Herr Niethammer, fühlen Sie sich mit 70 als Alt-OB, als Ehrenbürger oder einfach als Bürger von Rheinfelden?
Ich will ein normaler Bürger von Rheinfelden sein, weil mir das am besten liegt. Ich brauche die Titel nicht. Das war nie meine Rolle. Ich fühle mich wohl, wenn ich mich mit Menschen nett unterhalten kann. Schön war für mich aber bei den Partnerschaftsfeiern in Neumarkt und Vale of Glamorgan dieses Jahr dabei zu sein.
Sie ziehen sich gerne ins Private zurück.
Ja, ich gehe nur gezielt auf wenige Veranstaltungen.
Als Oberbürgermeister waren Sie voll gefordert, fast rund um die Uhr und plötzlich nicht mehr. Wie haben Sie den Übergang bewältigt. Sie sind zur Juristerei zurück gekehrt und unterrichten?
Das ist aber kein altes Feld. Vor einer Klasse muss man überzeugen, fast wie im Gemeinderat. Pädagogisch bin ich eine Null, aber ich war auf einem Didaktik-Seminar. Man muss die Atmosphäre aufgreifen und zum Mitmachen anleiten, aber nicht 1000 Spiele machen, bei denen man sich wie ein Clown vorkommt. Der Übergang ist jedenfalls geglückt. Was ich mache, erfüllt mich auf jeden Fall. Jetzt muss ich bei der Lehrtätigkeit nur schauen, dass ich auch das richtige Maß finde.
24 Jahre lang haben Sie maßgeblich die Stadt geprägt. Wie sehen Sie heute die Entwicklung Rheinfeldens?
Die ist positiv. Ich sehe eine schöne Weiterentwicklung. Wir bauen immer noch auf als junge Stadt. Ich freue mich zu sehen, dass es weitergeht.
Sie haben die Kontakte in die Schweiz und die Nachbarstadt immer intensiv gepflegt. Bestehen die weiter?
Die bestehen auch jetzt noch. Als Mitglied im Arbeitskreis Geschichte im Verein Haus Salmegg schreiben ich und Peter Scholer in einem Buch zu 100 Jahre Rheinfelden über die grenzüberschreitenden Beziehungen. Der Arbeitskreis macht mir großen Spaß. Das ist eine Aufgabe, die ich früher immer gerne gemacht hätte, aber keine Zeit dafür hatte, die aber Sinnhaftigkeit gibt.
In der CDU sind Sie in der Senioren-Union noch als Vorsitzender aktiv, sonst aber werden Sie auf der politischen Bühne kaum mehr gesehen. Verspüren Sie nicht ab und an Lust, nochmals politisch einzugreifen?
Nein. Zur Bewertung von Entwicklungen und Projekten fehlt auch oft das Detailwissen. Ich bin froh, dass ich manche Entscheidung nicht mehr treffen muss. Es war mir ein Anliegen, mich nicht mehr einzumischen. Ich hielte das nicht für fair.
Der Bau des Rheinstegs hat Sie schon während Ihrer Amtszeit beschäftigt. Er bleibt ein Politikum, für Sie auch?
Ich war immer ein Verfechter des Stegs. Ich weiß auch, dass er keine Pflichtaufgabe ist, sondern Kür. Dennoch halte ich ihn in der deutsch-schweizerischen Nachbarschaft für notwendig, deshalb bin ich ein klarer Anhänger des Projekts, dessen Entwurf mir unheimlich gut gefallen hat. Wichtig ist es, mit den Zuschussgebern zu verhandeln über einen höheren Beitrag, aber auch mit den Firmen zu sprechen, wegen des Preises. Wenn dies ordentlich läuft, wäre ich dafür, zu bauen. Für Rheinfelden wäre es ein weiterer Schub, der Steg würde die Freundschaft betonen mit der Schweiz und ein klassisches Symbol darstellen.
Im Gemeinderat ging es früher auch hitzig zu. Wie entspannt begegnen Sie heute früheren Mitstreitern und einstigen Kontrahenten?
Ich habe zu allen ein gutes Verhältnis.
Was halten Sie heute für die größte Herausforderung in der Kommunalpolitik auch für einen OB?
Ich halte die direkte Demokratie mit Bürgerbeteiligung und Bürgerentscheid in Baden-Württemberg für gut geregelt. Es ist eine vernünftige Mischung. Mehr würde ich aber auch nicht machen wollen. Damit sind wir an der Obergrenze, viel mehr direkte Demokratie birgt auch Risiken. Die Bevölkerung muss lernen, damit umzugehen. In jedem Fall muss mehr Demokratie wagen auch beherrschbar sein. Oberbürgermeister ist ein toller Job, weil man unheimlich frei entscheiden kann, bedeutet aber auch viel Verantwortung, und man ist dem Zeitgeist unterworfen und den Rahmenbedingungen. Außerdem muss man immer sorgfältig hinschauen: Wo gibt es und was schafft Probleme?
Ihr karierter Kittel, sprich Sakko, war bei öffentlichen Auftritten stets Ihr Markenzeichen, wo ist der geblieben?
Seitdem der AfD-Vorsitzende mit Cordhose und kariertem Kittel rumläuft, trage ich meinen nicht mehr, mit einer großen Ausnahme am 11.11. Die Leute haben immer gemeint, ich trage denselben Kittel, das war aber nicht der Fall, ich habe mehrere. Wenn der Gauland weg ist, dann trage ich vielleicht wieder einen.
Ihre Schnupftabak-Tradition aber haben Sie beibehalten?
Ja, wieso soll ich damit aufhören.
Fragen: Ingrid Böhm-JacobZur Person
Eberhard Niethammer (70) war von 1988 bis 2012 Oberbürgermeister von Rheinfelden, danach ernannte ihn der Gemeinderat zum Ehrenbürger. Der Jurist engagiert sich in der Ausbildung des Verwaltungsnachwuchses lehrt Staatsrecht, Kommunalrecht und Bürgerliches Gesetzbuch. Politisch steht er als Bezirksvorsitzender der Senioren-Union Südbaden vor.