Erst der Hafner, dann kann man über den Stadtwald reden: Die Idee von Oberbürgermeister Uli Burchardt, ein Stück kommunalen Forst zugunsten eines neuen Stadtgebiets zu roden, hat einen erheblichen Dämpfer erhalten. Das Regierungspräsidium Freiburg hat der Stadtverwaltung klargemacht, dass eine schnelle Rodung derzeit nicht infrage kommt. Die Aufsichtsbehörde fordert Konstanz auf, zunächst die im Flächennutzungsplan für den Wohnbau vorgesehenen Flächen zu entwickeln. Die Freiburger Amtschefin Bärbel Schäfer verdeutlichte dem Oberbürgermeister überdies, dass vor einer Abholzung von Wald eine Alternativenprüfung stehen müsse – das bedeutet: Die Kettensäge kann erst dann angesetzt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Für immer vom Tisch ist die Idee Wohnen statt Wald damit allerdings nicht, wie die Stadtverwaltung am Freitag erklärte. Das Regierungspräsidium habe die Flächenknappheit und den zugleich großen Bedarf an neuen Wohnungen ausdrücklich festgestellt, heißt es auch in einer Pressemitteilung, die die Stadt Konstanz zu der überraschenden Entwicklung verschickte. Das Regierungspräsidium, heißt es darin, „erkennt an, dass die Stadt zukünftig neben der gebotenen Innenentwicklung auch in erheblichem Maße in die Außenentwicklung gehen muss“.

Die neue Situation rückt den Fokus nun vor allem auf das rund 46 Hektar große Areal namens Nördlich Hafner am nordwestlichen Rand von Wollmatingen. Es ist im Handlungsprogramm Wohnen für eine Bebauung ab dem Jahr 2024 vorgesehen, die Stadt geht von 2550 Wohneinheiten aus, das wären wohl mehr als 5000 Einwohner. Derzeit stockt das Vorhaben aber, weil die Stadt nach eigenem Bekunden nicht an Grundstücke herankommt. Viele private Besitzer wollen sie nicht zu den angebotenen Ackerland-Preisen von nur rund 15 Euro pro Quadratmeter verkaufen. Nach der Umwidmung in Bauland dürften die Flächen das 30-bis 50-Fache an Wert haben.

Um die Bebauung am Hafner zu beschleunigen, feiert auch der Begriff der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme eine Auferstehung – das Regierungspräsidium schlägt sie ausdrücklich vor. Schon einmal hatte Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn öffentlich erklärt, die Stadt denke auch über solche Instrumentarien nach. Mit ihnen kann die Kommune Grundstückseigner zum Verkauf zwingen und die gesamte Wertsteigerung behalten; schnell machte das Wort von der Enteignung die Runde. Ob die Stadt nun die bisher angebotenen Kaufpreise für Flächen am Hafner erhöht, wie bereits einige Kommunalpolitiker forderten, bleibt zunächst offen.

Der nun von der Regierungspräsidentin vorgeschlagene Weg zum Bau von mehr Wohnraum in Konstanz deckt sich vollständig mit den Forderungen der Freien Grünen Liste. Fraktionssprecherin Gisela Kusche hat bereits mehrfach gefordert, die Stadt solle zunächst den Hafner voranbringen. Auch brachte sie im Dezember 2015 ausdrücklich eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für den Hafner ins Gespräch. Damit signalisierte die FGL erstmals, dass sie sich neben der Nachverdichtung im Innenbereich auch eine Außenentwicklung vorstellen kann.

Ein Schlag ins Gesicht ist die Entscheidung aus Freiburg dagegen für die SPD. Sie hatte ausdrücklich den Schwaketenwald ins Gespräch gebracht und bereits einen Ratsbeschluss über die Rodung von 25 Hektar Wald gefordert. Fraktionschef Jürgen Ruff und sein Stellvertreter Herbert Weber sprachen damals von einem „Befreiungsschlag“. Auch andere große Gruppierungen im Gemeinderat hatten zumindest Gesprächsbereitschaft über das Thema Wohnen statt Wald bekundet. Burchardt selbst empfindet die Klärung aus Freiburg nicht als Niederlage: Er freue sich, „dass das Regierungspräsidium unsere Probleme erkennt und uns unterstützt. Das wird unsere Arbeit sicher erleichtern. Denn das Wesentliche ist: wir müssen schnell weiter bauen, und dafür brauchen wir geeignete Flächen.“

 

Entwicklungsmaßnahme

Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist im Baugesetzbuch beschrieben. Wenn es im öffentlichen Interesse und von besonderer Bedeutung ist (etwa bei erwiesener Wohnungsnot), kann eine Kommune auf ein zeitraubendes Bebauungsplanverfahren verzichten. Dreh- und Angelpunkt ist, dass die Gemeinde Grundstücke zu dem Wert erwirbt, den sie ohne Aussicht auf die Entwicklungsmaßnahme hätte. Wer nicht verkauft, muss die gesamte Wertsteigerung an die Kommune abgeben. Enteignungen sind möglich.