„Am 30. April ist der letzte Tag“, sagt Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU), der von 1971 bis 1997 und von 2004 bis zum 30. April 2023 dem Konstanzer Gemeinderat angehört. 45 Jahre hat er sich als kommunalpolitischer Mandatsträger für Konstanz und die Bürger engagiert, zum Teil mit Vehemenz.
Jetzt macht er Schluss. Wann wird er offiziell verabschiedet? Wolfgang Müller-Fehrenbach greift sicherheitshalber in die Tasche seines Jacketts, zückt seinen kleinen, handlichen Terminkalender, ohne den er wohl nie aus dem Haus geht, blättert und liest: „11. Mai im Rahmen der Gemeinderatssitzung im Ratssaal.“
Der Ort der Verabschiedung war Wolfgang Müller-Fehrenbach, der von allen, die ihn kennen, Müfe genannt wird, wichtig. Schließlich hat er seine Amtszeit vorwiegend im historischen Ratssaal verbracht. Das ist für ihn der würdige Ort, an dem wichtige Entscheidungen für seine Heimatstadt Konstanz getroffen wurden und werden.
Er hat sich schon länger mit den Gedanken getragen, sein politisches Ehrenamt als Konstanzer Gemeinderat niederzulegen. Im SÜDKURIER-Gespräch anlässlich seines 80. Geburtstags hat Wolfgang Müller-Fehrenbach im Jahr 2021 geäußert: „Ich habe schon Vorstellungen, wie ich kürzertreten kann und überlege, dass ich wahrscheinlich mein politisches Amt nicht bis zur nächsten Gemeinderatswahl ausüben werde.“ Jetzt, ein Jahr vor der Gemeinderatswahl, macht er ernst.
Mit vier Oberbürgermeistern hat er gerungen
Politisches Kalkül steckt durchaus hinter dem Termin des Ausscheidens. „Zur Wahl antreten und dann nach einem Jahr aufhören, das wäre nicht fair gegenüber den Wählern“, sagt Müfe. Und: Heike Rawitzer, die ihm nachfolgt, könne sich einarbeiten und sich in dem Jahr bis zur Wahl einen Namen machen. „Ich halte große Stücke auf sie. Heike interessiert sich für Kultur und Wirtschaft“, schwärmt er.
Mit vier Oberbürgermeistern hat Müller-Fehrenbach in den letzten Jahrzehnten zusammengearbeitet und auch mal verbal die Klingen gekreuzt. Die Dezernenten zählt er nicht mehr. Mit OB Bruno Helmle habe es „heftige Kämpfe“ gegeben, OB Horst Eickmeyer habe versucht, „den Laden zusammenzuhalten“ und vieles in Konstanz vorangebracht und OB Horst Frank habe „für die Wirtschaft interessante Entscheidungen vorgelegt“ erinnert er sich an Uli Burchardts Amts-Vorgänger.
Kommunalpolitik wird immer komplizierter
Und heute? „Die Arbeit im Gemeinderat ist erheblich schwieriger geworden“, stellt Wolfgang Müller-Fehrenbach unumwunden fest. „Aus verschiedenen Gründen. Die Mehrheitsverhältnisse sind schwierig. Damit muss man fertig werden“, meint er. „Und dann die Fülle an Informationen. Die Zusammenhänge werden immer komplizierter und werden komplex dargestellt.“
Wie sieht Müfes Bilanz aus? „Insgesamt haben wir große Fortschritte im Schul- und Sporthallenbau erzielt“, resümiert er. Der Bau der Geschwister-Scholl-Schule (1976 als kooperative Gesamtschule gegründet) bezeichnet er, der dort lange Schulleiter war, als „sensationell“. Er spricht von Sanierungen bis zur Gründung und dem Ausbau der Gemeinschaftsschule, die er als „einen enormen Gewinn“ erachtet. „Es ist unglaublich, was da alles gelaufen ist. Ein enormer Aufschwung“, bilanziert Müller-Fehrenbach.

Aufschwung habe die Stadt seiner Ansicht nach mit der Entwicklung von Petershausen West erlebt. Symbol für den Wandel von einer Industriebrache zu einem lebendigen Quartier ist für Müller-Fehrenbach insbesondere die Entwicklung am Seerhein. „Es sind Vorzeigeobjekte entstanden und das Gebiet enorm aufgewertet worden“, findet er.
Er freut sich auch über die Entwicklung der Kultur in Konstanz. Während seiner Zeit im Gemeinderat sind neue Spielstätten für das Theater entstanden und die Philharmonie sei auf hohem Niveau fixiert. Über „die Stabilisierung der Musikschule“, die von einem verein jetzt mit der Philharmonie gebündelt wurde, freut er sich sehr, denn „jetzt hat die Musikschule fast 2000 Schüler“.
Wurden auch Fehler gemacht?
Definitiv, findet Wolfgang Müller-Fehrenbach. „Wir haben keine einzige zusammenhängende Gewerbefläche“, stellt er fest. „Die großen Zeiten mit Byk Gulden und Takeda sind vorbei. Wir brauchen dringend Ersatz. Zu sehr hat man sich auf Tourismus und Einzelhandel fokussiert, dabei brauchen wir auch große Gewerbesteuerzahler“, sagt er. Mangels geeignet großer Gewerbeflächen würden sich interessante Betriebe in Singen oder Stockach ansiedeln. „Eine ungute Entwicklung“, meint Müfe.
Hat Wolfgang Müller-Fehrenbach auch sein persönliches Waterloo erlebt? Ohne Zögern bricht es aus Müfe heraus: „Dass es nicht mit dem Konzerthaus geklappt hat. Zwei Mal haben wir mit der Bürgerentscheidung Schiffbruch erlitten.“ Das wurmt ihn immer noch, denn er ist der Ansicht, dass es seinerzeit politische Spielchen gegeben habe. Und er lässt immer noch nicht von seiner Vision ab, denn er findet: „Neben dem Bodenseeforum könnte man einen reinen Konzertsaal bauen.“
„Es wird Schindluder getrieben mit der Abwägung von Interessen“, spricht Wolfgang Müller-Fehrenbach seine Gedanken offen aus. Konkret meint er die stetige Konkurrenz zwischen Kultur und Sport. „Kultur hat längst nicht so eine große Lobby wie der Sport“, bedauert er. Und wenn es ums Geld gehe, dann „ist es immer ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen“.
„Mehr als 40 Millionen wurden in das neue Schwaketenbad investiert. Ein Flaggschiff für den Sport. Das wird totgeschwiegen“, begehrt er auf. „Jetzt wieder zehn Millionen Euro für den Anbau der Schänzlehalle. Wir tun viel für den Sport.“ Müfe hat sich in Rage geredet: „Ja, ich beschwere mich! Dagegen gibt es 20 Prozent Kürzung bei der Kultur. Wer will das letztlich verantworten?“
Wird ihm künftig langweilig?
Wolfgang Müller-Fehrenbach wird dies nicht verantworten müssen, denn sein Wirken im Gemeinderat ist in Kürze zu Ende. Wer Müfe kennt, weiß genau, dass er dann trotzdem nicht die Hände in den Schoß legt und seinen Terminkalender ungenutzt lässt. Er bleibt noch Mitglied des Kreistags, denn „das Berufsschulzentrum ist ein Herzensanliegen von mir und überfällig für Konstanz“.
Und sonst? „Es gibt noch einige Dinge, wo ich mir vorstellen kann, mithelfen zu können“, sagt der heimatverbundene Konstanzer. Da gäbe es ja noch sein Herzensprojekt „ehemalige Klosterkirche Petershausen“ und „ich möchte noch einen weiteren Gedichtband schreiben“, kündigt er an. Langweilig wird es Wolfgang Müller-Fehrenbach sicherlich nicht.
Er wird sich auch künftig für seine Heimatstadt Konstanz engagieren. Müfe kann nicht anders. Er ist und bleibt ein Idealist, eine berechenbare Konstante in einer schnelllebigen Zeit.