Ihr Warnruf ist nicht zu überhören: Im Namen von bis zu zehn mobilitätseingeschränkten Mietern in der Harzerstraße 10 meldet sich Norbert Krayl bei der Presse. Die zwei Aufzüge seien seit drei Wochen defekt.

Damit sind die Bewohner, die gehbehindert sind, an das Haus im Schwenninger Stadtzentrum gefesselt. Außerdem befürchtet er bei einem Notfall das Schlimmste.

Ohne Rollator geht nichts

Krayl selbst ist 67 Jahre alt, nach zwei Herzinfarkten schwer krank, zudem kämpft er mit einer chronischen Verengung der Atemwege. Er ist auf Gehstützen und den Rollator angewiesen, sollte sich auch in Maßen bewegen.

Das ist einer der defekten Aufzüge in der Harzerstraße 10.
Das ist einer der defekten Aufzüge in der Harzerstraße 10. | Bild: Hauser, Gerhard

Früher, als die Aufzüge noch funktionierten, konnte er eine kleine Runde im Hof oder der nahegelegenen Innenstadt drehen. Doch das geht nicht mehr, denn Treppensteigen kann er nicht oder nur sehr schwer.

Damit ist er nicht allein. Er schätzt, dass in dem Gebäude zwischen sieben und zehn Mieter leben, die jetzt – wie Krayl selbst – sich wie in einem Gefängnis fühlen. „Unsere Freiheit endet am Fenster“, klagt er an, das sei menschenunwürdig.

Was passiert bei einem Notfall?

Gar nicht daran denken, will er, wenn es zu einem Notfall in dem Haus kommt. „Was machen die Mieter, die nicht gut zu Fuß sind?“, fragt er rhetorisch.

Gehbehinderte Mieter können das Gebäude kaum noch oder nur schwer verlassen. Sie sind auf fremde Hilfe angewiesen.
Gehbehinderte Mieter können das Gebäude kaum noch oder nur schwer verlassen. Sie sind auf fremde Hilfe angewiesen. | Bild: Hauser, Gerhard

Krayl ist sich sicher, dass er im Fall des Falles nicht zügig genug aus dem Gebäude komme. Schon jetzt müht er sich die Stufen mit den Stützen hinauf und hinab, falls er zum Arzt muss. Er keucht, seine Lunge rasselt. Das sei eine Tortur und danach sei er „fix und fertig“. Immer hat er Angst, dass er stürzt. Dann „ist ohnehin alles aus“. Ohne fremde Hilfe könnte er schon jetzt in dem Haus gar nicht leben.

Für gesunde Menschen kein Problem. Doch wer nicht mehr gut zu Fuß ist, für den können die Treppen zu einem schwer überwindbaren ...
Für gesunde Menschen kein Problem. Doch wer nicht mehr gut zu Fuß ist, für den können die Treppen zu einem schwer überwindbaren Hindernis werden. | Bild: Hauser, Gerhard

Dabei müsste die Hausverwaltung aus Krayls Sicht schnell Abhilfe schaffen, indem sie die Aufzüge reparieren lässt. Doch das tue sie nicht, schimpft er.

Das wiederum relativiert Hausverwalter Georg Budig. Die Reparaturen seien bereits beauftragt, doch die Ersatzteilbeschaffung ziehe sich wegen langer Lieferzeiten hin. Doch dieses Problem sei auch aus anderen Branchen bekannt.

Schäden durch Vandalismus

Budig geht im Fall der Harzerstraße von Vandalismus aus, der entweder von den Bewohnern selbst oder deren Freunden oder Bekannten begangen wurde.

Mit „brachialer Gewalt“ sei der Aufzug traktiert worden. Nicht zum ersten Mal. In der Vergangenheit konnte der Hausmeister kleinere Schäden selbst reparieren, nun sind die Zerstörungen aber zu massiv.

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Der Hausverwalter schätzt die Kosten zwischen 10.000 und 20.000 Euro, die hoffentlich über die Versicherung abgedeckt würden. Anzeige bei der Polizei sei erstattet, aber er geht davon aus, dass die Ermittlungen eingestellt werden.

Haus ein „Bermuda-Dreieck“

Für den Hausverwalter sind die Zerstörungen nicht nachvollziehbar, denn letztendlich schaden sich die Bewohner selbst.

Doch von den 150 Objekten der Hausverwaltung gehöre dieser Bereich mit 82 Wohnungen zu einem der schwierigeren. „Ein Bermuda-Dreieck“, formuliert es Budig.

Krayl selbst meint, dass sich auch mancher von Außen in das Haus schleiche, der nichts mit den Bewohnern zu tun habe.

Mietminderung möglich

Doch wie sollen jetzt die Bewohner reagieren? Die Betroffenen selbst hätten die Möglichkeit, nach Kontaktaufnahme mit der Hausverwaltung ihre Miete zu mindern. Außerdem stehe ihnen eine Mängelbeseitigungsklage offen, wie Axel Rieger, Geschäftsstellenleiter des Mieterbunds VS, feststellt. Ansonsten bleibe ihnen derzeit nichts anderes übrig, als zu warten. Möglicherweise könne ja ein Aufzug vorrangig repariert werden.

Krayl wohnt seit 16 Jahren in dem Haus. Seine Wohnung gehört einem Schweizer, den er aber nur auf dem Briefweg erreichen kann. Der 67-Jährige weiß zwar, dass eine barrierefreie Wohnung für ihn besser wäre, aber die müsste er erst einmal finden. Jetzt hofft er, dass sein Hilferuf gehört wird und sich die Schäden schnell beheben lassen.