Wer Tomaten auf den Augen hatte, wurde wortwörtlich genau so bestraft. Und wer von einer guten Polizei sprach, meinte damit, dass alles in Ordnung war, auch im privaten Haushalt. Ulrich Büttner führte als schwarz gekleideter Inspektor aus dem 19. Jahrhundert in einer höchst unterhaltsamen Tour zu den Schauplätzen der großen historischen Verbrechen der Stadt und klärte über Redewendungen auf, die sich bis heute in der Sprache gehalten haben.

True-Crime-Tour heißt die neue Stadtführung, die die dunklen Seiten von Konstanz zeigt. Wer an dieser Stadtführung teilnimmt, wird einzelne Gassen und Plätze in der Altstadt mit ganz anderen Augen betrachten. So zum Beispiel die gemächliche Katzgasse. Im Mittelalter, vor dem Haus zur Katz, hat es einmal einen Mordanschlag gegeben.
Ulrich Büttner berichtete mit kräftiger Stimme, was sich dort ereignet hat. Und der Historiker machte auch gleich noch auf die Besonderheit des Gebäudes aufmerksam. Es trägt die älteste Renaissance-Fassade nördlich der Alpen. Während der Konzilzeit (1414 bis 1418) wurden im Haus der feinen Gesellschaft rauschende Feste gefeiert. Davor gerieten zwei Herzöge aus Bayern aneinander.
Von strenger Sexualmoral zur sündigen Stadt
Vom Stephansplatz aus ist die Fortsetzung der Salmannsweilergasse ein schmaler, dunkler Pfad. Genau dort ereignete sich 1870 eine versuchte Vergewaltigung. Damals, so sagte Büttner, habe in der Stadt eine strenge Sexualmoral geherrscht. Die Frauen durften keinen Hals zeigen und doch habe es in Konstanz mehr Prostituierte als heute gegeben. Seinen Ruf als besonders sündige Stadt habe Konstanz aber erst im 20. Jahrhundert bekommen. Noch in den 1970er-Jahren habe von der Hafenuhr bis zur Grenze ein Bordell neben dem anderen gestanden.
Am Augustinerplatz ging es um einen Fall aus den 1970er-Jahren, der bis heute heiß diskutiert wird. Er hat sich ins Gedächtnis der Konstanzer unter dem (eigentlich nicht zutreffenden) Begriff „Gammlermord“ eingegraben. Der angetrunkene Hilfsarbeiter Hans Obser erschoss am 29. August 1970 gegen 19.30 Uhr auf dem Augustinerplatz, nahe dem Blätzlebrunnen, mit einem Hasentöter (Schussapparat zur Tötung von Kleintieren) den Lehrling Martin Katschker.
Eine Stele erinnert am Ort der Tat ans Opfer und die damaligen Ereignisse. Jürgen Klöckler, Historiker und Leiter des Stadtarchivs in Konstanz, kam nach umfangreichen Recherchen zu dem Schluss: Es sei kein politisch motivierter, rechtsextremer Mord gewesen, sondern vielmehr fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Nötigung. „Bis heute ist nicht klar, war es ein Unfall oder nicht“, stellte dazu Ulrich Büttner bei seiner Tour fest. Die Tat zeige die andere Seite der kleinen, beschaulichen Stadt.
Soldat wirft eine Handgranate ins Bordell
Auf der Rückseite eines Schnellrestaurants am Bahnhofplatz machte Büttner auf ein weiteres Ereignis aus den 1970er-Jahren aufmerksam. Damals gab es einen Sprengstoffanschlag auf eines der Bordelle. Ein französischer Soldat warf eine Handgranate dort hinein. Sie explodierte, verletzte Personen aber nur leicht. Unterhaltsam erzählte Büttner, wie die Ermittler auf die Spur des Täters kamen. Am Schnetztor deckte der Historiker auf, warum manche glaubten, Klopfgeräusche zu hören und Geister zu sehen.
„Ich finde es mega“, sagte Nicole Schaut zur Führung. Die Konstanzerin ist froh, dass Büttner auch auf eine Geschichte einging, die sich Menschen in der Stadt schon seit Jahrhunderten erzählen, bei der es sich aber um eine Wandersage handle, wie der Historiker betonte. Es ging um angebliche Geheimtunnel am früheren Franziskanerkloster (heute Stephansschule).
Auch Wolfgang Schwall aus Lahr zeigte sich sehr zufrieden mit der Tour. „Das gefällt mir. Das ist mal etwas anderes.“ Seine Partnerin stehe auf Krimis und deshalb habe er die passende Tour gewählt. Es sei gut zu wissen, was in der Stadt war, stellte Imanuel Amir fest. Er ist in Konstanz aufgewachsen.
