Elf leer stehende Einzelhandelsflächen in der Villinger, acht in der Schwenninger Innenstadt: Wer – Stand Dezember 2024 – in der Doppelstadt einen Laden eröffnen möchte, hat die Qual der Wahl. Zumindest in der Theorie.

Corona beschleunigt den Strukturwandel

Die Praxis sieht oft anders aus. Da stehen Ladenräume leer und Schaufenster verstauben, manche schon seit Jahren. Der Strukturwandel im stationären Einzelhandel war bereits eingeläutet, als die Corona-Pandemie diese Entwicklung noch deutlich beschleunigte.

Und der Onlinehandel boomt weiterhin: Laut Statistischem Bundesamt haben im Jahr 2024 gut 83 Prozent der Bevölkerung zwischen 16 und 74 Jahren etwas im Internet gekauft oder bestellt.

Die ehemalige Deichmann-Filiale in der Niederen Straße steht seit mehr als einem Jahr leer. Der Schuhhändler ist in den Modepark Röther ...
Die ehemalige Deichmann-Filiale in der Niederen Straße steht seit mehr als einem Jahr leer. Der Schuhhändler ist in den Modepark Röther umgezogen. | Bild: Andreas Block

Bundesweit stehen Städte vor der Herausforderung, Innenstädte attraktiv zu halten, den Einzelhandel zu stärken und zu verhindern, dass sich die Einkaufsstraßen von heute in Geisterstraßen von morgen entwickeln.

Eine halbe Stelle mehr für das City-Management

Wie geht das? Thomas Herr und Simone Mader haben da so einige Ideen. Im Sommer ist das City-Management in Villingen-Schwenningen um eine halbe Stelle aufgestockt worden: Die 46-jährige Simone Mader, Inhaberin der Concept Stores Heimathafen, gehört seit August dazu.

„Man darf nicht mit dem Finger aufeinander zeigen.“
Thomas Herr, City-Manager

Die Themen sind komplex, Arbeit gibt es mehr als genug – weshalb die WIR VS GmbH das Team nun erweitert hat. „Das Thema Innenstädte ist Oberbürgermeister Roth ein großes Anliegen“, sagt Thomas Herr.

Simone Mader ist Inhaberin des Villinger Concept Store Heimathafen und mit einer halben Stelle als City-Managerin bei der Stadt angestellt.
Simone Mader ist Inhaberin des Villinger Concept Store Heimathafen und mit einer halben Stelle als City-Managerin bei der Stadt angestellt. | Bild: Göbel, Nathalie

Die City-Manager sehen sich als Schaltstelle zwischen Händlern, Vermietern und potenziellen Mietern, stellen aber klar: „Man darf nicht mit dem Finger aufeinander zeigen oder auf die bösen Kunden schimpfen, die lieber online kaufen.“ Die Herausforderungen in VS seien dieselben wie in anderen Kommunen auch.

Problem 1: Die Quadratmeterpreise

19 Leerstände gibt es im Dezember 2024 in den Innenstädten von Villingen-Schwenningen. Bei vielen liege der Quadratmeterpreis im eher gehobenen Segment – für junge Geschäftsleute, die neu eröffnen wollen, eine gewaltige Hürde. Hinzu komme häufig ein Investitionsstau, sagt Thomas Herr.

Das ehemalige Nudelhaus in der Niederen Straße beherbergte zuletzt einen veganen Imbiss, steht aber auch wieder leer.
Das ehemalige Nudelhaus in der Niederen Straße beherbergte zuletzt einen veganen Imbiss, steht aber auch wieder leer. | Bild: Andreas Block

Beispiel: Die Gebäude sind energetisch nicht auf aktuellem Stand, die Nebenkosten entsprechend hoch. Das können sich zumeist nur Ketten leisten – womit eine Innenstadt immer mehr der anderen gleiche. „Die Frankfurter Zeil besteht praktisch nur noch aus Filialisten“, nennt Simone Mader ein Beispiel.

Ein Lösungsansatz: Pop-up-Stores

VS nimmt auch 2025 noch am Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ teil. Damit hat die Stadt die Möglichkeit, Pop-up-Stores, also Geschäfte auf Zeit, gezielt zu fördern, wie es bereits seit einiger Zeit geschieht.

Die Mietkosten werden zu 75 Prozent aus dem Förderprogramm und zu 25 Prozent von der Stadt bezahlt. Geschäftsideen können so risikolos getestet werden – die Händler auf Zeit bezahlen nur die Nebenkosten.

Läden auf Zeit: „Eine Mega-Chance“

„Eine Mega-Chance für alle, die eine Geschäftsidee ausprobieren wollen“, sagt Simone Mader. So wie aktuell in der Villinger Schaffneigasse, wo Christiane Oldach und Sandra Tröltzsch in einem ehemaligen Schuhgeschäft regionale Kunst und kreative Produkte anbieten.

Pop-up-Store verlängert sein Gastspiel

Ein Konzept, das ankommt: „Gerade erst haben die beiden bis 21. Dezember verlängert“, freut sich Thomas Herr. Die Vorteile der Pop-up-Stores liegen für ihn auf der Hand: Nicht nur, dass neue Geschäftsideen ohne Risiko ausprobiert werden können. Zugleich rücken zuvor verwaiste Flächen wieder in die öffentliche Wahrnehmung.

Problem 2: Die Kundenwünsche haben sich geändert

„Handel muss neu gedacht werden“, sagt Simone Mader, die bei der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg elf Jahre lang als Innenstadtberaterin tätig war. „Einfach einen Laden aufmachen – das reicht nicht mehr.“ Kunden wünschten sich Erlebnisse beim Einkauf, charmante Kulissen und das passendes Ambiente.

Thomas Herr ist seit Sommer 2022 City-Manager in Villingen-Schwenningen und gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann: „Ich bin ein Kind ...
Thomas Herr ist seit Sommer 2022 City-Manager in Villingen-Schwenningen und gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann: „Ich bin ein Kind des Handels.“ | Bild: Göbel, Nathalie

„Leider füllen manche nicht mal ihr Google-Profil aus“, sagt Thomas Herr. Also jene Seite, auf der Händler unter anderem ihre Öffnungszeiten kommunizieren können – etwa, dass immer dienstagnachmittags geschlossen ist. Für Kunden eine wertvolle Information, denn wer steht schon gerne vor verschlossenen Türen?

Auch Kernöffnungszeiten in den Innenstädten seien immer wieder Thema, sagt Herr. Gleichwohl ist den City-Managern klar, dass dies nur schwer umzusetzen ist – Stichwort Fachkräftemangel.

Ein Lösungsansatz: Social Media und Internet für alle

„Es muss nicht jeder einen Onlineshop betreiben, aber jeder sollte online sichtbar sein“, sagt Simone Mader. Also beispielsweise den Google-Eintrag oder eine eigene Webseite pflegen, sich in Social Media engagieren.

Nach dem Tod des Inhabers Werner Hauck im Herbst 2018 wurde das alteingesessene Bekleidungsgeschäft in der Oberen Straße im Frühjahr ...
Nach dem Tod des Inhabers Werner Hauck im Herbst 2018 wurde das alteingesessene Bekleidungsgeschäft in der Oberen Straße im Frühjahr 2019 geräumt. Seitdem ist hier dicht. | Bild: Andreas Block

Hier setzen die City-Manager auf ganz pragmatische Unterstützung, beispielsweise in Gestalt kostenloser Schulungen: Was braucht ein guter Google-Eintrag? Wie kann ein kleines Fachgeschäft bei Instagram aktiv werden? Wie kann Künstliche Intelligenz dabei helfen?

Problem 3: „Warum macht die Stadt nichts?“

Leerstände, von denen manche schon mehrere Jahre nicht mehr genutzt werden, zu wenig Abwechslung – und die Frage „Warum macht die Stadt da nichts?“ Äußerungen wie diese kennen die City-Manager gut.

Lösungsansatz: Alle gestalten die Innenstadt mit

Aber: „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen“, sagt Simone Mader. „Deshalb sagen wir auch immer: Innenstadt geht nur gemeinsam.“ Auf vieles habe man keinen Einfluss, etwa auf komplizierte Eigentumsverhältnisse bei Immobilien, die eine Vermietung erschweren.

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Wohl aber könne man die Rahmenbedingungen gestalten. 2025 Jahr soll beispielsweise die datenbasierte Plattform „LeAn“ (“Leerstand und Ansiedlung“) für VS an den Start gehen, die explizit keine Konkurrenz zu Immobilienmaklern sein soll.

Auch Bürger dürfen Ideen einbringen

Außerdem ist ein Programm für Start-ups in beiden Innenstädten geplant, bei dem Gründer ein vielseitige Unterstützung in Anspruch nehmen können. Den Wandel begleiten könnten letztlich alle. Auch Bürger seien mit Ideen zur Innenstadt jederzeit willkommen, sagt Simone Mader. „Wir wollen nicht die Probleme diskutieren, sondern sie definieren und dann nach Lösungen suchen.“