Villingen-Schwenningen – Am vergangenen Montag, Punkt 19.49 Uhr, benachrichtigt das soziale Netzwerk Facebook viele Nutzer, dass Cem Yazici, besser bekannt als der singende Wirt Jam von der Linde, gerade ein Livevideo überträgt. Schnell wächst die Zuschauerzahl an. Was die Menschen zu sehen bekommen, ist ein verärgerter Auftritt des 47-Jährigen. Er befindet sich an der Schwenninger Neckarstraße vor seinem Porsche, der im Parkverbot steht, hält einen Strafzettel in der Hand. Er wettert gegen die Parkplatznot im Wohnviertel sowie gegen die intolerante Behandlung durch einen Mitarbeiter des Ordnungsdienstes. Rund fünf Minuten spricht er live bei Facebook und fordert auch direkt OB Rupert Kubon zum Handeln auf. 30 Minuten später geht er erneut auf Sendung. Bis zu diesem Zeitpunkt haben bereits hunderte Menschen sein erstes Video gesehen. Viele bekunden ihre Zustimmung in den Kommentaren und verbreiten den Beitrag weiter. Aber auch Unterstützer des Ordnungsdienstes melden sich zu Wort. Bis Donnerstag kletterte die Zuschauerzahl rasant auf 60.000 an. „Damit habe ich nicht gerechnet“, gibt der 47-Jährige zu, nachdem sich sein erster Ärger gelegt hat. Es zeige aber auch, dass es hier ein echtes Problem gibt.
Kurz vor dem Video habe er seinen Wagen am Rande der Baustellenzufahrt zur Neckarhalle abgestellt, um Einkäufe auszuladen, schildert er den Vorgang. Bei seiner Rückkehr nach weniger als einer Minute habe auf der Gegenfahrbahn der Ordnungsdienst angehalten und fix ein Knöllchen verteilt. Es sei zu einem Wortwechsel gekommen. Die Aussage „dann zieh doch weg“ oder „wander doch aus“ soll gefallen sein. Ganz sicher ist sich der Linden-Wirt nicht mehr. „Da bin ich explodiert.“ Nicht zuletzt deshalb, weil es bereits am Tag zuvor zu einer ähnlichen Situation gekommen sei. Jam von der Linde vermutet eine persönliche Abneigung gegenüber seiner Person. „Es geht mir nicht um das Knöllchen, das zahle ich gerne. Ich respektiere die Arbeit der Ordnungsdienst-Mitarbeiter.“ Vielmehr störe ihn die Aussage, die Intoleranz angesichts der herrschenden Parkplatznot sowie die Tatenlosigkeit der Stadt. „Wo sollen die vielen Studenten, Anwohner und Kunden denn parken?“
Videointerview mit Jam von der Linde
Nur deshalb komme es zu solchen Vorfällen. „Immer mehr Parkplätze entlang der Neckarstraße sind weggefallen“, blickt der 47-Jährige zurück, der seit 40 Jahren in Schwenningen lebt und seit 30 Jahren erfolgreich die Linde betreibt, die heute eine beliebte Anlaufstelle für Studenten ist. Das Jäckle-Areal und die Güterstraße nennt er. „Durch die Landesgartenschau ist hier ein Paradies entstanden. Das ist toll“, schwärmt er. “Ich liebe meine Heimat VS.“ Nur müsse die Stadt endlich ausreichend Parkersatz schaffen, um Anwohner zu entlasten, Studenten nicht zu vergraulen. „Was wäre Schwenningen ohne Studenten?“, fragt er. Als schnelle Hilfe schlägt er vor, Flächen kurzfristig und unbürokratisch für Autos freizugeben, so zum Beispiel das Jäckle-Areal, wenn dort, wie am Montagabend, keinerlei Baufahrzeuge zu sehen sind.
Auf einer kleinen Fläche gegenüber halten schwere Steine parkende Autofahrer fern. „Warum? Jeder einzelne weitere Parkplatz würde helfen“, so der Geschäftsmann. Längerfristig seien Parkhäuser und mehr kostenlose Parkplätze nötig. Als Beispiel nennt er das Stegmaier-Areal, wo mit mehreren Parkebenen Entlastung geschaffen werden könnte. Die vor Kurzem beschlossene Bewohnerparkzone würden das Problem nicht lösen. Da ist sich der Gastronom sicher, der selbst Anwohner ist. Um das Thema voranzutreiben kann sich Cem Yazici daher vorstellen, bei der nächsten Gemeinderatswahl zu kandidieren. Die große Resonanz auf sein Facebook-Video macht klar, dass dieses Vorhaben sogar Erfolg haben könnte.
Zur Person
Cem Yazici (47) kam vor über 45 Jahren als Sohn von Gastarbeitern nach Deutschland und lebt seither in VS-Schwenningen. Seit 30 Jahren betreibt er die Gaststätte Linde und formte diese vor zehn Jahren von einer Vereins- und Stammtischwirtschaft zu einer gut laufenden Studentenkneipe. Ein stattliches Vermögen hat der Geschäftsmann auch mit Immobilien und einem Jetski-Verleih verdient. Vor einigen Jahren war Yazici in der Türkei Teilnehmer der Castingshow „Voice of Turkey“ und steht bis heute immer wieder vor Fernsehkameras und als Comedian auf der Bühne.