André Hönig

Trotz eines gestrichenen Flugs „in die Luft gehen“? Dass das möglich ist, beweist derzeit Easyjet. Die Billig-Fluggesellschaft verärgert massiv eine Schulklasse des Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG) und deren Eltern. Erst hatte der Billigflieger der Klasse den Flug gestrichen, nun verschleppt er die Rückerstattungen von Kosten, obwohl dies der Klasse rechtmäßig zusteht. Elternvertreter Björn Treptow vermutet hinter der Verzögerungstaktik System – durchaus zu Recht, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, dichtete einst der Liedermacher Reinhard Mey. Die Fluggesellschaft Easyjet nimmt diese Zeilen scheinbar wörtlich – jedenfalls scheint sie sich selbst grenzenlose Freiheiten im Umgang mit der längst überfällige Kostenerstattung für eine Schulklasse des Theodor-Heuss-Gymnasiums einzuräumen.

Die 23 Schüler und die beiden Lehrer der Klasse 10 e waren im Juli auf Klassenfahrt in Berlin. Der Rückflug nach Basel war für den 24. Juli abends 21.05 Uhr gebucht. Um 15.30 Uhr – also erst wenige Stunden vorher – erhielten sie eine SMS von Easyjet mit der Nachricht, dass der Flug ohne Angabe von Gründen ersatzlos gestrichen wurde. Daraufhin rief ein Elternvertreter – Björn Treptow, über dessen Easyjet-Konto der komplette Schulausflug gebucht worden war – bei Easyjet an und erfuhr, dass nicht nur der Flug ausfällt. Mehr noch: Die Fluglinie sah sich auch weder in der Lage, die Klasse innerhalb von 48 Stunden mit einem anderen Flugzeug zurückzubringen, noch den Schülern anderweitig behilflich zu sein.

Kurzerhand wurde umdisponiert und Plätze im Nachtzug Berlin-Basel gebucht. Wohlgemerkt: Im normalen Abteil – nicht etwa im Schlaf- oder Liegewagen. „Gebucht wurden nur die günstigsten Tickets“, betont Björn Treptow. In der Summe kostete die Zugfahrt für 25 Personen 1600 Euro. Zudem wurden noch 360 Euro für ein Abendessen ausgegeben, das wegen des über den Haufen geworfenen Zeitplans zusätzlich erforderlich wurde. „Das sind also gerade Mal pro Kopf 14 Euro. Nicht wirklich üppig.“ Björn Treptow legt ausdrücklich Wert darauf, dass sehr genau darauf geachtet wurde, die Kosten in Grenzen zu halten. Wollte man doch die Ansprüche auf Erstattung der Kosten nicht durch möglicherweise überhöhte Ausgaben gefährden.

Odyssee beginnt nach Rückkehr

Jedenfalls legte die Lehrerin das Geld aus und die Klasse kam – statt wie ursprünglich geplant mit dem Flugzeug abends um 23 Uhr – am nächsten Morgen mit dem Zug reichlich übernächtigt um 8.30 Uhr in Basel an.

Ein Happy End also? Nein. Das Ende der Reise war nur der Anfang einer eigentlichen Odyssee. Björn Treptow nahm gleich nach der Rückkehr der Klasse das Thema Kostenerstattung in die Hand und Kontakt mit der Airline auf. Zwar wussten die Eltern und Lehrer, dass ihnen vom Grundsatz her nicht nur das Geld für die Zugrückfahrt plus Abendessen zusteht, also 1960 Euro, sondern – da keine besonderen Umstände im Spiel waren – eigentlich auch die Rückzahlung der Kosten für den ausgefallenen Flug (1000 Euro) und obendrein eine Entschädigungszahlung.

Allerdings beließ man es erst einmal damit, das Geld für Zugfahrt und Abendessen zurückhaben zu wollen – auch ein wenig in der Hoffnung, die Sache würde sich dadurch beschleunigen. „Erst sah alles auch ganz gut aus“, erzählt Björn Treptow. Ein Kundendienstmitarbeiter überwies gleich innerhalb einer Woche einen Teilbetrag in Höhe rund 630 Franken. Zudem teilte er schriftlich mit, dass der Airline der Flugausfall Leid tue.

Weitere Zahlungen aber blieben seitdem aus – obwohl Björn Treptow nicht locker lässt. Er berichtet von „langen und frustrierenden Anrufen“ beim Easyjet-Kundendienst „Es wurde abgewiegelt, es hieß, man sei nicht mehr zuständig, der Vorgang sei jetzt bei der Finanzabteilung, man habe aber zu denen keinen Kontakt.

Normalerweise würden Erstattungen innerhalb von 20 bis 30 Tagen abgearbeitet, aber zurzeit habe man einen Rückstand und so weiter und so weiter.“ Mittlerweile sind fast zwei Monate rum und er hat den Verdacht, dass dieses Vorgehen Methode hat. Erlebe doch ein Bekannter von ihm derzeit Ähnliches. Dieser war demnach zusammen mit seinem Sohn von Easyjet in Nizza sitzengelassen worden.

Verbraucherzentrale gibt Tipps

Er musste sich ein Auto mieten, um rechtzeitig nach Hause zu kommen – und warte nun schon seit drei Monaten auf die Rückerstattung.Tatsächlich ist Björn Treptows Vermutung keineswegs abwegig, weiß Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (Abteilungsleiter Telekommunikation, Internet, Verbraucherrecht). Nicht nur Easyjet, generell fast alle Anbieter, insbesondere in der Billigflieger-Branche, würde in solchen Fällen gerne auf Zeit spielen. „Die wollen eigentlich nicht zahlen.“ Oft würde erst einmal nicht oder nur ein Teilbetrag gezahlt – in der Annahme, dass „die Betroffenen irgendwann aufgeben oder eine Teilzahlung akzeptieren nach dem Motto: Besser als nichts.“

Eine Rechnung, die nicht selten aufgehe. „Viele Menschen scheuen die Auseinandersetzung und bleiben auf ihrem Schaden sitzen.“ Dabei sei die Sache in der EU-Fluggastverordnung rechtlich eindeutig geregelt: Wird – wie in diesem Fall – ein Flug kurzfristig gestrichen und kann kein Ersatz angeboten werden, muss die Fluglinie das Flugticket zurückerstatten, sie muss Kosten für eine eventuell erforderlich werdende Unterkunft bezahlen sowie jene für den alternativen Rücktransport – und obendrein wird auch noch eine Entschädigungssumme fällig, die sich nach der Entfernung bemisst.

Bei einer Strecke bis 1500 Kilometer sind das 250 Euro pro Person. Voraussetzung sei, dass der Flug im EU-Gebiet stattgefunden hätte und er nicht wegen „äußerer Umstände“ beziehungsweise „höherer Gewalt“ gestrichen wurde – also etwa wegen eines schweren Sturms, eines Vogelschadens oder eines Streiks.

Tatsächlich aber seien die Gründe für viele Flugausfälle hausgemacht, sagt Buttler – etwa weil die Airlines zu wenig Personal bereitgestellt haben. Auch technische Probleme seien kein Fall von höherer Gewalt, sondern gelten als von den Fluglinien selbstverschuldet. Deren Aufgabe sei es, einen reibungslosen Flugbetrieb zu gewährleisten – dies setzte auch eine sorgfältige Wartung voraus. Gerade weil es oft mühsam sei, seine Ansprüche einzufordern, rät die Verbraucherzentrale Betroffenen, sich Unterstützung zu holen – Oliver Buttler empfiehlt die SÖP, die Schlichtungsstelle für den Öffentlichen Personennahverkehr (www.soep-online.de). Diese habe eigene Kontaktwege zu den Fluglinien. Außerdem ist ihr Service kostenfrei.

Ziemlich sicher werden nun auch die Eltern der Schulklasse Hilfe holen. „Ein Anwalt wurde bereits kontaktiert“, berichtet Björn Treptow, der mittlerweile „frustriert und verärgert“ ist. Dabei hatte er bis zu diesem Vorfall ein positives Bild der Airline und flog mit ihr mehrmals im Jahr. Stellt sich die Frage: Was sagt Easyjet zu all dem? Bislang nichts – jedenfalls ließ die für Deutschland zuständige Pressesprecherin die zweifach geäußerte Bitte, sich zu äußern, unbeantwortet.