Röhrende Auspuffe, dröhnender Krach – das Problem von manipulierten Autos, die zu viel Lärm verursachen, scheint ein wachsendes Problem zu sein. In Mannheim und in Singen sind die frisierten Autos schon länger Teil der öffentlichen Diskussion, und erst vor kurzem beschwerte sich ein Friedrichshafener Familienvater in der Öffentlichkeit über manipulierte Fahrzeuge. Auch der Lärmpegel in der Waldshuter Innenstadt steigt nach Angaben von Anwohnern. Zwei Bürger beschwerten sich gegenüber dieser Zeitung über den von den Autos verursachten Krach und kritisieren mangelnde Initiative der Polizei.
Bereits 2016 beschwerten sich Anwohner per Unterschriftenliste
Bernd Kramer wohnt in der Löwengasse, hat zwei Fenster zur Rheinstraße. Schon 2016 beschwerte sich der 56-jährige Sozialpädagoge per Unterschriftenliste bei der Stadtverwaltung über den Autolärm. 27 Bewohner aus der Rheinstraße hatten damals unterschrieben. Wirklich gebessert habe sich seiner Meinung nach bis heute nichts. "Es ist mir noch immer unerklärlich, wie eine Minderheit von Egoisten mit ihrem Imponiergehabe die Mehrheit in einer solch rücksichtslosen Art und Weise beeinträchtigen kann, ohne von einer staatlichen Instanz daran gehindert zu werden", beschwert sich Kramer über die Krach verursachenden Autofahrer, die im Fachjargon auch "Poser" genannt werden. Die Polizei, so findet er, sei bezüglich ihres Vorgehens nicht transparent genug.
Anonymer Anwohner wirft Polizei mangelnde Handlung vor
Ähnlich sieht es ein Anwohner der Rheinstraße, der namentlich nicht genannt werden will. „Die Rheinstraße wird als Autobahn benutzt“, ärgert er sich über zu schnelle und zu laute Autos in der Parallelstraße der Kaiserstraße. Besonders jetzt, wenn die Temperaturen steigen, nimmt die Anzahl von lauten Fahrzeugen seiner Meinung nach zu. Er selbst sei genervt von Verantwortlichen wie der Polizei, die laut ihm nur Entschuldigungen vorbringen würden. Hinweise an die Polizei blieben laut seiner Aussage unbearbeitet.
Polizei gibt an, allen Hinweisen nachzugehen
Mathias Albicker, Polizeisprecher des Polizeipräsidiums Freiburg in Waldshut-Tiengen, hingegen versichert auf Nachfrage dieser Zeitung, dass die Polizei allen Beschwerden über lärmende Fahrzeuge nachgehe. Im letzten halben Jahr sei nur eine schriftliche Beschwerde beim Verkehrskommissariat eingegangen. Wie viele Anrufe es jedoch gab, sei EDV-bedingt nur schwer nachzuvollziehen, da diese nur handschriftlich im Wachbuch eingetragen werden, erklärt Albicker. Nach einem Anruf sei für die Streife vor Ort oft nichts mehr festzustellen, so der Polizeisprecher. Am besten sei es deshalb, sich die Kennzeichen der dröhnenden Autos zu notieren und diese dem Verkehrskommissariat durchzugeben, rät er.
Das Verkehrskommissariat in Waldshut ist zuständig
Dass andere Städte im ganzen Bundesgebiet erfolgreich gegen manipulierte Autos vorgehen, ist dem Polizeisprecher bekannt. So gibt es unter anderem in Mannheim eine Ermittlungsgruppe, die sich auf Poser spezialisiert hat. "Wir haben keinen speziellen Trupp, das macht bei uns das Verkehrskommissariat", erklärt Albicker. Dabei verweist er auch auf die unterschiedliche Größe beider Städte. "Mannheim mit etwa 300 000 Einwohnern hat ganz andere Personalstärken", so der Polizeisprecher. Außerdem sei dort das Poser-Problem noch einmal extremer als in Waldshut. "Wir sind natürlich dran, dies hier zu überwachen", erklärt der Sprecher.
Innenstadt liegt laut Polizeisprecher im Fokus der Polizei
Da nicht alle Manipulationen an Autos auf den ersten Blick zu erkennen seien, brauche es Fachkenntnis, so Albicker. Nicht jede Streife könne also Kontrollen durchführen. Zwar verfüge das Verkehrskommissariat über die Expertise sowie die technischen Mittel, decke aber ein großes Gebiet ab, erklärt der Polizeisprecher. Albicker: „Wir sind nicht nur für Waldshut, sondern für den ganzen Landkreis zuständig.“ Dennoch betont er, dass auch die Innenstadt im Fokus der Polizei liege. Für die Zukunft habe man im Zuge der Weltmeisterschaft einen Schwerpunkt auf die Innenstadt gesetzt, gibt der Polizeisprecher Auskunft.
Ende 2018 wird ein Entwurf für die Sanierung der Rheinstraße vorgestellt
Auch bei der Stadtverwaltung ist die Unterschriftenliste aus der Rheinstraße bekannt. Auf Anfrage verwies das Rathaus lediglich darauf, dass Ende 2018 mit einem Entwurf für die im Zuge der Stadtsanierung "Waldshut Innenstadt" geplante Umgestaltung der Rheinstraße zu rechnen sei.
Manipulationen am Auto
Technische Manipulationen, um Autos lauter zu machen, gibt es viele. Häufig wird dafür die Auspuffanlage verändert, wie zum Beispiel das Entfernen der Mittelschalldämpfer. Wird dabei jedoch der zugelassene Dezibel-Grenzwert des Autos überschritten beziehungsweise sind die vorgenommenen Veränderungen nicht eingetragen und zugelassen, erlischt die Betriebserlaubnis – der Wagen darf dann nicht mehr im Straßenverkehr benutzt werden.
So laut ist es in unserem Alltag
Das Auto ist nur eine von vielen Lärmquellen, denen der Mensch im Alltag ausgesetzt ist. Doch wann wird der Lärm unangenehm, wann sogar schmerzhaft und schädlich? Udo Müller, Geschäftsführer eines Hörgeräte-Geschäfts, gibt Auskunft:
- Zehn Dezibel werden als sehr angenehm empfunden. Beispiele hierfür sind etwa das Rauschen von Blättern oder ruhiges Atmen.
- 20 bis 30 Dezibel laut sind ein tropfender Wasserhahn oder eine tickende Uhr.
- 60 bis 70 Dezibel werden bei einer normalen Unterhaltung gemessen. Außenstehende müssen dann in der Nähe schon die Stimme anheben, um sich ebenfalls unterhalten zu können. In Kantinen und Großraumbüros kann deshalb ein Lärmpegel von etwa 75 Dezibel erreicht werden.
- 70 bis 80 Dezibel laut ist ein durchschnittliches Auto. In diesen Bereich fallen auch Staubsauger und laute Streitgespräche. Menschen empfinden diese Lautstärke als störend und passen ihr Verhalten an, indem sie etwa Fenster geschlossen halten.
- 80 bis 90 Dezibel laut ist eine Hauptstraße. Auch Rasenmäher und Lastwagen in nächster Nähe oder etwa ein vorbeifahrender Zug fallen in diesen Bereich. Wer langfristig einer Lautstärke von 85 Dezibel ausgesetzt ist, kann dadurch Gehörschäden davontragen, die das Hörvermögen vermindern.
- 100 bis 120 Dezibel laut ist es in einer Diskothek oder auf einem Rockkonzert. Kettensäge und Presslufthammer liegen bei etwa 120 Dezibel. Die gleiche Lautstärke hat die Mannheimer Polizei während einer groß angelegten Kontrollaktion in der Innenstadt im September 2017 bei frisierten Autos festgestellt. Schon bei kurzfristiger Einwirkung können bei dieser Lautstärke Gehörschäden entstehen.
- 140 Dezibel laut können ein startendes Kampfflugzeug oder ein Gewehrschuss je nach Entfernung sein. Auch Feuerwerkskörper fallen in diese Kategorie. Die menschliche Schmerzschwelle liegt zwischen 100 und 120 Dezibel. Entscheidend für die genaue Schmerzgrenze ist die Frequenz des Geräusches.