Plopp, plopp, plopp, fallen die kleinen grünen Kugeln in den Eimer. „Der hier ist zum Beispiel nichts“, sagt Elisabeth Glatz, als sie von einem Rosenkohl-Röschen die äußeren Blätter abzieht: Im Inneren ist das Gemüse braun. Ein solches Röschen kommt erst gar nicht mit auf den Hof in Rietheim. Was in den Verkauf geht, muss perfekt sein, knackig und schön grün.
Seit rund zehn Jahren setzt die Landwirtsfamilie Glatz auf den Ackerbau. Milchvieh gibt es auf dem Hof nicht mehr. Auf teils eigenen, teils gepachteten Flächen bauen sie Zwiebeln, Tomaten, Paprika, Getreide, Kartoffeln, Brokkoli, Zucchini, Knoblauch, Zuckermais und Rettich an. Und Rosenkohl.

Genau jenes Wintergemüse war es, das den Ortschaftsrat vor Kurzem „Nein“ sagen ließ: Nein dazu, dass das von der Stadt VS gepachtete Feld der Familie als Ausgleichsfläche für den geplanten Solarpark „Obere Wiesen“ genutzt wird.
Mit dem Rosenkohlanbau schließt die Familie offenbar eine Angebotslücke bei den regionalen Lebensmitteln. „Ich wüsste in der Gegend aktuell niemanden außer uns, der Rosenkohl anbaut“, sagt Senior-Chef Karl Glatz.
Seit 100 Jahren im Familienbesitz
Der Hof ist seit rund 100 Jahren im Familienbesitz. Karl Glatz hat ihn mit 22 Jahren von seinem Vater übernommen. Heute betreibt er den Hof zusammen mit seiner Frau Elisabeth und Sohn Markus. Auch zwei der fünf Töchter helfen regelmäßig mit.

Die Rosenkohl-Käufer kommen aus der ganzen Region an den Hofladen am Rietheimer Ortseingang. „Oft staune ich schon: Manche fahren deshalb sogar aus Tuttlingen zu uns“, sagt Elisabeth Glatz.

Was macht ihren Rosenkohl so besonders? „Unsere Kunden sagen immer, er sei milder als der aus dem Supermarkt“, sagt die Landwirtin. Rund 1000 Setzlinge zieht sie Jahr für Jahr in Gewächshäusern selbst heran. Sobald die Witterung passt, kommen sie ins Freiland. In diesem Jahr war das am 28. April. Mal ist es früher, mal später.
Elisabeth Glatz könnte auch fertige Setzlinge kaufen. „Aber mit den selbst gezogenen bin ich flexibler“, sagt sie. Ist es draußen noch zu kalt, können die Pflänzchen im Gewächshaus noch ein bisschen gedeihen, bevor es raus aufs Feld geht. Eine Arbeit für drei Personen: Zwei setzen von Hand die Pflänzchen, eine fährt den Traktor, der die Furchen zieht.
Maschinen sind ein teurer Helfer
Das Setzen ginge theoretisch auch komplett maschinell. Nicht aber in einem kleinen Familienbetrieb. „Wir können gar nicht für jede Kultur eine passende landwirtschaftliche Maschine vorhalten. Wir sprechen da immerhin von 50.000 bis 100.000 Euro“, sagt Aurelia Glatz.
Sie ist mit 23 Jahren das jüngste der sechs Kinder und macht derzeit an der Hochschule Weihenstephan-Triersdorf ihren Master in Agrarwissenschaften. Nebenbei arbeitet sie in einer landwirtschaftlichen Steuerkanzlei und hilft auf dem Hof mit, so weit es ihre Zeit erlaubt.
Supermarktpreise sind nicht zu machen
Der sparsame maschinelle Einsatz ist auch der Grund, warum der Rietheimer Rosenkohl nicht zum Preis von eingelagerter Supermarktware angeboten werden kann. Ein Kilo kostet 5,20 Euro.
Dafür kommen die Röschen frisch vom Feld und sind topffertig geputzt, wenn sie in Tüten verpackt in dem kleinen Verkaufshäuschen am Ortseingang landen. Etwa alle zwei Tage holt Elisabeth Glatz auf dem Feld Nachschub.
Dort stehen die Stauden gut einen Meter hoch. Wie sorgsam aufgefädelte Perlen wachsen die Röschen an den Stämmen. Mit einer geschickten Drehung pflückt Elisabeth Glatz sie ab. Ist der Rosenkohl erst einmal gewachsen, ist er relativ anspruchslos und verträgt vor allem Kälte gut.
Ein Gemüse mit viel Platzbedarf
Je nach Sorte sogar bis zu minus 20 Grad. Eines ist bei allen Sorten gleich: Sie brauchen viel Platz. Während Weißkohl sich mit etwa 40 Zentimetern zufrieden gibt, braucht eine Rosenkohlstaude gut einen Meter Platz.

Elisabeth Glatz ist froh, dass ihr Rosenkohlfeld nun nicht als Ausgleichsfläche für den Solarpark herhalten muss. Dennoch wird die Familie durch das Projekt etwa 1,5 Hektar Anbaufläche verlieren. Bei gepachteten Flächen ein normaler Vorgang, der einen als jederzeit treffen könne, sagt Karl Glatz.
Nicht alles gedeiht auf jedem Boden
„Wenn die Stadt Flächen selbst braucht, muss man sie hergeben.“ Oft sei dann die Suche nach Ersatzflächen schwierig, weil nicht auf jedem Untergrund alles gleich gut gedeiht. Das Feld in Rietheim jedenfalls scheint für den Rosenkohl optimal zu sein – sonst wäre das Gemüse wohl kaum der heimliche Star des Hofladens.