Für Hubl Greiner war es eine Gratwanderung. Der 67-Jährige wollte die Geschichte des alternativen Wohn- und Arbeitsprojekts in der ehemaligen Kaserne Chérisy so erzählen, dass sie jeder versteht, die Probleme nicht ausblenden, aber auch nicht zu viele Wunden aufreißen. Das ist ihm offenbar gelungen.
Sein Film über das Chérisy-Projekt „Ein Viertel unserer Stadt“, hat schon mehrere ausverkaufte Vorstellungen hinter sich. Die Nachfrage nach weiteren Aufführungen ist groß, und es wird sie geben im Zebra-Kino in der Chérisy, aber auch in der Altstadt.
Für den Filmemacher Hubl Greiner war und ist die Chérisy eine „kreative Schmiede.“ Er kennt sie seit 1988, als er aus der Pfalz kam und in einem Chérisy-Block sein eigenes Studio eröffnete. 600 Quadratmeter für 700 Mark, das gab es damals in der Chérisy. Diese Preise sind zwar auch dort Vergangenheit, aber der Film- und Fotokünstler, Musiker und Komponist Hubl Greiner blieb.
Er wohnt und arbeitet bis heute in der Chérisy. Er liebt die Vielfalt seines Stadtviertels. „Die Chérisy ist ein Kulturhotspot“. Sie hat zum Beispiel das Zebra-Kino, das Contrast für junge Menschen, und den Kulturladen mit Konzerten, Lesungen, Slams und anderen Kulturangeboten.
Die Chérisy „ist einzigartig in ganz Europa“
Hubl Greiner stellt fest: Es treffen ganz unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Talente aufeinander. Bei einem Projekt, in dem er acht besondere Menschen aus Konstanz und Kreuzlingen porträtierte, fiel ihm auf, wie viele kreative Köpfe in der Chérisy leben. Es entstand der Gedanke, einen Dokumentarfilm über das Stadtviertel zu machen.
Dieser zeigt, wie aus der ehemaligen Soldatenunterkunft ein alternatives Wohn- und Arbeitsprojekt entstand. „Es ist einzigartig in ganz Europa.“ Der Filmemacher weiß, dass es auch Spannungen bei der Weiterentwicklung des Projekts gab. Wenn Visionäre aufeinander treffen, dann krache es auch mal. Dennoch ist Hubl Greiner überzeugt: Der Geist der Chérisy lebt, trotz vieler Veränderungen. Junge Menschen drückten dem Projekt neu dem Stempel auf.
Hubl Greiners Dokumentarfilm beginnt in der Zeit der Nationalsozialisten. Diese bauten 1936 die Kaserne. Eine Hetzrede aus einem Volksempfänger stimmt auf diese Zeit ein. Der Film berichtet, wie die Bauten für die Soldaten ihren Namen bekamen. Die Kaserne wurde nach einer nordfranzösischen Stadt benannt, in der das in Konstanz stationierte Infanterie-Regiment 114 im Ersten Weltkrieg militärische Erfolge errungen hatte. Deutschland verlor den Zweiten Weltkrieg. Es zogen die französischen Besatzer in die Chérisy-Kaserne.
1978 gingen sie wieder. Sie hinterließen leere Gebäude. Anfang der 80er-Jahre begehrten junge Menschen auf, die in Konstanz vergeblich nach Wohnraum suchten. Sie besetzten das ehemalige Fernmeldeamt am Fischmarkt. In der Folge bekam die Idee Aufwind, die Chérisy-Kaserne für Wohnraum umzubauen. Die evangelische Studentengemeinde entwickelte ein alternatives Wohn- und Arbeitsmodell, welches später von der Neuen Arbeit umgesetzt wurde.
Auch die ersten Bewohner kommen zu Wort
Wie ein Krimi zeichnet Hubl Greiner nach, welche Hürden von Behörden und intern das Projekt nehmen musste. „Es gab einen Konkurrenten aus den eigenen Reihen.“ Das Projekt drohte mehrfach zu scheitern. „Es musste immer kämpfen, und hat das erfolgreich geschafft.“ Es entstand Außergewöhnliches: Mit nur 20 Prozent der üblichen Kosten wurden die ersten 50 Wohnungen hergerichtet, und in der Folge weitere Wohnungen und Kultureinrichtungen.
Wie das möglich war? Am Anfang mit viel Eigenleistungen und später mit einer Idee, die Arbeitslosen, Wohnungssuchenden und Kultureinrichtungen nützte. Im Film kommen unter anderen die ersten Bewohner des Projekts zu Wort, ebenso Studierende, Arbeitslose und Facharbeiter. Thema sind auch die Macher hinter den Kulissen und deren Konflikte.
Auf einen Vergleich mit anderen alternativen Modellen verzichtet Greiner. Er geht davon aus, dass sein Film vor allem Menschen aus Konstanz und der Region anspricht. Die ersten Aufführungen im Zebra-Kino in der Chérisy waren ausverkauft. Hubl Greiner freut sich, dass „Ein Viertel in unserer Stadt“ so viele Zuschauer hat. „Es kamen auch Leute, die was mit der Chérisy zu tun haben, die hier aber nicht wohnen.“ Er stellt fest: „Viele Leute sprechen über den Film.“
Hubl Greiner bewältigte 15 Monate Arbeit am Film mit einem schmalen Budget. Es umfasste dank Mittel aus dem Kulturfonds der Stadt Konstanz und der Unterstützung von Sponsoren nach eigenen Angaben 9000 Euro. Der Filmemacher kam mit diesem Mini-Etat aus, weil er und seine Partnerin Claudia Knupfer alles selbst machten, also das Konzept, die Regie, die Kamera, den Ton, den Schnitt. „Da steckt ganz viel Herzblut drin.“