Zeit. Die hat Konstanz eigentlich nicht – bei der Schaffung von neuem Wohnraum kann es nicht schnell genug gehen. Hatte die Stadt lange auf die Nachverdichtung gesetzt, ist die Devise seit wenigen Jahren eine andere. Ein ganzer Katalog mit Baugebieten ist entstanden, eine Waldrodung zu Gunsten von Wohnungen ist abgeschmettert, stattdessen hat sich in Wollmatingen mit dem Hafner eine Jahrhundertchance ergeben. Ein neuer Stadtteil entsteht. Doch das braucht eben eines: Zeit. "2018 ist eines der wichtigsten Jahre im Gesamtprozess", sagt Stadtplanerin Marion Klose. Der Prozess soll nicht ohne die Bürger laufen, sie sollen den Stadtteil mitgestalten.
Baubeginn soll 2025 sein
Eines der vielleicht ebenso wichtigsten Jahre wird 2025 sein. Dann sollen die Bagger auf den ersten Bauabschnitt rollen. Die Entwicklung eines Stadtteils gehe nicht von heute auf morgen, sagen Marion Klose als Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt und Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Vor allem am Hafner nicht, der das Bauamt vor eine besondere Herausforderung stellt. Die zur Überbauung in Diskussion stehenden 60 Hektar setzen sich aus mehreren hundert Einzelgrundstücken zusammen. Mit jedem einzelnen Eigentümer ist die Stadtverwaltung im Gespräch und möchte ihn zur Teilnahme animieren. Er soll seine Fläche der Stadt verkaufen, zur Vermarktung überlassen, selbst bebauen oder bebauen lassen und später selbst verkaufen. Unter dem Strich winken der Verkaufspreis abzüglich Infrastrukturkosten, die die Erschließung finanzieren soll. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nennt sich das, ermöglicht durch das Baugesetzbuch. Danach kann eine Kommune mit knappem Wohnraum Eigentümer zur Mitwirkung verpflichten. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und Marion Klose setzen allerdings lieber auf den Dialog.
Aus Acker- wird Bauland
Aus diesem Grund hat der Dialogprozess ab der kommenden Woche doppelte Funktion. Wenn Bürger am 31. Januar um 19 Uhr in die Wollmatinger Halle eingeladen sind, erhoffen sich Langensteiner-Schönborn und Klose auch die Teilnahme vieler Grundstückseigentümer. Sie sollen, angestoßen durch die Diskussion mit Bürgern, die Überzeugung gewinnen, sich an der Zukunft der Stadt beteiligen zu wollen; ihren Teil zu einer Entspannung auf dem angespannten Immobilienmarkt beizutragen; den in erster Linie ins Umland abwanderenden Familien wie auch Menschen mit geringem Einkommen bezahlbaren und geförderten Wohnraum zu schaffen. Vorteil für die Grundeigner ist, dass ihr Ackerland zu Bauland wird. Der Quadratmeterpreis steigt um ein Vielfaches.
Die Bürger mitnehmen
Über die Absicht, einen neuen Stadtteil zu schaffen, hat das Rathaus bereits vor knapp einem Jahr in einer Veranstaltung die Konstanzer informiert. Jetzt geht es um das Handwerkliche. "Das größte Thema ist, die Bürger mitzunehmen", erklärt Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Die Bauverwaltung erhofft sich aus der Reihe von Foren Wünsche und Ideen, wie sich die Bürger den Umgang mit dem Gebiet nördlich Hafner vorstellen. Sie sollen den Weg zum neuen Stadtteil mitgehen, die Verwaltung wolle ihnen nichts überstülpen, erklärt der Baubürgermeister. Das soll Akzeptanz auf allen Seiten schaffen. Ergebnisse aus den Workshops zur Zukunftsstadt, einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Programm zur Entwicklung in einer Kommune, sollen in die Planungen einfließen – vielmehr in die Ausschreibung eines städtebaulichen Wettbewerbs.
Zu Wort kommen sollen auch die Jugendlichen, wie sie in einem Baugebiet Hafner leben wollten. Ihre Wünsche heute unterschieden sich nicht von Wünschen junger Menschen in neun Jahren, ist Karl Langensteiner-Schönborn überzeugt.
Nicht nur Wohnraum, auch Infrastruktur
Über allen Überlegungen thront die Frage: Was muss ein Stadtteil leisten können? Die schlichte Ausweisung von Bauflächen genügt nicht. Wo 2500 Wohnungen entstehen, wo mehr als 5000 Bürger eine Heimat finden sollen, ist eine Infrastruktur notwendig. Aus diesem Grund sind 15 Hektar für Gewerbe vorgesehen. Zu erörtern ist, ob es einer neuen Schule, neuer Kindertagesstätten und auch Senioren- und Pflegewohnheime bedarf. Es werden Sport- und Freizeitflächen auch für Menschen von außerhalb des neuen Stadtteils entstehen. Wie viel Grün verträgt das Wohngebiet, oder anders herum: wie viel soll es mindestens geben? Wie soll es erschlossen werden, welches Mobilitätskonzept wünschen sich eventuell künftige Bewohner? Das "liegt ein Stück in Bürgerhand", sagt Langensteiner-Schönborn. Oft unterschieden sich die Ideen nicht von jenen in der Bauverwaltung. Klar sei, dass sich die Stadtverwaltung auf Basis des Wettbewerbs Zukunftsstadt eine "nachhaltige Stadtentwicklung" wünsche. Die Bürgergemeinschaft Fürstenberg-Wollmatingen begrüßt den Dialog. "Ich finde es grundsätzlich gut, dass Bürger beteiligt werden", sagt Vorsitzender Matthias Heider. Der Erfolg hänge aber davon ab, wie sich der Prozess entwickle. Bis Ende 2019 soll alles so weit in trockenen Tüchern sein, dass der Gemeinderat die Bebauung beschließen kann.
Das sind die wichtigen Termine
Wie sich die Konstanzer in die Entwicklung des Hafners einbringen kann
- 31. Januar: Am Mittwoch sind die Bürger um 19 Uhr in die Wollmatinger Halle eingeladen. Thema: „Wie plant man einen lebenswerten Stadteil?“ Die Stadtverwaltung will über eine Bebauung des rund 60 Hektar großen Gebiets nördlich Hafner informieren, an Ständen soll es weitergehende Details geben und die Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Wünsche für den neuen Stadtteil zu äußern.
- Ende Februar 2018: Bis dahin, erklärt Stadtplanerin Marion Klose dem SÜDKURIER, sollen die Rahmenbedingungen für den städtebaulichen Wettbewerb stehen. In die Ausschreibung sollen Wünsche und Ideen der Bürger vom 31. Januar mit einfließen. Ein Büro aus München wird die Hinweise bis dahin aufarbeiten.
- April 2018: Im ersten Bürgerforum sollen die Konstanzer ihre Vision für den neuen Stadtteil konkretisieren. Dies gilt als Wettbewerbsauftakt für 15 Planungsbüros, die in drei Monaten erarbeiten sollen, wie der Hafner bebaut werden könnte.
- Juli 2018: Die Entwürfe der Büros werden ausgestellt. Über die von einer Jury ausgewählten Arbeiten sollen die Bürger in einem zweiten Forum diskutieren. Mit fünf Büros will die Verwaltung, erklärt Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönorn, weitermachen. Sie erhalten drei Monate für die Überarbeitung ihrer Entwürfe.
- November 2018: Der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs steht fest. Ihn will die Verwaltung dann vorstellen, und er soll seinen Entwurf überarbeiten. Ebenfalls in diesem Monat ist die Abschlussveranstaltung.