Verena Pichler

Wie im Flug ist am Freitagabend die Premiere des Grenzacher Zunftabends über die Bühne des Hauses der Begegnung gegangen. Acht Nummern hat das Ensemble rund um Regisseur Peter Jehle vorbereitet, und jede für sich war treffend und lustig. Dennoch hat sich Redakteurin Verena Pichler an die fast unmögliche Aufgabe gemacht, eine persönliche Top Five zusammenzustellen – mal sehen, ob sie sich mit Ihrer deckt!

Müllmänner spüren auch geistigen Unrat auf

Auf dem fünften Platz landet die Nummer „Mir fahre orange“, die nach dem gewohnt spitzzüngig vorgetragenen Motto (Weniger g’schwätzt, isch meh g’sait mit Heinz Weiss, Hanspeter Baier, Oliver Becker und Manfred Wagner) den Abend einläutete. Als Müllmänner verkleidet, spielten Thomas Schwab, Patrick Dummann, Martin Reif und Stefan Möllerke mit allerlei Klischees und holten nicht nur echten Müll aus Tonnen – etwa den Benzschen Haushaltsplan mit Aufgaben für jeden Wochentag oder Merkels roten Blazer – sondern entlarvten auch geistigen: Dummann mimte den besorgten Bürger, der Angst hat, seinen vermeintlich neuen Kollegen Ibrahim zu treffen. Der kam dann auch und entpuppte sich als Chef des Ladens, der seit 30 Jahren in der Gemeinde lebt, und Dumman in Alemannisch den Laufpass gibt.

Er "schtriemt" die Gemeinderatssitzung auf die Leinwand

Bürgermeister Tobias Benz lieferte in der Nummer „D’Voyeurischte“ eine närrische Steilvorlage und bewies eine gute Portion Selbstironie. Im Zapfhahn hat sich eine Schar Bierseliger versammelt, um auf der neuen Leinwand Fußball zu schauen, als Taxi-Lilli (Matthias Fellmann) einen echten Promi ankündigt: Benz im lachsfarbenen Jackett (Oliver Becker). Der nutzt die Gunst der Stunde für ein Experiment und streamt – pardon schtriemt – die Gemeinderatssitzung live auf die Leinwand. So können die Kneipengäste Wetten auf Abstimmungsergebnisse abschließen und Benz seiner Stellvertreterin Ebi-Kuhn am Handy die Marschrichtung einflüstern. Der besondere Gag der Nummer sei an dieser Stelle noch nicht verraten – die technische Raffinesse und das übrigens wie bei jeder Nummer tolle Bühnenbild beamen diese Leistung auf den vierten Platz.

Wenn sie Burgi von Grenzach wären

Es ist Verschwendung pur, dass ein Männerchor der Qualität der Johannes Singers nicht häufiger die Bühnen der Gemeinde betritt. Stimmlich auf hohem Niveau (mit Christian Deinhard am Piano) unterhielten Peter Jehle, Thomas Schwab, Ernst Niepmann, Heinz Weiss, Bernd Wittek und Klaus Müller die Gäste aufs Beste. Zur Melodie von „Im Wagen vor mir“ texteten sie „Im Laden vor mir steht ein echter Schweizer“ (die Eidgenossen bekamen den Abend über natürlich ebenso ihr Fett weg, wie die lieben Nachbarn aus Wyhlen) oder phantasierten zu „König von Deutschland“ was sie nicht alles machen würden, wenn sie Burgi von Grenzach wären: „Die Umgehungsstraße, das hätte seinen Reiz, führte ab Hörnle durch die ganze Schweiz“ war nur eine von vielen Perlen.

Alter Kartoffelbrei, Frikadelle und Krautsalat

Waren es im vergangenen Jahr eben diese Johannes Singers, die dem „Eckert“ einen Ständchen brachten, bekam das Team rund um Küchenchef Wiedmer heuer eine ganz Nummer gewidmet (Manfred Wagner, Heinz Weiss, Bernd Wittek, Martin Reif, Mathias Fellmann, Thomas Schwab, Klaus Müller, Hanspeter Baier). Serviert wurde den Gästen unter anderem Suure Leberle vom asiatischen Buchsbaumzünsler und Maikäfer, „zwei uffem Rucke und einer uffem Buuch“. Mit der Pinzette wurden die Delikatessen auf die Teller platziert und mit einer Lupe kontrollierte Kellnerin Chantal, ob denn auch alles da ist. Den Stern bekam das Team übrigens vom Restaurantkritiker, aber nicht für die „verspielte Wintervariation des eingelegten Heugumbers“ sondern für alten Kartoffelbrei, Frikadelle und Krautsalat.

Gekonnter Auftritt: Die Zunftspieler nahmen das Dorfgeschehen ebenfalls genau unter die Lupe, wie das Sternerestaurant Eckert.
Gekonnter Auftritt: Die Zunftspieler nahmen das Dorfgeschehen ebenfalls genau unter die Lupe, wie das Sternerestaurant Eckert. | Bild: Verena Pichler

"Voll und Gans" im schönsten "Badi" Basels

Die Nummer eins hätte ohne weiteres die krönende Abschlussnummer „Voll und Gans“ verdient, die in „Basels schönstem Badi“ spielt, wo Schweizer Gäste die Nilgans-Köttel wegfuttern wie Trüffel. Während Heinz Weiß als Restaurantpächter mit Jagdschein versucht, ein paar der Gänse vor die Flinte zu bekommen, treibt die Gänseschar Schabernack und tanzt zu Schwanensee.

Alexa: Warum sollte man nach Wyhlen?

Aber es gab noch etwas, dass wirklich auf den ersten Platz gehört: Das Engagement all’ derer, die den 292. Zunftabend gestaltet haben – vor, auf und hinter der Bühne. Seien es die Sumpfgumber, die den Abend eröffneten, die Cliquen mit ihrem fröhlichen Einmarsch – die Hirschböög steuerten sogar noch einen Tanz bei – , die Bedienungen, die Kulissenschieber, Maskenbildner und Souffleusen und natürlich das gesamte Ensemble. Das nahm nicht nur die lokalen Ereignisse aufs Korn, sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen. Zum Beispiel in der Nummer „S’Gschenk“, wo’s für Opa eine Alexa zum Geburtstag gibt, die auf die Frage „was ist der kürzeste Weg nach Wyhlen?“, prompt antwortet, sie habe keinen vernünftigen Grund gefunden, warum man da überhaupt hinsollte.

Ein megamäßiges Premierenpublikum

„Euer Ehrenamt ist wirklich toll“, sagte Zunftmeister Stefan Koppetsch zu Beginn, und am Ende gab Regisseur Peter Jehle das Kompliment an die Gäste zurück, darunter viele Gemeinderäte und Abordnungen befreundeter Cliquen und Zünfte. „Ihr wart ein megamäßiges Premierenpublikum.“

  • Ehrungen: Für verdiente Mitglieder der Narrenzunft gab’s Orden des Verbands der oberrheinischen Narrenzünfte, die Marcus Schär überreichte: Jasmin Stoll (Bronze), Marion Janasik (Silber), Sabine Stöckle (Silber), Nadine Westphal (Silber). Für alle kam die Auszeichnung überraschend, aber einer hatte wohl nicht damit gerechnet, dass man ihm die bevorstehende Ehrung verheimlichen könnte: Stefan Koppetsch bekam ebenfalls den Orden in Silber.