Früher war es der Reiseführer, heute geht im Urlaub nichts mehr ohne Smartphone. Das Stadtmarketing bietet Besuchern digitale Rundgänge durch Villingen und Schwenningen an. Das Handy weist den Weg und liefert Erläuterungen zu den Sehenswürdigkeiten.

Besonderer Clou des neuen Angebots: Die Stadtführung wird von einer App augmentiert, also mit Informationen virtuell angereichert. Klingt spannend, mal sehen, wie das funktioniert.

Wo ist der erste Code?

Da ist er, der Startpunkt. Eine blaue Tafel im Eingangsbereich des Franziskaner Kulturzentrums ziert links unten der QR-Code, der die Webseite startet. Die funktioniert wie eine App.

Bild 1: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

QR-Code? Erklärung für die ältere Leserschaft: Das was ein bisschen wie der Sendeschluss im Fernsehen aussieht. Erklärung für die jüngere Leserschaft: Sendeschluss ist quasi, wenn von 2 bis 5.45 Uhr der Twitch-Server ausfällt.

Was ist eigentlich ...

Erst mal gibt es viel zu lesen.

Bild 2: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Für einen augmentierte Rundgang wird reichlich Text geboten. Mehr als 1400 Wörter kommen im Laufe der Tour zusammen, wer zügig liest, braucht allein dafür fast acht Minuten.

Hinzu kommen die Berichte von Remigius Mans, auch als Romäus bekannt. Der historische Villinger Held erzählt von der Stadtgeschichte aus seiner Sicht.

Bild 3: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Wie es weitergeht, muss ich selbst auf einer Karte ablesen. Da hilft das Geographie-Studium. Nächste Station ist das Riettor.

Die Smartphone-Kamera hat den QR-Code erfasst und bietet den Link auf den Stadtrundgang an.
Die Smartphone-Kamera hat den QR-Code erfasst und bietet den Link auf den Stadtrundgang an. | Bild: Block, Andreas

Zeit, die virtuellen Spielereien zu testen. Wenn ich das Smartphone geschickt ausrichte, bekomme ich den Romäus als Stadtwächter angezeigt.

Bild 5: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Die nächste Sehenswürdigkeit ist für Remigius Mans ein Heimspiel.

Bild 6: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Der Romäusturm ist nach ihm benannt.

Bild 7: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

Der Zugang zum mächtigen Wehrturm ist wegen Sanierungsarbeiten gesperrt. Die blaue Hinweistafel mit dem QR-Code ist für mich unerreichbar.

Alternative Ansichten

Immerhin bietet die App ein paar historische Ansichten wie von dieser Ansichtskarte.

Bild 8: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Der nächste Halt ist an einer sehr speziellen Villinger Sehenswürdigkeit: Wo einst das Niedere Tor stand, gibt es nichts zu sehen.

Bild 9: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

Aber das kann die Augmentierung ja zum Glück ändern.

Bild 10: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Da kann die Technologie ihre Stärke endlich ausspielen.

Bild 11: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

Das Pulvertürmle verwehrt sich neugierigen Blicken. Als ich mit dem Smartphone wedele, um die Augmentierung zu starten, ziehe ich dafür die neugierigen Blicke zweier Jungs auf der Parkbank auf mich. Das Gefuchtel amüsiert die beiden sichtlich.

Bild 12: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Für die etwas peinliche Situation werde ich dann aber mit dem Blick ins innere des einstigen Pulverlagers belohnt.

Grußkarte als Mitmachangebot

Die nächste Station ist eine Steilvorlage für Instagram: Urlauber mit Hellebarde vor Kaiserturm.

Bild 13: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Die mittelalterliche Waffe passend auszurichten, ist etwas fummelig. Aber wenn die Perspektive passt, gibt es ein lustiges Urlaubsfoto.

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Wie mir erst jetzt auffällt, bin ich die Strecker falsch herum angegangen. Gedankenverloren laufe ich dann auch gleich noch an der Johanneskirche vorbei. Assistenz bei der Navigation bietet mir die App leider nicht. Es bleibt bei einer herkömmliche Karte.

Bild 14: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Beim Bickentor positioniere ich den Romäus zwischen Litfaßsäule und einem geparkten Motorroller. Trotz Stadttor im Hintergrund wirkt er dort etwas aus der Zeit gefallen.

Unfreiwillig komisch

Die Augmentierung fügt nicht nur das Gebäude der abgerissenen „Blume Post“ wieder ins Stadtbild ein (sehr beeindruckend). Sie säbelt Passanten auch die Köpfe ab.

Bild 15: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot)

Beim Oberen Tor zeigt die Technik dann eine weitere Tücke. Das mobile Internet lahmt und die Inhalte laden nicht. Immerhin lässt sich Romäus‘ Audiokommentar abspielen:

Romäus erzählt vom Oberen Tor Video: Stadt Villingen-Schwenningen

Weiter zum Münster Unserer Lieben Frau.

Bild 16: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

Remigius Mans hat wieder einiges zu erzählen. Virtuelle Spielereien braucht die stattliche Kirche aber eigentlich keine, finde ich.

Bild 17: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Block, Andreas

Am alten Rathaus kommt die Augmentierung dann aber gelegen. Sie verdeckt einen Mülleimer und ein Dachlawinenschild.

Bild 18: Stadtführung mit QR-Code: So funktioniert es
Bild: Andreas Block (Screenshot/Collage)

Und hat es sich jetzt gelohnt? Ein Spaziergang durch Villingen lohnt sich natürlich immer. Ob es sinnvoll ist, dabei aufs Smartphone zu starren, ist sicherlich Geschmacksache.

Da geht noch mehr

Ein bisschen bleibt das Angebot hinter den Möglichkeiten zurück. So hätte es sich bei der Benediktinerkirche ein Klangbeispiel der Silbermann-Orgel angeboten. Dass sich die Nutzer ihren Weg auf einer klassischen Karte selbst suchen müssen, wirkt in Zeiten von GPS eher überholt. Und die Anwendung ist ein Energiefresser. Die anderthalbstündige Tour hat 60 Prozent des Akkus verbraten.

Der Ansatz, den mobilen digitalen Lebensstil zu adressieren ist natürlich richtig. Auch andere Städte machen sich Instagram-tauglich. Das Ganze ist aber etwas textlastig und die Augmentierung selbst kommt zu kurz.

Die Audio-Beiträge aus der Perspektive des Romäus bringen die Informationen hingegen mit dem passenden Lokalkolorit rüber. Gewürzt mit einem Hauch Hörspiel wäre das womöglich der geschmeidigere Ansatz. Und die Augen bleiben frei, um unterwegs noch mehr Villingen zu genießen.

Hier geht es zu den augmentierten Rundgängen durch Villingen und Schwenningen.