalten. Renner dazu: "Wehr wird weiterhin Marktneueinführungen und die Herstellung von Produkten mit hoher Wertschöpfung unterstützen und dabei auf das über viele Jahre aufgebaute Fachwissen bauen." Insbesondere gehe es dabei um das Diabetes-Medikament Eucreas, das allein die Hälfte des in Wehr produzierten Tablettenvolumens ausmache, sowie um das Medikament Myfortic, das gegen Abstoßungsreaktionen bei Transplantationen verabreicht werde. Der Patentschutz für beide Präparate laufe zwar 2022 ab, allerdings sei die Produktion derart komplex, dass diese Medikamente auch darüber hinaus in Wehr produziert werden sollen. Zudem sollen die kommenden Jahre genutzt werden, um neue Produkte zu entwickeln.

Der Abbau der 160 Stellen soll voraussichtlich im dritten Quartal 2019 beginnen und 2022 abgeschlossen sein, kündigt Martin Renner im Gespräch mit unserer Zeitung an. So lange laufe die Produktion weiter wie bisher. Wie genau dieser Stellenabbau vonstatten gehen soll, sei Gegenstand der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern, die wohl kommende Woche beginnen, so Renner: "Es geht um Interessenausgleich und einen Sozialplan." Derzeit sei noch nicht absehbar, wie viele Mitarbeiter letztlich gekündigt werden. Geprüft werde unter anderem auch, ob Versetzungen an andere Standorte möglich seien, inwiefern Frühpensionierungen denkbar sind oder altersbedingt frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden. Wichtig ist Renner, dass Mitarbeiter mit Zeitverträgen nach Möglichkeit nicht benachteiligt werden sollen: "Auch sie sind die nächsten 18 Monate sicher, denn vorerst brauchen wir die gleiche Anzahl an Mitarbeitern." Grundsätzlich gelte, dass Mitarbeiter unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen "fair und sozial verantwortlich" behandelt werden und während der Übergangsphase "angemessene Unterstützung" erhalten sollen.

Ausdrücklich sei der Abbau von 160 Stellen nicht auf schlechte Leistungen zurückzuführen, betont Martin Renner. Hintergrund des Aderlasses sei vielmehr "eine Überprüfung des Produktportfolios am Standort unter Berücksichtigung der Volumen und Kosten". Ziel sei es gewesen, "die Wettbewerbsfähigkeit von Wehr im Markt zu steigern." Diese Überprüfung habe ergeben, dass der Bereich Verpackung im Vergleich mit anderen Standorten im Netzwerk im Hinblick auf die Kosten nicht wettbewerbsfähig ist, heißt es von Unternehmensseite. Laut Martin Renner kämen drei bis fünf Standorte für eine Konzentration der Verpackungen infrage. Eine definitive Entscheidung, welcher davon zum Zuge kommt, sei seines Wissens aber noch nicht getroffen worden.

Der Abbau des Bereichs Verpackung hat für Wehr allerdings nicht nur eine personelle, sondern auch eine räumlich-organisatorische Dimension, wie Martin Renner einräumt. Schließlich sei geplant gewesen, dass dies zu einem Kernbereich am Standort Wehr ausgebaut werden sollte. Unter anderem sollte aus diesem Grund auch eine neue Lagerhalle auf dem frisch arrondierten Betriebsgelände errichtet werden. Ursprünglich waren gar Investitionen von 30 bis 60 Millionen Euro in Wehr anvisiert worden. Diese Planung sei hinfällig, so Renner:"Wir benötigen die Fläche aber voraussichtlich für die Weiterentwicklung des Standorts." Im Übrigen soll auch in dem nach 2019 frei werdenden 1. Stockwerk, in dem sich die Verpackungsproduktion momentan befindet, "etwas angezogen werden", kündigt Renner an. Über die Details sei noch zu sprechen.

Generell seien die Perspektiven Wehrs gut. Das hohe Maß an Spezialisierung und die immense fachliche Kompetenz wie auch der technischen Ausstattung böten hervorragende Voraussetzungen. "Wir produzieren hier keine Massenware, sondern Tabletten, für deren Herstellung man eben Spezialwissen und -technik benötigt." Es handle sich um Medikamente, die Patienten einen Mehrwert bieten, etwa innovative Epilepsie- und Krebsmedikamente. Um sein Vertrauen in die Zukunft des Standorts zu unterstreichen und in der Übergangszeit für Stabilität zu sorgen, habe er selbst seinen Vertrag als Standortleiter von Wehr vor wenigen Wochen verlängert, betont Renner.

Bürgermeister Michael Thater wertet die Entscheidung von Novartis zwar als schweren Schlag für den Wirtschaftsstandort Wehr. Zugleich sei er aber froh, dass der Standort erhalten bleibe, schließlich sei "Novartis der größte Arbeitgeber in der Stadt". Aufgabe der Stadt sei es, den Wegfall der 160 Arbeitsplätze so gut wie möglich abzufedern. Diesbezüglich geht Thater einigermaßen optimistisch ans Werk. Schließlich sei es vor wenigen Jahren schon einmal gelungen, etwa 300 weggefallene Arbeitsplätze bei der Firma Brennet zu kompensieren.