Minutiös ist der Zeitablauf direkt nach den Schüssen im Megamix am Samstag, 21. Januar, inzwischen rekonstruiert. Bei der Polizei ist der Einsatz haargenau protokolliert. Ein 47-Jähriger schoss am Postschalter des Ladens mehrfach auf seine getrennt von ihm lebende Ehefrau. Das muss kurz vor 13 Uhr passiert sein.
Bei der Polizei, sagt Sprecher Oliver Weißflog, sei der erste Notruf um 13.05 eingegangen. Weil der Polizeiposten Markdorf am Wochenende nicht besetzt ist, wurden Streifen aus Friedrichshafen und Überlingen alarmiert. Die trafen um 13.20 Uhr in Markdorf ein, wo sie in der Nähe des Ladens zunächst einen kurzen Stopp einlegten, um sich zu besprechen und um sich Schutzwesten und Schutzausstattung überzuziehen.
Sanitäter erreichen den Tatort – und fahren wieder ab
Ungefähr zur selben Zeit traf auch das erste DRK-Fahrzeug mit Rettungssanitätern am Megamix ein. Dann geschah etwas, was auf Außenstehende befremdlich wirken mag: Zeugen berichteten später, dass der Rettungswagen nach kurzem Stopp wieder abgefahren sei. Kurz darauf traf dann die Polizei ein, direkt danach kehrte der Rettungswagen zurück.
Diese Beobachtungen bestätigt Weißhaupt – und erklärt die Gründe dafür: Es gebe klare Absprachen für die Einsatzfolge der Rettungskräfte, wenn Schusswaffen im Spiel sind und nicht klar sei, um wie viele Täter es sich handele. Das heißt: Auch wenn sie vor der Polizei am Tatort eintreffen, dürfen Sanitäter nicht als erste rein. Eigenschutz geht in diesem Fall vor Fremdschutz.

Geiselnahme, mehrere Täter: Alles denkbar
„Die Lage war als bestätigter Schusswaffeneinsatz hochgefährlich“, sagt Weißflog. Wie im Fernseh-Krimi einfach so hineinstürmen in eine am Ende unkontrollierte Situation, das geht nicht. Der Polizeisprecher weist auf denkbare Szenarien hin, die sich hinter den Türen hätten abspielen könnten: Täter, die die Nerven verlieren, ein Geschehen, das eskaliert, eine Geiselnahme. Alles sei denkbar gewesen.
Um 13.29 betraten die Polizisten dann schwer bewaffnet – deshalb kursierten kurz nach der Tat auch Gerüchte über einen SEK-Einsatz in den sozialen Medien – den Laden. Erst als kurz danach klar war, dass es sich nur um einen Täter handelt und dieser bereits geflohen war, habe man den Sanitätern den Zutritt in die Räume freigeben können. „Dies geht erst dann, wenn die Polizei die Lage als sicher einstufen kann“, sagt Weißflog. Risiken für die Retter dürfen nicht eingegangen werden, unabhängig davon, wie es am Tatort aussieht.

Das Geschäft betraten fünf Minuten nach der Polizei, um 13.34 Uhr, dann auch die Sanitäter. Im Nachhinein weiß man: Selbst wenn sie bereits bei ihrem ersten Eintreffen zu der schwer verletzten Frau geeilt wären, sie hätten nicht mehr helfen können. „Dem vorläufigen Obduktionsergebnis zufolge wäre die Frau selbst dann nicht mehr zu retten gewesen, wenn sie unmittelbar nach den Schüssen eine medizinische Maximalversorgung erhalten hätte“, sagt Weißflog. Einer der Schüsse sei innerhalb kürzester Zeit tödlich gewesen.
Notfallnachsorger besprechen Einsätze intensiv nach
Markus Klein, Leiter des DRK-Notfallnachsorgedienstes, traf mit seinem Team gegen 14 Uhr ein, also rund eine halbe Stunde nach den Sanitätern. Er erläutert die Alarmierung aus Sicht des DRK. „Zu unserer Sicherheit und zum Schutz der Rettungskräfte ist dieses Vorgehen unerlässlich“, sagt er. Auch die Notfallnachsorge sei bereits von der Polizei alarmiert worden, direkt nachdem sie das Gebäude freigegeben hatte. „Das erfolgte sehr schnell nach dem Geschehen, als Voralarm“, sagt Klein. Nachdem die Polizei den Megamix für sicher erklärt hatte, hätten er und seine Kollegen auch die Adresse bekommen.

Elf Menschen betreuten Klein und seine drei Kollegen zwischen 14 Uhr und 18 Uhr, darunter Augenzeugen und Angehörige der Frau. Anfangs für eine Stunde noch im einsetzenden Schneetreiben vor dem Laden, dann – geschützt vor Blicken von Passanten und entfernt vom Tatort – in der Mittleren Kaplanei, die die katholische Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte.
Doch auch Notfallbetreuer sind nur Menschen. Wie gehen sie mit dem schrecklichen Geschehen und dem Leid der Betroffenen um? „Am Abend haben wir im Team unseren Einsatz nochmals sehr intensiv nachbesprochen und auch darüber gesprochen, wie es uns selbst geht“, berichtet Klein. An den nächsten Teamabenden werde man den tragischen Samstag in Markdorf weiter aufarbeiten. Denn Klein und seine Kollegen von der DRK-Nachsorge wissen: Es wird nicht ihr letzter Einsatz gewesen sein. Sie werden auch künftig gebraucht werden.