Bad Säckingen Bei einigen der Görwihler Karten muss man schon genauer hinschauen, um zu erkennen, dass sie aus der Mitte des 18. Jahrhunderts sind. Die Ähnlichkeiten zu heute erstaunen – zumindest was die Lage vieler Wege, Wiesen und Wälder angeht. Aber der historische Atlas der Gemeinde Görwihl, den Elmar Kerber und Gerhard Krug in mühevoller und leidenschaftlicher Kleinarbeit erstellt haben, zeigt noch viel mehr. Beim Geschichts-Stammtisch Hotzenwald am Mittwochabend im Gasthaus Adler in Niederwihl stellten die Autoren ihr Werk vor. Dabei nahmen sie die rund 30 Interessierten mit auf eine spannende Reise.

Sie führte, je nach Quellenlage, in die Geschichte und die Besonderheiten jedes Görwihler Teilortes. Bis ins frühe 20. Jahrhundert werden die Entwicklungen seit den 1750er Jahren nachvollziehbar. Sie zeigen vor allem die Veränderungen in der Landwirtschaft und geben Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte des Hotzenwaldes.

Rotzingen erwies sich dabei als ein echter Glücksfall für die beiden, als sie ihren Atlas zusammenstellten. Auf der bunten Karte, die Gerhard Krug präsentiert, sind die Besitzverhältnisse in diesem Görwihler Ortsteil detailliert dargestellt. Für Rotzingen gab es schon in den 1780er Jahren ein Grundbuch, was sehr außergewöhnlich für einen Ort dieser Größe in der damaligen Zeit, und einzigartig im gesamten Hotzenwald gewesen sei, so Krug.

Einige der Rotzinger Felder gehören bis heute den gleichen Familien. Krug zeigte, dass der Besitz ungleich verteilt war: Vier Familien, die alle Baumgartner hießen, hatten um die zehn, ein gewöhnlicher Hof aber nur bis zu zwei Hektar Fläche. „Jetzt weiß man auch, warum die Leute nebenbei die Köhlerei hatten oder Frösche gegessen haben“, so Krug.

Die sozialen Verhältnisse haben sich geändert, einiges aber ist gleich geblieben: Der Nestorhof in der Rotzinger Ortsmitte findet sich schon auf der 1787er Karte. Wo die Böden gut und fruchtbar waren, liegen heute noch Felder und die „nassen Löcher“ von damals sind nach wie vor für die Landwirtschaft unbrauchbar. Auch Waldränder scheinen schon immer so zu verlaufen.

Aus Mischwäldern wurden Savannen

Aber der Wald von damals ist nicht der Wald von heute. Die Köhlerei und Eisenverarbeitung am Hochrhein zollten ihren Tribut. Aus den einst mächtigen Mischwäldern, mit ihren Eichen und Buchen, sowie Eiben und Wacholdern, seien nach Jahrhunderten des Abholzens savannenähnliche Buschlandschaften geworden. Ibach etwa, so Kerber, sei der Eibenbach gewesen und im Namen Dachsberg stecke Taxus, die lateinische Bezeichnung für Eibe. Die Aufforstung, die zum heutigen Wald führte, habe erst um 1850 begonnen.

Den rund 250 Seiten, auf denen Kerber und Krug binnen 15 Monaten mehrere Jahrhunderte der Geschichte Görwihls und des heutigen Hotzenwaldes in historischen Karten aufgearbeitet haben, gingen unzählige Stunden in Archiven im In- und Ausland voraus. Weitere folgten für die Aufbereitung der Digitalisate der Karten und den Kontakt mit den Archiven, wie Kerber erläuterte. Die historischen Karten, erklärte Krug, seien für die Methoden der damaligen Zeit oft erstaunlich genau und hätten lediglich ein Grad Abweichung. Sie waren wichtig für das Militär. Dennoch fand er kleinere Fehler und die Umrechnung auf heutige Maße, um sie vergleichbar zu machen, „war nicht immer ganz einfach“, resümierte Krug.

Wie die Autoren zu ihren Erkenntnissen und Interpretationen kamen, legen sie in einem umfangreichen Quellenteil dar, der zum Stöbern und Entdecken einlädt und einen den Hotzenwald mit anderen Augen sehen lässt.

Erscheinungsdatum: Der Historische Atlas der Gemeinde Görwihl der Autoren Gerhard Krug und Elmar Kerber wird vom Förderkreis des Heimatmuseums Hotzenwald in Görwihl herausgegeben. Dort ist er voraussichtlich ab Mitte Oktober erhältlich.