Marion Rank

Eine kleine Sensation ereignete sich am Mittwochnachmittag in einem Wallbacher Gartengrundstück in der Widhagstrasse. Eine rund 26 Zentimeter lange, gepanzerte Dame, eine, wie sich später herausstellte, Cumberland-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta troostii), eine amerikanische Wasserschildkröte, tauchte plötzlich auf dem Grundstück von Dagmar und Harald Kühn auf und buddelte große Löcher in den gepflegten Rasen.

Eines davon schien ihr als Behausung für ihren Nachwuchs das Geeignete zu sein, schwuppdiwupp legte sie dort sieben Eier hinein und schaufelte das Loch wieder zu. Die Eigentümer des Grundstückes staunten nicht schlecht, ebenso die hinzugekommenen Nachbarn, schließlich bekommt man nicht alle Tage eine Brut von gepanzertem Nachwuchs in den Garten gelegt. Natürlich wurde alles fotografisch festgehalten, außer das Bild von den sieben Eiern, "es ging einfach zu schnell", so Harald Kühn. Doch so klammheimlich, wie die gepanzerte Dame sich angeschlichen hatte, pardon, angekrochen kam, wollte sie sich auch wieder aus dem Staub machen. Damit waren die Besitzer des Gartens nicht so ganz einverstanden, erst die Kinder abzugeben und sich dann vor der Verantwortung zu drücken.

Was sollte man mit dem Nachwuchs anfangen, wenn er erst einmal geschlüpft sein würde. Wirklich begeistert von der Idee, kleine Schildkröten aufzuziehen, war niemand, auch keiner der Nachbarn. Hoffnung keimte auf, dass das Reptil seinen Besitzern entwischt wäre. Doch das Tier schien niemandem zu gehören. Die Vermutung lag also nahe, die Schildkröte könne aus dem nahegelegenen Biotop des Rheines gekommen sein.

Dagmar Kühn wälzte Fachbücher, ihr Mann Harald bat den Tierschutzverein in Rheinfelden um Rat. Um wenigstens zu wissen, was sich einmal aus den Eierschalen befreien würde, wurde die Schildkröte mit Hilfe von Nachbar Martin Bäumle gemessen und der Bauch besehen. Die spröde Dame zeigte sich jedoch eigensinnig, wollte sich endlich vom Acker machen und fauchte. So befragte man Tierärzte, darunter auch Miklos Ruffy von der gleichnamigen Tierarztpraxis aus Bad Säckingen, was nun mit der Mutter und vor allem mit den Eiern geschehen solle. Bis zur Klärung dieser wichtigen Frage wurde der Schildkröte mittels eines Drahtkäfiggeheges erst einmal das Ausbüchsen vermasselt. Schildkröten scheinen sich aber laut Aussage der Fachleute nicht wirklich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Man solle die Mutter "laufen lassen", so die allgemeine Auskunft, was dann auch geschah. Die Schildkrötendame wurde zum Rhein getragen. "Die war wohl glücklich, wieder im Wasser zu sein", vermutet Martin Bäumle, "die tauchte erst nach 20 Metern wieder auf." Und die Schildkrötenkinder, sprich Eier? Die blieben in ihrem Versteck. Ob Dagmar und Harald Kühn irgendwann keinen Vertikulierer mehr für ihren Rasen benötigen, weil sieben kleine Schildkröten den Garten umpflügen, wird von den Witterungsverhältnissen abhängen. Man darf gespannt sein.

Die Schildkröte

Die Cumberland-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta troostii) eine amerikanische Wasserschildkröte, kommt in Deutschland nur ausgesetzt vor. Laut Bundesamt für Naturschutz wurde die Cumberland-Schmuckschildkröte am 14. Juli auf den Index gesetzt (Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung-Unionsliste), gehört zu den 37 Tier- und Pflanzenarten, mit der die EU-Kommission für alle Mitgliedsstaaten eine rechtsverbindliche Handlungsgrundlage zum Schutz der biologischen Vielfalt vor invasiven Arten geschaffen hat, die durch Konkurrenz, Hybridisierung, Krankheits- und Organismenübertragung oder negative ökosystemare Auswirkungen heimische Arten in ihrem Bestand gefährden. Es bestehe unter anderem die Gefahr der Nahrungs- und Raumkonkurrenz mit der europäischischen Sumpfschildkröte.

Stimmen von Tierärzten

  • Sebastian Schulze, von der gleichnamigen Kleintierpraxis in Bad Säckingen zeigte sich überrascht von der Aktion der Schildkrötendame: "Das ist etwas Besonderes. Das habe ich so noch nie mitbekommen, in Aquarien schon mal." Die Bedingungen müssten stimmen, die Schildkröten körperlich gesund sein, um dazu in der Lage zu sein, erklärt Schulze. Wasserschildkröten würden gelegentlich frei vorkommen und durch die hiesigen Witterungsbedingungen könnten sie es aushalten, zu überwintern. Er vermutet, dass die Schildkröte "eventuell schon länger in dieser Gegend lebt und sich hier wohl auskennt." Ob aus den Eiern kleine Schildkröten schlüpfen werden, kann er nicht beantworten, das hinge davon ab, ob sie befruchtet worden seien und von der Umgebungstemperatur, durch die sie ausgebrütet werden würden.
  • Peter Weber, von der Zoohandlung Zoo Weber in Bad Säckingen, hält es für "weniger wahrscheinlich", dass junge Schildkröten schlüpfen könnten, ohne "lang anhaltende, warme Inkubationszeit und einen Brutapparat", die Jungen hätten nur eine geringe Überlebenschance." Die Nachtemperaturen seien bereits teilweise zu kalt gewesen. Die Cumberlandschildkröte sei keine heimische Tierart, aber bei einem milden Winter durchaus überlebensfähig. Als Allesfresser stehen auf ihrem Speiseplan neben Salamandern und Fröschen alle kleineren Spezies, daher können sie echten Schaden an der heimischen Fauna anrichten. Wenn jemand eine "freigesetzte" Schildkröte findet, sollte diese nicht einfach wieder in die Natur entlassen werden, sondern beispielsweise der Tierschutz kontaktiert und dort Hilfe holen geholt werden, möglicherweise das Tier dort deponiert. Beim Erwerb sollte auf Freilandhaltung in Teichen bei entsprechender Sicherung geachtet werden, Schildkröten sind perfekte Ausbrecher, übersteigen mühelos kleinere Zäune.