Stadtführungen gibt es in vielen Städten, aber so etwas wie Wächters Runde gibt es nur in Villingen und das schon seit über 19 Jahren, am Donnerstag, 12. Oktober, drehte der Wächter bereits das 150. Mal seine Runde in der Zähringerstadt.

Angefangen hat alles mit der ersten Runde am 21. Oktober 2004. Das Ganze basiert auf einer Idee und Konzept von Gunther Schwarz. Damals wie heute war er unter anderem auch als offizieller Stadtführer in Villingen aktiv.
Schwarz liebt die Musik, Gesang, das Theater und das Spiel mit Worten und Sprache. Sein Talent der sprachlichen Verknappung und der komischen Assoziationen begeistert die Menschen. Sich selbst beschreibt der 72-Jährige als „kosmopolitischen Süddeutschen“.

Erst waren es fünf Stunden Spieldauer
Alle Szenen-Ideen, Lieder und Texte stammen aus seiner Feder. Zusammen mit Lambert Hermle hat er das Konzept entworfen und sich überlegt, wer aus seinem großen Bekanntenkreis dabei welche Rolle spielen und vortragen könnte.
Herausgekommen ist eine theatralischen Stadtführung mit fünf Stunden Spieldauer. Das war aber selbst für hart gesottene Historien-Fans dann doch etwas zu lang und Schwarz schaffte es dann, das ganze Programm auf nur drei Stunden zu straffen.
Eine Herausforderung war es auch, das Timing so hinzubekommen. Damit immer alle Schauspieler und vor allem die Technik-Teams im stetigen Wechsel rechtzeitig an einem der acht verschiedenen Spielorte einsatzbereit sind.
Wenn die Technik der Historie in die Quere kommt
Dabei wäre das Projekt fast gescheitert, denn als Gunther Schwarz fast alle Texte fertig geschrieben hatte, gab sein Computer unerwartet den Geist auf und alle Texte waren erst einmal unwiederbringlich verloren. „Ein Backup gab es im Mittelalter noch nicht“, scherzt Schwarz heute über das damalige Dilemma.
So erfand Schwarz kurzerhand eben alles nochmals neu. Ein ganz schöner Aufwand für die maximal fünf Aufführungen, die er geplant hatte. „Das das so ein Dauerläufer werden würde, konnte ich mir damals gar nicht vorstellen“, erinnert er sich.
Die Zuschauer sind von Anfang an begeistert
Auch nicht, dass alle Texte und Szenen bis heute fast unverändert gespielt werden und immer wieder aufs neue die Zuschauer begeistern und in ihren Bann ziehen. Anekdoten aus dem aktuellen Stadtgeschehen werden immer mal wieder situations- und themenbedingt eingebaut.
Schwarz selbst hat immer noch so viel Spaß wie bei der ersten Aufführung, sagt er. Die Leitung hat er mit der 100. Aufführung zwar an jüngere abgegeben, im Chor ist er aber immer noch dabei.
Versprecher werden mit Humor gemeistert
Und selbst nach 150 Aufführungen gibt es immer noch Versprecher im Text, die die Schauspieler allesamt mit viel Humor fast ganz unauffällig meistern. Irgendetwas geht halt immer schief.
Beispielsweise bei der 150. Aufführung: Wie immer war der Schlüssel zum Rathaus besorgt worden, um bei der Hexenverbrennung eine Stromversorgung für die Scheinwerfer zu haben. Dass eben in dieser Woche dort die Schlösser ausgewechselt worden waren, kam überraschend. So musste eine Straßenlaterne als Lichtspender herhalten.

Es gibt nur acht Termine im Jahr
Wer das Spektakel live erleben will, muss frühzeitig Karten buchen, denn es gibt nur vier Termine im März und nochmals vier im Oktober. Die Teilnehmerzahl ist dabei auf 80 Personen beschränkt. 12.000 Menschen sind seit 2004 damit zusammengekommen. Die Nachfrage sei weiterhin ungebrochen, heißt es.

Hinter der Aktion steht kein Verein
Und dabei steht hinter dem ganzen kein Verein oder sonstige Institution. Man kennt sich von vielen anderen gemeinsamen Aktivitäten und ist mehr oder weniger befreundet. „Wir sind eigentlich niemand“, beschreibt Schwarz die Gruppierung, die sich über die Jahre zusammengefunden hat. 30 Frauen und Männer sind bei jeder Runde im Einsatz.
Interessante Anekdoten
Die verschiedenen Szenen an acht Aufführungsorten und die aufwendigen Kostüme erfordern viele Darsteller, Helfer, Ton- und Lichttechnik. Dabei ist auch ein kompletter Chor und zwei Technik-Teams.
Einige sind immer noch seit der ersten Stunde mit dabei. Allerdings sind von der alten Besetzung heute nur noch sechs Teilnehmer aktiv. Inzwischen haben viele jüngere Nachfolger verschiedene Aufgaben übernommen.
Ordnungsamt, Feuerwehr und Polizei ziehen auch mit
Auch Ordnungsamt, Polizei und Feuerwehr unterstützen die Aufführungen. Für kurze Zeit sperren sie das Riettor und andere Stellen ab und laufen als dunkle Gestalten mit Fackeln und offenem Feuer durch die dunkle Innenstadt.

So gestaltet sich dann auch das Programm wandlungsfähig und kurzweilig. Von tiefgründigen und historisch belegten Themen, wie der Hexenverbrennung bis hin zu Klamauk wird alles geboten, was so im ersten Moment keiner erwartet oder kennt und so ganz nebenbei viel Wissenswertes über die Stadt vermittelt.

Angelegt sind die Geschichten in der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit, also um 1500. Die Namen der gespielten Charaktere hat Schwarz auch in original Dokumenten im Stadtarchiv recherchiert. Und wo gibt es bei einer Stadtführung schon mal einen echten Feuerschlucker, einen Kletterakrobaten oder einen Jongleur?