Gerd Jerger

Auch an Niedereschach ist die vielzitierte Zeitenwende nicht spurlos vorübergegangen. Das ist dem Jahresgespräch der Redaktion mit Bürgermeister Martin Ragg zu entnehmen.

Die Ereignisse haben sich regelrecht überschlagen, die Corona-Krise wurde vom Ukraine-Krieg überholt, die wiederum eine Energiekrise entfachte. Dank einer vorausschauenden Energiepolitik wirkt sich das laut Ragg aber nicht so gravierend aus wie in vielen anderen Kommunen.

Entspannung beim Baugebiet Badäcker

Eine Auswirkung hat aber auf jeden Fall die Verunsicherung der Menschen, die durch die ganzen Krisen ausgelöst wurde – vor allem im finanziellen Bereich. Dies zeigt sich laut Bürgermeister Ragg beim Neubaugebiet Badäcker in Schabenhausen.

Vor drei Jahren hätten sich die Mitarbeiter im Rathaus noch bei der Frage die Haare gerauft, wie die vorhandenen 15 Baugrundstücke an die über 80 Interessenten zu vermitteln seien.

Inzwischen habe sich die Lage derart entspannt, dass von den erschlossenen Grundstücken bislang erst neun vergeben werden konnten.

111 Menschen aus der Ukraine aufgenommen

Was wiederum nicht bedeute, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt habe, wie Ragg betont. Vor allem durch den vom Ukrainekrieg ausgelösten Zustrom an Flüchtlingen habe sich dieses Problem extrem verschärft.

Im vergangenen Jahr hätten 111 Menschen aus der Ukraine, vorwiegend Mütter mit Kindern, Zuflucht in Niedereschach gefunden. Eine beispiellose Welle der Solidarität habe die Gemeinde erfasst.

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„Wir haben Spenden erhalten, unsere Gemeinschaftsschule Eschach-Neckar mit ihrem Lehrer und Betreuungsteam hat sich der Kinder angenommen und vor allem viele Bürgerinnen und Bürger haben Wohnraum für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt“, sagt Martin Ragg.

Dadurch sei es bislang gelungen, alle Flüchtlinge aufzunehmen, ohne dass hierfür Hallen oder sonstige anderweitig genutzte Gebäude zur Verfügung gestellt werden mussten.

Kurzfristig noch neue Wohnbauflächen gesichert

Und auch wenn in Schabenhausen noch nicht alle Baugrundstücke an den Mann gebracht seien, herrsche weiterhin eine enorme Nachfrage nach Wohnraum. Deshalb habe es ihn besonders gefreut, dass noch vor Jahresende in Niedereschach, Fischbach und Kappel weitere Wohnbauflächen gesichert werden konnten.

Und das, obwohl das Baulandmobilisierungsgesetz von der neuen Bunderegierung nicht verlängert wurde. Damit hatten neue Wohnbaugebiete mit verhältnismäßig einfachen Mitteln geplant werden können. Zudem habe das Gesetz verhindert, dass das Land die Gemeinden bei der Ausweisung neuer Wohnbaugebiete ausbremst.

Bürgermeister Ragg (Mitte) zusammen mit seinen Amtskollegen Ralf Ulbrich, Deißlingen (links) und Torben Dorn (Dauchingen) bei der ...
Bürgermeister Ragg (Mitte) zusammen mit seinen Amtskollegen Ralf Ulbrich, Deißlingen (links) und Torben Dorn (Dauchingen) bei der Auszeichnung mit der Urkunde „Gründungsfreundliche Kommune“ | Bild: Gerd Jerger

Neue Gewerbegebiete in Planung

Gefreut habe ihn, dass der Aufstellungsbeschluss zum neuen Gewerbegebiet – es heißt: Zwischen den Wegen II – noch im alten Jahr gefasst werden konnte. Damit soll in erster Linie den Bedarf der einheimischen Betriebe abgedeckt werden.

In einem Bereich werden deshalb Grundstücke für kleinere Unternehmen und Handwerksbetriebe vorgehalten. Denn ganz wichtig sei ihm, das Handwerk im Ort zu halten, sagt Ragg.

Trinkwasser wird abgesichert

Die Krisen hätten aber auch etliches für die Zukunftsplanung bewirkt, so Ragg, so auch bei den Notfallplanungen wie etwa der Wasserversorgung. Nachdem nach Aussage des Amtes für Wasser und Bodenschutz beim Landratsamt nahezu sämtliche Quellen im Schwarzwald-Baar-Kreis schwächer werden, habe man sich konkret mit der Frage beschäftigt, was wäre, wenn Quellen versiegen oder durch einen Ölunfall auf einer Kreisstraße verseucht werden.

Somit habe die Verwaltung sich auch auf Empfehlung eines Ingenieurbüros sowie der Experten vom Amt für Wasser und Bodenschutz für den Notfall für eine völlig andere Wasserbezugsquelle stark gemacht.

Angedacht sei ein interkommunales Zukunftsprojekt mit der Nachbargemeinde Dauchingen: „Wir wollen auf dem Kappler Berg einen neuen Wasserhochbehälter errichten und im Längental unsere Wasserversorgungsleitungen zusammenführen. Sollte der Wasser-Notfall sodann in einer der beiden Gemeinden eintreten, kann, über einen ansonsten geschlossenen Schieber, Niedereschach zügig über Dauchingen Trinkwasser beziehen und umgekehrt“, erklärt der Bürgermeister.

Wird das Nahwärmenetz ausgebaut?

Vor zehn Jahren sei mit der Bürgerenergie (BEN) eine zukunftsweisende und unabhängige Wärmeversorgung für den Ort eingerichtet worden. Darauf wolle sich Niedereschach jedoch nicht ausruhen. Momentan werde überlegt, welche weiteren Schritte in Sachen Klimaschutz unternommen werden können. Dazu werde bereits in der Sitzung im Februar mit Experten der Klimaagentur erläutert, was sinnvoll wäre und „zu uns passt“.

Gute Nachricht für all diejenigen, die sich noch an das BEN-Nahwärmenetz anschließen wollten, jedoch infolge der inzwischen kompletten Auslastung nicht mehr zum Zuge kamen: Die Antwort auf diese Frage könnte eine zweite Heizzentrale zur Erweiterung der Nahwärmeversorgung im Ort sein. Bis zum Frühjahr soll dazu eine Entscheidung fallen.

Nicht nur im Rathaus steht Bürgermeister Ragg seinen Mann, bei vielen Veranstaltungen und Festlichkeiten zückt er auch mit Vorliebe ...
Nicht nur im Rathaus steht Bürgermeister Ragg seinen Mann, bei vielen Veranstaltungen und Festlichkeiten zückt er auch mit Vorliebe seine Trompete und spielt zur Unterhaltung auf. | Bild: Gerd Jerger