Was passierte am 21. Januar?

Die Tat geschah in den Minuten vor Ladenschluss: Im Schnäppchenmarkt Megamix in der 14.000-Einwohner-Gemeinde Markdorf am Bodensee erschießt ein 47-Jähriger am Samstag, 21. Januar, laut Polizei seine von ihm getrennt lebende Frau. Die Frau war Mutter eines Kindes. Der Mann konnte kurz später gefasst werden, nachdem er zunächst mit einem Taxi nach Pfullendorf im benachbarten Landkreis Sigmaringen geflohen war.

So reagieren die Markdorfer

Eine Tat wie diese mitten im kleinen Markdorf? Zur Mittagszeit? Die Menschen sind fassungslos und trauern, die Anteilnahme ist groß. Stadt und Kirchenvertreter reagieren schnell. Am Tag nach der Tat kommen viele bei einem Gottesdienst zusammen und trauern gemeinsam. Auch Tage später fällt es schwer, zum Alltag überzugehen: Viele überfordert die Brutalität des Gewaltverbrechens vor der eigenen Haustür. Einfach so weitermachen? Das ist nicht so einfach.

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Wo ist der Täter jetzt?

Bereits am Sonntagmittag wird der Tatverdächtige dem Haftrichter vorgeführt. Der ordnet Untersuchungshaft an, der 47-Jährige wird in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Zur Aufklärung des genauen Geschehensablaufs und der Hintergründe der Tat richtet die Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen die Ermittlungsgruppe „Mix“ ein.

Kommentar: Diese Taten nehmen uns alle in die Pflicht

Erst Stockach, dann Markdorf. Die Bluttaten in der Bodenseeregion sind erschütternd. Wer sie als Eifersuchtsdramen abtut, sieht das wahre Problem nicht: Gewalt gegen Frauen, in jeglicher Art. Ein Kommentar von Dominik Dose.

Spuren führen auch in den Linzgau

Die Puzzleteile der Tat beginnen sich zwei Tage später zusammenzufügen. Das Verbrechen ist am Montag das alles beherrschende Thema auf den Straßen und in den Geschäften der Stadt. Was am Montag feststeht: Der Tatverdächtige hatte sich zuvor von seinem Wohnort im Raum Pfullendorf mit einem Taxi nach Markdorf bringen lassen, wohin seine Frau mit ihrem zehnjährigen Sohn nach der Trennung vor einigen Monaten offenbar gezogen war und eine neue Arbeit in dem Schnäppchenmarkt gefunden hatte. In Pfullendorf wurde er auch festgenommen, wie die Polizei bestätigt.

Blumen und Kerzen vor dem Geschäft. Die Anteilnahme der Menschen ist groß.
Blumen und Kerzen vor dem Geschäft. Die Anteilnahme der Menschen ist groß. | Bild: Cian Hartung

Wie erkläre ich meinem Kind, was passiert ist?

Die Betroffenheit vieler Menschen ist groß: Vor dem Laden, in der Nachbarschaft – und auch unter jungen Leuten. Die Menschen stellen Fragen. Wer war die Frau? Nicht aus Neugier, sondern auf Betroffenheit. Viele waren oft bei der Post, kennen die Frauen, die hier arbeiten. Notfallnachsorgedienst und Pädagogen geben Tipps zum Umgang mit der Bluttat und zur Frage, wie Eltern ihren Kindern erklären können, was passiert ist.

Details über die Flucht im Taxi und die Waffe

Tag für Tag fördern die Ermittler weitere Details zum Tötungsdelikt in dem Schnäppchenmarkt zutage. Die von ihrem Ehemann erschossene 44-Jährige wird obduziert. Der Laden bleibt bis Ende der Woche geschlossen. Am Mittwoch steht das Obduktionsergebnis fest: Die Frau wurde von mehreren Schüssen getroffen, von denen mindestens einer todesursächlich war. Die Polizei geht davon aus, dass der 47-Jährige sich die Pistole, die er am Tatort zurückließ, auf illegalem Wege besorgt hatte. Zudem ist nun klar, dass der Mann sich am Ende selbst stellte: Das Taxi fuhr auf seine Weisung zum Polizeiposten in Pfullendorf.

Muster hinter Stockach und Markdorf

Daten zeigen: Vergleichbare Taten sind in der Region häufiger als man denkt. Profiler Axel Petermann und der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer erklären, wann und welche Männer besonders häufig zu Tätern werden.

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Jetzt spricht die Tochter: „Wir hatten Angst vor meinem Vater“

Luisa F. ist die Tochter der Getöteten. Sie hat eine Spendenaktion gestartet, um die Beisetzung zu finanzieren und ein finanzielles Polster für ihren kleinen Bruder zu schaffen. Sie erzählt auch die Vorgeschichte der Tat: ‚Wir hatten Angst vor ihm‘, sagt sie über ihren Vater. Ein Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Alkohol, Gewalt. Helmar Grupp schreibt in seinem Kommentar deshalb auch: ‚Die Bluttat von Markdorf wirft drängende Fragen auf.‘

Was wusste die Polizei über die Vorgeschichte – und was nicht?

Uwe Stürmer, Präsident des Polizeipräsidiums Ravensburg, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren intensiv mit dem Thema Gewalt gegen Frauen. Aktuell koordiniert er ein bundesweites Forschungsprojekt zu Intimiziden, den Tötungen unter Partnern. Der Fall von Markdorf macht ihn persönlich betroffen, daraus macht er keinen Hehl. Im Präsidium in Ravensburg spricht er mit dem SÜDKURIER über die Tat, deren Hintergründe und Folgen. Und er legt ganz transparent offen, was der Polizei im Vorfeld bekannt war.

Warum mussten die Sanitäter auf die Polizei warten?

Die Retter des Roten Kreuzes waren zuerst am Tatort. Sie mussten warten und der Polizei den Vortritt lassen. Das Vorgehen hat Gründe.

Wie die Polizei Fälle wie in Markdorf verhindern will

Das Verbrechen im Schnäppchenmarkt erschüttert – und wirkt nach. Fälle wie dieser sind die Spitze des Eisbergs von Gewalt gegen Frauen, die verborgen bleibt. Betroffene können sich aber Hilfe holen. Wir erklären auch zentrale Begriffe wie Gefährderansprache, Platzverweis, Rückkehrverbot und Leaking-Verhalten.

Abschied bei öffentlicher Trauerfeier

In Meßkirch, wo sie aufwuchs und ihre Kindheit und Jugend verbrachte, wurde Sebastiana F. am 7. Februar beerdigt. Gut 200 Menschen kamen zur Trauerfeier.