Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen großen Teil dazu beitragen, dass Integration Schritt für Schritt gelingt. Alltägliches, das für die meisten Menschen in Deutschland selbstverständlich ist, kennt man in anderen Teilen der Welt nicht unbedingt.
Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel
„Mülltrennung ist so ein Beispiel“, sagt Nurul Aini: Was gehört in den Gelben Sack? Was darf in den Restmüll? „Es sind viele kleine Dinge, die man wissen muss, Probleme, um die man sich kümmern muss.“
Nurul Aini kümmert sich: Die 43-jährige Ärztin und Unternehmerin leitet das Projekt „Indonesische Auszubildende für Schwarzwald-Baar-Heuberg“, eine gemeinsame Initiative der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar und der Fachkräfteallianz Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Die Initiative hat unter anderem dafür gesorgt, dass vier junge Menschen aus Indonesien in der Metzgerei Haller eine Ausbildung absolvieren können. Aber auch in die Gastronomie und in die Industrie wurden bereits junge Leute aus dem asiatischen Inselstaat vermittelt. Weitere werden in den nächsten Wochen erwartet.

Warum eigentlich Indonesien? Die Erklärung ist relativ einfach: „Junge Menschen aus Indonesien fragen: In welchem Bereich werden Leute gesucht? Und dort machen sie ihre Ausbildung“, sagt Henriette Stanley, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Diese Flexibilität, gepaart mit Motivation und Freundlichkeit, macht sie zu begehrten Arbeitskräften – das Team in der Metzgerei Haller hat die vier Azubis schnell ins Herz geschlossen.
Studenten-Projekt wird ausgeweitet
Dass die jungen Menschen dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzumildern, war ein glücklicher Zufall: „Eigentlich saß Nurul bei mir in einer Gründungsberatung“, sagt Wirtschaftsförderin Henriette Stanley.
Nurul Aini, ausgebildete Fachärztin für Allgemeinmedizin, vermittelt schon seit mehr als 15 Jahren Studierende aus Indonesien für Auslandssemester. Nurul Aini selbst lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen seit 2019 im Schwenningen.
Schulen müssen Deutschunterricht anbieten
In Indonesien arbeitet ihre Firma für die Vermittlung von Studierenden auch mit vielen Schulen zusammen. Diese müssen sich dazu verpflichten, ab der zehnten bis zum Abschluss nach der zwölften Klasse Deutschunterricht anzubieten. So ist gewährleistet, dass die jungen Menschen nicht ohne jegliche Sprachkenntnisse hier ankommen.
„Wir haben zu viele junge Menschen und zu wenig Arbeit.“Nurul Aini, Ärztin und Unternehmerin
Dieses Projekt wollte Nurul Aini auch in Deutschland aufbauen – daher die Gründungsberatung, wo wiederum die Idee aufkam, künftig auch Azubis zu vermitteln.
„Wir haben zu viele junge Menschen und zu wenig Arbeit“, beschreibt Nurul Aini die Situation in Indonesien. Elf Millionen junge Menschen sind in ihrer Heimat arbeitslos. 2022 lag die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen bei 13 Prozent. In Deutschland lag sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 bei 4,4 Prozent.
So entstand aus der Gründungsberatung die Idee, die Gewinnung junger Indonesier als Azubis als Projekt bei der Fachkräfteallianz und der regionalen Wirtschaftsförderung anzusiedeln. Seit März 2023 ist Nurul Aini Projektleiterin.
Partner tragen zum Gelingen bei
Alleine stemmen Wifög und Fachkräfteallianz das Projekt nicht: Als Partner sind unter anderem die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg, die Handwerkskammer Konstanz und die Bundesagentur für Arbeit mit im Boot. Sie haben Zugang zu Fördermitteln, die wiederum zum langfristigen Gelingen des Projekts beitragen.
Mehr Akteure, mehr Unterstützung
Denn: „Man muss sich gut um die jungen Menschen kümmern“, sagt Henriette Stanley. Es sei nicht damit getan, sie nach dem Motto „So, jetzt mach mal“ in einen Betrieb zu schicken und zu hoffen, dass schon alles gut gehe.
Durch das Projekt erfahren die jungen Menschen vielfältige Unterstützung – sei es bei Gesprächen mit der Bank, mit Vermietern oder auch bei der Vermittlung von Sprachkursen. Letztlich seien es viele kleinteilige Schritte, die darüber entscheiden, ob Integration gelinge.
Wenn die Visumserteilung zur Geduldsprobe wird
Auch bei bürokratischen Hürden helfen die Projektpartner nach Möglichkeit. Visa sind so ein Thema. Bis sie erteilt sind, dauert es. „Von zwei Tagen bis vier Monaten war schon alles dabei“, sagt Henriette Stanley. Das mache es natürlich schwierig, den Betrieben feste Zusagen zu machen, wann sie mit den Azubis rechnen können.
Persönlicher Kontakt statt Mails und Anrufe
Daher setzen sie auf persönlichen Kontakt. So war bereits eine Delegation indonesischer Schulleiter und Politiker im Schwarzwald-Baar-Kreis zu Gast, besuchte Berufsschulen, Labore und Werkstätten. Vor Kurzem waren Nurul Aini und Henriette Stanley im indonesischen Konsulat in Frankfurt am Main zu Gast, im August geht es nach Indonesien. „Solche Themen lassen sich nicht klären, wenn die Leute einen nicht persönlich kennen“, sagt die Wirtschaftsförderin.
Ihr ist es wichtig, den jungen Arbeitskräften den Start so gut wie möglich zu gestalten. „Man muss sich vor Augen, halten: Wenn sie hierher kommen, ist das für so junge Menschen kein einfacher Schritt.“
Deshalb lege man auch größten Wert darauf, dass die Auszubildenden in den Betrieben gut aufgenommen und gefördert werden. „Wir sind Aushängeschild, die jungen Menschen sollen ja auch weitertragen, dass es ihnen hier gut geht.“