Ingrid Böhm-Jacob

Herr Dietrich, gibt es ein Instrument, das Sie gerne an der Musikschule gelernt hätten und warum?

Ehrlich gesagt, über diese Frage habe ich noch nie nachgedacht, denn in meiner Kindheit gab es in meiner Umgebung keine Musikschule. Außerdem hatten wir ein Klavier zuhause, und da war klar, welches Instrument das älteste von vier Kindern lernt. Ich habe mein Instrument im Privatunterricht erlernt und dabei echt lange gebraucht, bis ich mal eine qualifizierte Lehrkraft hatte, die mich auch meinen Anlagen gemäß gefordert und gefördert hat. An einer Musikschule mit ihrem professionellen Lehrpersonal wären wahrscheinlich die Fortschritte schneller gewesen.

Sie spielen Klavier, hätten Sie gerne noch etwas anderes gelernt?

Das Klavier hat mir eigentlich gereicht, aber in meinem Musikstudium brauchte ich noch ein zweites Fach. Da habe ich das Cello dazu genommen. Ich hatte während des ganzen Studiums Cellounterricht bei einem sehr bekannten Professor in Heidelberg an der Musikhochschule.

Sind Sie mehr der E- oder U-Typ und macht es überhaupt Sinn zu kategorisieren?

Ich komme eindeutig vom E-Bereich her, das hängt mit dem Lernen des Instruments Klavier zusammen, U-Klavier gibt es erst seit geraumer Zeit, aber auch mit meinem Faible für historische Musikwissenschaft. In dieser E-Branche bin ich großgeworden und fühle mich auch heute noch dort sehr stark zuhause. Ich mag auch Jazz, aber auf dem Sektor bin ich nicht so versiert. Ob eine Trennung zwischen E- und U-Musik noch Sinn macht, diese Frage stellt sich in der Tat. Die zwei Bereiche gehen offensichtlich immer mehr ineinander über. Die E-Musik nähert sich der U-Musik an, die U-Musik der E-Musik. Jeder Bereich hat seine Berechtigung, aber davon eine Wertigkeit abzuleiten, würde ich nicht tun.

Was halten Sie für die größte Leistung der Rheinfelder Musikschule in den vergangenen 30 Jahren?

Das war die Öffnung der Möglichkeiten für alle sozialen Kreise unserer Stadt. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen. Als ich 1987 kam, waren an der Musikschule 700 Schüler, heute hat sie mehr als doppelt so viele bei gleichbleibendem Umfang des Unterrichtsangebots. Das heißt also, wir erreichen heute viel mehr Kinder und Jugendliche als früher. Das ist für mich entscheidend. Musikschularbeit ist in erster Linie Breitenarbeit, und nicht in erster Linie Spitzenförderung.

Gibt es Höhepunkte in ihrer Leitungszeit, an die Sie sich besonders erinnern?

Im Bereich der Veranstaltungen gibt es eine ganze Reihe von Höhepunkten. Da sind zunächst die großen Projekte, die wir grenzüberschreitend mit der Musikschule in Rheinfelden/Schweiz zusammen durchgeführt haben, Musica è 1997, Insieme 2003, der gemeinsame Musikschultag im Rahmen der Grün 2007, oder die beiden Feste 1992 und gerade im letzten Jahr wieder, wo die beiden Musikschulen ihre ganze Power in die internationale Begegnung rein gegeben haben. Ein weiteres Highlight waren die Kammermusikkonzerte, die wir im Haus Salmegg zehn Jahre lang mit eigenen Lehrkräften veranstaltet haben. An die 90 Konzerte waren es insgesamt. Ein drittes Highlight waren die fünf Herbstbälle in Zusammenarbeit mit der Stadt Rheinfelden, die immer eine große Resonanz hatten und die wir aus der Musikschule heraus mit dem großen Lehrersalonorchester und mit einer Band-Formation bestritten haben. Im betrieblichen Bereich gehört zu meinen wesentlichen positiven Erfahrungen, dass wir alle Lehrkräfte in den Bundesangestelltentarif bekommen haben und es mit der Stadt und mit der Gemeinde Grenzach-Wyhlen zu verlässlichen Zuschussregelungen gekommen ist, die eine langfristige Planung ermöglichen. Diese Sicherheit bei der Bezuschussung hilft uns sehr. Sie stärkt die betriebliche Leistungskraft und bewirkt auch im Kollegium eine große Bereitschaft zum Engagement.

Für mehr als 1400 Schüler eine wichtige Einrichtung.
Für mehr als 1400 Schüler eine wichtige Einrichtung. | Bild: Ingrid Böhm-Jacob

Die Arbeit der Musikschule in drei Jahrzehnten hat sich verändert. Wie weit ist der Unterricht auch dem Zeitgeist unterworfen?

Die Musikschularbeit ist sehr stark an die sozio-kulturelle und auch an die politische Entwicklung in der Gesellschaft angebunden. Nehmen wir die zunehmende Einrichtung von Ganztagsschulen. Früher hatten die Schüler nachmittags keinen Unterricht. So konnte man sie problemlos einteilen und vor allem hatten sie auch Zeit, nachmittags zuhause zu üben. Das ist mit der Ganztagsschule zunehmend schwieriger geworden. Auch die Erweiterung des Musikschulangebots in Richtung des Rock-Pop-Bereichs ist eine Reaktion auf entsprechende Tendenzen. Vom Saxophonunterricht ausgehend, haben wir das Fach Keyboard und Klavierimprovisation und die Fächer E-Gitarre und E-Bass eingeführt und die Band-Arbeit begründet.

Erwarten Sie bei über 1400 Schülern noch qualitatives Wachstum?

Mit unserem Angebot decken wir ein sehr breites und qualitativ gutes Spektrum ab. Für Wachstum sehe ich keinen großen Spielraum mehr, weil auch die Nachfrage sich entsprechend eingependelt hat. Selbstverständlich könnte es ein sehr hohes Ziel sein, alle Rheinfelder Kinder und Jugendliche mit dem Bildungsangebot erreichen zu wollen. Das wäre aber eine Utopie. Als Angebotsschule sind wir schon sehr breit aufgestellt.

Wo liegen die künftigen Schwerpunkte der Arbeit dann?

Auch künftig wird sich die Arbeit daran orientieren müssen, wie sich die Gesellschaft im musisch-kulturellen Bereich weiter entwickelt. Sie wird sich auch personell verjüngen, denn im Laufe des nächsten Jahrzehnts werden viele altgediente Musikschullehrkräfte in Rente gehen. Die jungen Leute werden sicher auch neue Ideen haben und mehr an den heutigen Bedürfnissen der Schüler dran sein. Ganz bestimmt werden die Möglichkeiten der neuen Medien stärker in den Unterricht und in die musikalische Arbeit eingehen. Es geht darum, diesen Bereich, der unsere Gesellschaft zunehmend formt, ergänzend aufzunehmen. Die überkommene Arbeit beim Erlernen eines Instruments und der Literatur und das Üben werden aber nicht zurücktreten.

Was würden Sie heute als Erstes machen, wenn Sie ganz neu die Leitung der Musikschule übernehmen würden?

Ich würde Dinge fortführen, die bereits angestoßen sind, so beispielsweise die Kinder im Kindergarten- und im Grundschulalter aus den Kooperationen heraus stärker mit der Musikschularbeit in Berührung zu bringen und auch die Talente darunter anzusprechen und intensiver zu fördern. Als Zweites würde ich unsere ganze Corporate Identity, die Website, das Infoblatt und auch die Formblätter grafisch vereinheitlichen und auf Vordermann bringen. Das ist alles zwischenzeitlich etwas unübersichtlich und altbacken. Also, das eine würde ich weiterführen, das andere neu gestalten.

Musikschule

An der Musikschule lehren momentan 40 Lehrkräfte 1419 Schüler. Es wird an alle gängigen Instrumente unterrichtet, ebenso Gesang und musikalische Grundstufe. Streichinstrumente: Violine bis Kontrabass; Holzblasinstrumente: Querflöte bis Fagott; Blechblasinstrumente: Trompete bis Tuba. Blockflöte, Klavier, Keyboard, Gitarre, E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug, Ensembles in verschiedenen Besetzungen und stilistischen Ausrichtungen.