Versuchter Mord, Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung: Das sind die Anklagepunkte beim Prozess gegen einen 23-Jährigen aus dem Kreis Tuttlingen, der am 28. Juli 2022 in Tuttlingen in einem Wohnhaus Benzin ausgeleert und es angezündet haben soll.
Die drei Menschen, die sich damals im Haus befanden, konnten sich unverletzt retten. Allerdings entstand ein Schaden von 150.000 Euro.
Auch den Wagen einer Bekannten, die im Gebäude wohnte, soll der Angeklagte laut Staatsanwältin mit Benzin übergossen, allerdings nicht angezündet haben.
Warum er all diese Dinge getan haben soll, daran erinnert sich der Mann nach eigenen Angaben nicht.
Über sein früh von Drogen und Alkohol geprägte Lebensgeschichte erzählte der 23-Jährige hingegen ausführlich. Die Eltern hätten sich getrennt, als er noch ein Kleinkind war. Er sei dann mit dem älteren Stiefbruder bei der offenbar sehr strengen Mutter aufgewachsen.
Sehr strenge Mutter
Für Zuspätkommen oder schmutzige Kleidung habe es Schläge, Zimmerarrest oder kein Abendessen gegeben. In den Sommerferien hätten er und sein Bruder ganze Schulbücher wörtlich abschreiben müssen. Einmal sei er aus dem verschlossenen Kinderzimmer über den Balkon und die Dachrinne aus dem dritten Stock hinuntergeklettert, um zum Vater zu flüchten.
Zudem stritten sich die Eltern um das Sorgerecht, irgendwann siegte hier der Vater. Der sei wesentlich weniger streng gewesen, erzählte der Angeklagte, zunächst gut verdienend, dann selbstständig mit einer Kraftfahrzeug-Werkstatt im Kreis Rottweil.
Vater mit Burn-Out in Klinik
Das sei jedoch nicht lange gut gegangen, dann sei der Vater mit Burn-Out in eine Klinik gekommen. Die Stiefmutter sei auch psychisch krank gewesen, Dauerstreit somit vorprogrammiert.
Als Kind habe er seine emotionalen Defizite mit Essen kompensiert, sei stark übergewichtig gewesen, ab 14 dann mit Drogen und Alkohol. Es folgten dauerndes Schulschwänzen, zwei abgebrochene Lehren, Obdachlosigkeit.
Immer wieder Chancen vertan
Er habe immer wieder Chancen bekommen, gab er zu. Der Vater half, auch ein Schlossermeister im Kreis Rottweil, der ihm ein WG-Zimmer besorgte. Ein Gartenbaubetrieb im Kreis Tuttlingen, der für ihn wie eine große Familie gewesen sei. Die Freundin, die heute seine Verlobte ist, die ihm Obdach bot, aus der Patsche half.
Die Sucht jedoch war stärker, bis er im Sommer 2022 verhaftet wurde. Im Knast hat er den Entzug geschafft, auch davon berichtete er. Dass er psychologische Hilfe in Anspruch nehme, bei der Suchtberatung sei. Im Raum steht daher laut Staatsanwältin auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
Dass er sich an die Tat selbst überhaupt nicht erinnern kann, das nahm ihm der vorsitzende Richter Karlheinz Münzer nicht so recht ab. Man habe hier schon viel erlebt, so Münzer, aber einen Blackout diesen Ausmaßes nicht.
Mögliches Tatmotiv unklar
Gäbe es denn ein Motiv für eine derartige Brandstiftung? Ein Bekannter des Angeklagten, dessen Freundin in dem Haus wohnte, hatte zwar etwa 100 Euro Drogenschulden beim Angeklagten. Aber solche Dinge habe man friedlich geregelt, betonte dieser. Auch hier hatte der Richter angesichts seiner langjährigen Erfahrung so seine Zweifel.
Für den Prozess sind insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt, 26 Zeugen werden gehört sowie ein psychiatrischer und ein Brandsachverständiger. Fortgesetzt wird er am Dienstag, 21. März, um 9 Uhr, das Urteil wird am Dienstag, 4. April, erwartet