Wenn Stockach für eine Sache bekannt ist, dann sind es die Verhandlungen des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts, das sich jedes Jahr einen bekannten Politiker vorknöpft. Deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen die Verhandlungen des Stockacher Amtsgerichts, auch wenn diese manchmal nicht weniger spannend sind.
Der SÜDKURIER ist regelmäßig mit dabei und berichtet aus den Sitzungen. Die kuriosesten Fälle aus dem vergangenen Jahr hat die Redaktion zusammengestellt:
Platz 5: Wenn der Lack ab ist
Ein junger Mann soll in einem Stockacher Ortsteil das Auto seiner Nachbarin mit einem Schlüssel zerkratzt haben. Angezeigt wurde er von einer Frau, mit der er zum damaligen Zeitpunkt noch eine Affäre unterhielt. Sie gab an, den Vorfall beobachtet zu haben.
In der Zwischenzeit war nämlich nicht nur der Lack am Auto der Nachbarin ab, sondern auch in der Beziehung zwischen den beiden. Am Ende stand aber lediglich Aussage gegen Aussage und obwohl die Richterin die Schilderung der jungen Frau für plausibel hielt, reichten die Indizien nicht aus, um den Beschuldigten zu verurteilen.
Genauso gut hätte es sein können, dass die Frau ihrem Exfreund die Tat nur anhängen will. Schließlich gilt vor Gericht der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Platz 4: Das klingt nach Hollywood
Alkohol am Steuer, eine Suizidandrohung mit Kettensäge, verletzte Polizisten und Erinnerungslücken: Diese Stichworte klingen nach den Zutaten für einen spannenden Krimi, wie er sonst nur auf der großen Leinwand flimmert. Aber tatsächlich gehören sie zu einem Fall, der 2022 vor dem Stockacher Amtsgericht verhandelt wurde.
Begonnen hatte alles an einem Sonntagmorgen mit der Trunkenheitsfahrt eines 39-Jährigen. Die Fahrt endete mit einem Aufprall auf ein Eigenwasseranlage-Häuschen. Der Mann ließ sein Auto dort zurück. Als er später zuhause von der Polizei angetroffen wurde, griff er die Beamten an, floh in den Keller und drohte, sich mit einer Kettensäge umzubringen.
Der Familienvater habe erst aufgegeben, als er auf dem Boden gelegen und Hand- und Fußfesseln getragen habe, war im Prozess zu erfahren. Vor Gericht konnte sich der Angeklagte an große Teile des Geschehens nicht mehr erinnern.
Die Richterin verurteilte den 39-Jährigen am Ende zu sieben Monaten Haft auf Bewährung. Außerdem musste er 600 Euro an die Käthe-Klemm-Stiftung bezahlen. Der Führerschein blieb für weitere drei Monate gesperrt.
Platz 3: Wenn die Autobahn zur Rennstrecke wird
Ein spontanes Autorennen auf der A 98 brachte einem Mann aus dem Bodenseekreis vor dem Stockacher Amtgericht einen Monat Fahrverbot ein. Laut der Anklageschrift war der Mann gemeinsam mit einem Bekannten bei einer Veranstaltung der Tuning- und Poser-Szene, an der auch ein Fernseh-Team teilnahm.
Zwei Autos, eines davon war das des Angeklagten, fuhren mehrere Minuten nebeneinander auf der Autobahn und dies wurde auf Video aufgenommen. Die Geschwindigkeit betrug lediglich 60 oder 70 Stundenkilometer. Daher wurden andere Verkehrsteilnehmer zum Abbremsen genötigt.
Ganz spontan entstand dann eine Eigendynamik und auf Höhe des Parkplatzes Nellenburg-Nord beschleunigten die Fahrer für etwa eine Minute, wie der Mann einräumte. Die Autos bremsten dann wieder ab und beschleunigten erneut, so die Anklage. Daher wurde ihm ein illegales Autorennen nach Paragraf 315d des Strafgesetzbuchs vorgeworfen, für das eine Haft- oder Geldstrafe droht. Der Mann wurde schließlich zu 6000 Euro Strafe und einem Monat Fahrverbot verurteilt.
Platz 2: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Ein 25-jähriger Angeklagter musste sich 2022 vor dem Stockacher Amtsgericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in der Eigeltinger Hauptstraße auf Höhe der Sparkasse einen Knochenstein gegen ein Auto geworfen zu haben, das auf der Hauptstraße gefahren sei.
Außerdem soll er an mehreren geparkten Fahrzeugen die Rücklichter eingeschlagen und Stoßstangen beschädigt haben, wodurch ein Schaden von über 3000 Euro entstanden sei.
Der junge Mann hörte den Ausführungen der Staatsanwältin, die ihm von einem Übersetzer erläutert wurden, augenscheinlich verunsichert zu. Als die Richterin beginnen wollte, ihn zur Sache zu befragen, saß er auf der Anklagebank, beide Hände in den Taschen, den Blick starr auf den Tisch vor sich gerichtet.

Weder die Richterin noch der Übersetzer vermochten es, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Auch sein Anwalt blieb bei dem Versuch erfolglos. Auch eine Verhandlungspause half nicht. Der hinzugezogene psychiatrische Gutachter erklärte, dass er davon ausgehe, dass beim Angeklagten eine schwere schizophrene Erkrankung vorliegt.
Die Hauptverhandlung wurde unterbrochen und den Angehörigen des Angeklagten wurde empfohlen, ihn zur Behandlung ins Zentrum für Psychiatrie Reichenau einzuliefern. Wann und ob die Hauptverhandlung fortgesetzt werden kann, ist noch nicht sicher.
Platz 1: Ein Fall aus der untersten Schublade
Das Verbreiten von pornografischen Inhalten wurde im vergangenen Jahr einem 44-Jährigen vor dem Stockacher Amtsgericht vorgeworfen. Rund eine Dreiviertelstunde dauerte die Verlesung der Anklageschrift. Von Sommer 2019 bis Anfang 2020 soll der Mann mit einer zunächst 14-Jährigen, die im Laufe der Unterhaltung 15 wurde, über einen Chat regelmäßig Kontakt gehabt haben. Dabei habe er ihr zahlreiche Fotos und Videos mit sexuellem Inhalt geschickt, zum Teil auch von sich selbst, so die Anklage. Er habe sie mehrfach dazu aufgefordert, ihm ebenfalls Nacktbilder zu schicken. Tatsächlich habe sie ihm irgendwann Bilder zugeschickt, in einem Fall mit jugendpornografischem Inhalt.
Zudem sei der Mann 2019 und 2020 zeitweise Mitglied in drei Chatgruppen gewesen, über die er pornografische Dateien heruntergeladen habe, die Kinder und Jugendliche zeigten. Die Polizei fand hunderte kinder- und jugendpornografische Inhalte auf Speichermedien in seinem Haus. Zum Zeitpunkt der Verhandlung befand sich der Mann bereits in Therapie. Die Polizisten schilderten ihn als äußerst kooperativ.
Der 44-Jährige gelobte in der Verhandlung vielfach Besserung. Er sei kein Mitglied solcher pornografischer Chatgruppen mehr und versuche, sich komplett davon fernzuhalten. Auch suche er keinen Kontakt mehr zu Jugendlichen. Am Ende wurde er zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Zudem musste er 4500 Euro an den Deutschen Kinderschutzbund zahlen und sich weiter therapieren lassen.