Wutach „Gott sei Dank, wir haben es gerade noch geschafft!“ Mit einem Seufzer der Erleichterung blickt Stefan Kech, Vorsitzender des SV Ewattingen, auf die zurückliegenden Wochen zurück. Das letzte Foto ist platziert, die letzte Zeile geschrieben – die Chronik des SVE ist fertig. „Das Werk wurde üppiger als geplant“, erzählt Kech. „Es war eben richtig viel los in diesen 75 Jahren.“

Der Sportverein berichtet in einer Mitteilung über die Vorbereitungen zum 75. Jubiläum und speziell über die neue Chronik. Die hunderte Stunden Arbeit seien dadurch erleichtert worden, dass der Verein bereits in den Jahren 2000 und 2010 seine Geschichte präsentiert hatte. „Außerdem haben wir alles aktualisiert und komplett neu gestaltet“, sagt Kech. Auch ein üppiger Statistikteil, in dem unter anderem alle Aktivenspieler sowie die Platzierungen der Mannschaften aufgeführt sind, gehört dazu. Dieser Fleißaufgabe nahm sich Frank Grieshaber, der Schriftführer des SVE, an.

Als Glücksfall erwiesen sich auch Grieshabers Amtsvorgänger. Seit dem ersten Tag des Vereinsbestehens schrieben diese das Geschehen fein säuberlich in acht Kladden. „Das ist für einen Fußballverein eine sehr seltene Fügung“, weiß Kech.

„Das Leben ist ein Spiel“, so heißt der Titel des SVE-Rückblicks. Darin stecken manch eine Niederlage, eine Menge Erfolge und noch mehr Geschichten. Manche sind einfach nur komisch, andere aus heutiger Sicht fast schon skurril – und viele zeugen von einer großen Solidarität, ohne die ein Verein nicht funktionieren kann.

Wie in vielen anderen ländlichen Gemeinden suchten Flüchtlinge nach dem Kriegsende auch in Ewattingen eine neue Heimat. Manche temporär, andere blieben für immer. „Viele stammten aus dem seit jeher fußballverrückten Ruhrgebiet und erwiesen sich als Aktivposten in Sachen Fußball“, heißt es in der Chronik. Dabei gingen die jungen Balltreter auf Distanz zu bisherigen Gepflogenheiten. „Sport sollte in erster Linie Spaß machen und nicht mehr als Wehrertüchtigung missbraucht werden“, hieß es. Von Beginn an hatten die Kicker ihre Freude, auch wenn sie viele Widerstände überwinden mussten. Fußball wurde von etlichen Vertretern der älteren Generation als „Modekrankheit“ abgekanzelt, die hoffentlich schon bald wieder verschwunden sein werde. Ja mehr noch, das Spiel sei „eine der Hauptsünden, die ein Mensch überhaupt begehen kann“ und halte vom Gang in die Kirche ab.

Harter Tobak, doch davon ließen sich die 23 Gründungsmitglieder, die sich am 26. Februar 1950 zusammensetzten, nicht entmutigen. Ebenso wenig von den mühsamen Reisen zu den Auswärtsspielen. Manchmal mit dem Fahrrad, dann wieder mit Anhänger und einem derart PS-schwachen Traktor, für den bei Anstiegen die Schar der Fußballer zu schwer war und sie zum Absteigen zwang.

Die Sportler, damals war der SV Ewattingen reine Männersache, frönten aber auch laut der Chronik noch anderer Leibesertüchtigung. Schon zu Beginn der 50er-Jahre veranstaltete der Club erste Skitage mit Langlauf und Springen. Bis an die 20 Meter wurden auf der selbst gebastelten Schanze erreicht. Kickschuhe blieben zunächst ein Wunschtraum. „Wir spielten in normalen Halbschuhen. Später hat Ernst Rothmund, der Schuhmacher gelernt hatte, unsere Latschen aufgerüstet, damit sie fester werden und man besser schießen kann. Dafür hat er einen Streifen an die Innenseite genäht“, berichtet Ewald Hettich, der als einer der Zeitzeugen für die Chronik interviewt wurde. Apropos Ernst Rothmund: Er muss als Spieler die Fähigkeit der rustikalen Gangart beherrscht haben, denn wann immer ein gegnerischer Fußballer mit unlauteren Mitteln einen Ewattinger piesackte, nahm sich der Ernst dieses Bösewichts an und brachte diesen mit leichten Tritten gegen die Knöchel zu Räson.

Seither hat sich eine Menge verändert. Auch davon ist in den reich bebilderten Annalen zu lesen. Manch eine Verhaltensweise hielt sich allerdings hartnäckig. So hieß es nach einem enttäuschenden Abschneiden bei einem Pokalturnier im Juli 1955: „In den Spielen machte sich das Sommerfest in der Burgmühle bemerkbar. Etliche Spieler waren bis spät in den Morgen unterwegs und hatten den Rausch noch nicht ausgeschlafen.“ Vergleichbare Szenarien soll es bis in die Neuzeit gegeben haben. Doch: Die Blau-Weißen gingen auch sehr häufig mit dem gebotenen Ernst an die Sache, anders wären die vielen Erfolge nicht möglich gewesen. Jüngstes Beispiel dafür sei der so lang ersehnte Aufstieg in dieser Saison in die Kreisliga A.

Ein dreiviertel Jahrhundert Vergangenheit liegt nun hinter dem Sportverein, aus den 23 Gründern sind in dieser langen Zeit rund 380 Mitglieder geworden. Mit Clubhaus, zwei Rasenplätzen, verschiedenen Abteilungen, angefangen vom Mutter-Kind-Turnen über eine Tanzgruppe bis hin zu den Mannschaften aller Altersstufen. Und was kommt jetzt? Ist der Verein am Ziel? „Mitnichten“, stellt Stefan Kech klar. „Es hört sich vielleicht abgedroschen an, aber Stillstand ist Rückschritt. Der SVE muss sich ständig weiterentwickeln, um im Vergleich mit anderen Vereinen nicht zurückzufallen.“ (pm/sgn)

Der SV Ewattingen feiert sein Jubiläum von Samstag, 12. Juli, bis Montag, 14. Juli.