Ermittler sprachen von der Operation „Wood“. Denn der Wald bei Maria Tann soll bei der Übergabe von Drogen an Kleindealer immer wieder eine Rolle gespielt haben. Die Polizei hatte zwei der Händler im Visier, ließ diese beobachten und deren Telefone überwachen, und stieß so auf einen der dickeren Fische bei diesen Geschäften: einen 23 Jahre alten Mann, der im Haus seiner Freundin in Villingen-Schwenningen 374 Gramm eines Kokaingemischs gelagert hatte (rund 11 800 Konsumeinheiten), die beschlagnahmt wurden. Er operierte unter verschiedenen Identitäten. In der Szene war der Zwischenhändler unter dem Decknamen „Bambino“ bekannt. Er wurde jetzt am Landgericht Konstanz wegen zweimaligen Drogenhandels und bewusster Falschaussage zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er kann Revision einlegen.
Nie offen über Geschäfte gesprochen
Ein Polizeibeamter sagte im Zeugenstand, die Indizien deuteten stark darauf hin, dass der 23-Jährige einem überregional operierenden Kreis organisierter Täter im Drogenhandel zuzurechnen sei. Der Mann habe Pläne für den Wechsel nach Gelsenkirchen gehabt und sei professionell-konspirativ vorgegangen. Er habe ein gesondertes Handy gehabt, auf dem er nie Privatgespräche geführt habe. Anders als die beiden Kleindealer, denen inzwischen auch der Prozess gemacht wurde, habe er außerdem nie offen über Drogengeschäfte gesprochen. Tatsächlich nachweisen ließen sich nach Auffassung der Strafkammer beim Landgericht Konstanz im aktuellen Prozess aber nur die 374 Gramm Kokain, der zweimalige Handel mit nicht geringen Mengen (0,8 und zehn Gramm hochwirksames Kokain) sowie eine bewusste Falschaussage.
Wo war er zum Tatzeitpunkt?
Knackpunkt im Verfahren war die Frage, ob der 23-Jährige für drei weitere Fälle des Drogenhandels, jeweils 50 Gramm zum Verkaufspreis von 2500 Euro, verantwortlich gemacht werden kann. Der Beschuldigte stritt dies ab. Er sei im fraglichen Zeitraum nicht in Deutschland gewesen. Tatsächlich war der Mann Ende April 2019 abgeschoben worden. Eine Wiedereinreise unter neuem Namen, den der Mann, wie er selbst vor Gericht einräumte, durch eine Scheinehe erworbenen hatte, ist erst für Ende Juni 2019 dokumentiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der 23-Jährige im Mai 2019 tatsächlich in Albanien aufhielt, wurde im Prozess durch Erkenntnisse albanischer Ermittler gestützt: Diese haben den 23-Jährigen wegen des Vorwurfs der versuchten Tötung im Visier. Er soll am 10. Mai 2019 in einer Bar in Albanien um sich geschossen haben.
Ein Zeuge allerdings, ein drogensüchtiger Dealer, dem auch schon der Prozess gemacht wurde, hatte behauptet, der 23-Jährige sei schon kurz nach seiner Abschiebung wieder in Deutschland gewesen. Der Zeuge zeigte bei der Befragung jedoch große Schwierigkeiten mit zeitlichen Einordnungen. Auch gab es immer wieder Abweichungen zu seinen Angaben bei der Polizei. Der Zeuge führte seine Unsicherheiten auf seinen damaligen Drogenrausch zurück. Damals habe der junge Mann sogar in Arbeitspausen weite Wege mit dem Taxi auf sich genommen, um Kokain zu sich nehmen zu können, sagte ein Polizist über den Zeugen.
Freundin wollte auch nach Albanien
Die deutsche Freundin des 23-Jährigen, die inzwischen von ihm schwanger ist, sagte vor Gericht aus, sie habe in der Zeit nach der Abschiebung bis zur dokumentierten Wiedereinreise mit ihrem Freund täglich intensiven Kontakt per Chat, Telefon und Videochat gehabt und an Videos und Fotos gesehen, dass dieser sich in Albanien aufgehalten habe. Über die Details des Austauschs mit dem Freund konnte sie vor Gericht keine Auskunft geben. Sie habe ihm nach Albanien nachfolgen wollen und deshalb nachweislich einen Reisepass beantragt. Die Freundin räumte auf Nachfragen ein, über den Verteidiger erfahren zu haben, in welchem Zeitraum ihrem Freund Taten vorgeworfen werden.
Nicht restlos überzeugt
Der Vorsitzende Richter Marc Gerster sagte bei der Urteilsbegründung über die drei fraglichen Fälle: „Eine zur Verurteilung ausreichende Gewissheit kann nicht erreicht werden.“ Die Kammer sei nicht restlos überzeugt von den Angaben des Belastungszeugen, allerdings auch nicht von den Ausführungen der Entlastungszeugin. In einem der drei fraglichen Fälle habe sich der Mann zwar sicher in Deutschland aufgehalten, dafür gebe es Bilder als Beweis. Über das Drogen-Geschäft berichte aber allein der Zeuge, an dessen Zuverlässigkeit Zweifel bestünden. Andere Anhaltspunkte für konkret dieses Handelsgeschäft gebe es nicht. Auch der Staatsanwalt hatte nicht alle angeklagten Taten als bewiesen angesehen. Er hatte vier Jahre und drei Monate Haft gefordert, der Verteidiger drei Jahre Haft.