
Das Bürger-Interesse an den Schicksalen jüdischer Familien, die in Villingen durch die Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben und ermordet wurden, lässt nicht nach. Auch bei der fünften Gedenkveranstaltung des SÜDKURIER und dem Verein Pro Stolpersteine kamen erneut viele Interessierte, um den Vorträgen an dem Ort zu lauschen, wo die jüdischen Mitbürger einst noch freiwillig gelebt hatten.
Am Dienstag fand das Gedenktreffen unter freiem Himmel vor dem Haus in der Herdstraße 18 statt, erstmals an einem Ort, der nicht zentral in der Innenstadt gelegen ist. Umso erfreulicher war es, dass rund 40 Menschen die weitere Anreise nicht gescheut hatten, um sich an die Familie Haberer zu erinnern.

Erich Bammert war einer der Besucher. Auf die Frage, warum er sich für das Thema interessiert und sich die Vorträge anhört, sagt er, dass er das Vorhaben, Stolpersteine zu verlegen unterstütze. Auch dafür will er mit seiner Teilnahme Flagge zeigen. Die seit Jahren andauernde Diskussion kann er nicht verstehen. Er bezeichnet es als ein Versagen der Gemeinderäte, dass Stolpersteine bereits zwei Mal vom Gremium abgelehnt wurden.

Er wünscht sich daher, dass der Rat am kommenden Mittwoch eine eindeutige Stellungnahme für die Gedenksteine abgeben wird. Das Thema steht dann zum dritten Mal zur Abstimmung. Den überfraktionellen Antrag für diesen erneuten Anlauf hatten 23 Stadträte von den Grünen, SPD, FDP, CDU und den Freien Wählern im November 2019 eingebracht.
Nach einem Flötenvorspiel von Musiker Hans Haller wurden von Christa Lörcher, Gabriele Lee-Engelke, Theo Leute und Heinrich Schidelko die Biografien von Berthold, Georgine und Josef Haberer sowie von Pflegekind Bella Kohn verlesen.
Die Anwesenden erfuhren, welch schreckliches Leid die Mitglieder der Familie in ihrer Heimatstadt erleiden mussten. Elf Jahre lang hatten sie in der Mietwohnung gelebt, ehe sie aufgrund ihrer Abstammung und ihrer Religion von den Nazis systematisch aus der Gesellschaft, zu der sie sich zuvor zugehörig gefühlt hatten, ausgegrenzt wurden, was in der Vertreibung und Ermordung endete.
Es ist kaum vorstellbar, dass Eltern aus Angst ihr 9-jähriges Kind in ein fremdes Land bringen lassen, nur damit es eine Überlebenschance hat, wohl wissend, dass sie es vielleicht nie wieder sehen.

Für Josef Haberer bedeutete diese schwere Entscheidung seiner Eltern die Rettung. Auch Pflegekind Bella Kohn hat den Holocaust, wie durch ein Wunder, überlebt. Ihre Mutter hatte sie in großer Not zur Familie Haberer gegeben. Im Alter von sechs Monaten wurde sie mit ihren Pflegeeltern in das Lager nach Gurs verschleppt, wo eine engagierte Frau ihr das Leben rettete.
