Als „gezwungenen Wahl-Stockacher“ bezeichnet sich Karl Rudigier selbst gerne mit einem Augenzwinkern. Trotzdem kann man ihn wohl mit Fug und Recht als Stockacher Original bezeichnen. Immerhin hat er den größten Teil seines Lebens in der Hans-Kuony-Stadt verbracht und das soziale und gesellschaftliche Leben durch sein berufliches wie auch ehrenamtliches Engagement und sein künstlerisches Schaffen mitgeprägt.

Wo liegt Stockach überhaupt?

Am Sonntag kann Rudigier seinen 90. Geburtstag feiern. Die Freude darüber ist ihm im Gespräch mit dem SÜDKURIER deutlich anzumerken. 1956 kam er nach seiner praktischen Forstausbildung und dem Studium an der Fachhochschule für Forstwirtschaft nach Stockach zum Staatlichen Forstamt. Gefragt wurde er damals nicht, sondern einfach auf die vakante Stelle versetzt.

Mit einem verschmitzten Grinsen gesteht Rudigier, dass er damals erst einmal eine Landkarte zur Hand nehmen musste, um nachzuschauen, wo Stockach denn überhaupt liege. „Trotzdem habe ich mich hier so schnell heimisch und glücklich gefühlt, dass ich am Ende 38 Jahre lang, bis zum Eintritt in den Ruhestand, beim Staatlichen Forstamt geblieben bin“, erzählt Rudigier.

Viele Vorgesetzte sah er kommen und gehen, engagierte sich in seiner Dienstzeit besonders für die Ausbildung von Forstanwärter für den gehobenen Dienst, die Öffentlichkeitsarbeit und die Personalvertretung. Bis heute werde er manchmal noch angerufen, wenn seine Kenntnisse über den Wald um Stockach herum gefragt sind, und das, obwohl er schon seit über 25 Jahren im Ruhestand ist.

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Mit spitzer Feder unterwegs

„Ruhig war er aber nie. Er war immer aktiv und einsatzbereit wo er gebraucht und gefragt wurde“, sagt Ehefrau Anneliese und sie muss es wissen, denn die beiden sind bereits seit 65 Jahren verheiratet. Von 1970 bis 1995 war Rudigier zum Beispiel noch neben seinem Hauptberuf im Forstamt als freier Mitarbeiter für den SÜDKURIER unterwegs und berichtete über das Geschehen in und um Stockach.

Unvergessen sind zudem die Karikaturen zum aktuellen Zeitgeschehen in der Stadt aus den Jahren 1998 bis 2009, die Rudigier für die Zeitung anfertigte. Einige von ihnen sind heute noch aktuell. Die Kunst hat es dem 90-Jährigen ohnehin angetan. Zahlreiche Aquarelle entstanden in den vielen Jahren seines künstlerischen Schaffens, darunter Naturmotive aber auch viele Stadtansichten.

Eine Karikatur aus der Feder von Karl Rudigier, die Anfang 2002 zur Einbahnstraßenregelung in der Oberstadt entstand.
Eine Karikatur aus der Feder von Karl Rudigier, die Anfang 2002 zur Einbahnstraßenregelung in der Oberstadt entstand. | Bild: Karl Rudigier

Hintergründe für berühmte Persönlichkeiten

Gleich mehrere Titelblätter durfte Rudigier für das Narrenbuch des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken gestalten. Daneben hat er Bühnenbilder für die Adler-Post und die Jahnhalle gemalt. Bühnenbilder unter denen an Fasnacht viele berühmte Beklagte saßen.

„Karl Rudigier ist ein treuer Freund des Stockacher Narrengericht und Stammgast auf der Dreikönigssitzung sowie dem Empfang am Schmotzigen Dunschtig. Er hat mehrfach das Titelblatt des Narrengerichts mit seinem unverwechselbaren künstlerischen Stil gestaltet. Zudem hat er weitere närrische Motive als Dekoration oder Kulissen für die Narretei gestaltet“, so Narrenrichter Jürgen Koterzyna.

Glückwünsche zum 90. kommen vor diesem Hintergrund nicht nur von den Stockacher Narren, auch ein Vertreter von Bürgermeister Rainer Stolz hat sich bereits als Gratulant angemeldet.

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„Ich bin ein Naturbursche durch und durch, schon von meinem Beruf her“, sagt Rudigier mit einem Lächeln. Da verwundert es wenig, dass er einst zu den Gründungsmitgliedern des Stockacher Schwarzwaldvereins gehörte, wo er auch viele Jahre als Wanderführer tätig war.

„Er ist sehr diszipliniert“

Hinzu kamen Mitgliedschaften in der Ski-Zunft, dem Alpenverein, sein Engagement als Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat sowie Lektor in der katholischen Pfarrgemeinde. Es ist dieses ehrenamtliche Engagement, das ihn auch ins hohe Alter hinein so fit, zufrieden und glücklich gehalten hat, davon ist er überzeugt. „Ich war immer in Schwung“, sagt er. Und Ehefrau Anneliese fügt hinzu: „Er ist sehr diszipliniert. Macht jeden Tag seine Übungen und nachmittags geht er eine Runde durch den Wald.“

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Und dann wird das Gespräch mit dem so fröhlichen Menschen plötzlich ernst: „Die Situation in der Ukraine belastet mich sehr stark“, sagt der Mann, der 1932 in Laufenburg am Hochrhein geboren wurde und den Zweiten Weltkrieg als Kind noch am eigenen Leib zu spüren bekam. „Es war alles friedlich und jetzt muss dieser Krieg kommen. Das ist für mich sehr belastend.“

Viele Schicksalsschläge

Doch trotz dieser aktuellen Sorgen und der vielen Schicksalsschläge, die Rudiegier etwa durch den Tod einer seiner drei Töchter und das tödliche Unglück des einzigen Enkels erlebte, zeigt er sich zu seinem 90er insgesamt zufrieden. „Ich bin sehr glücklich und zufrieden, auch was meine Gesundheit angeht“, sagt Rudigier.

Sein größter Wunsch mit 90 Jahren: „Gesundheit, dass es kein Corona mehr gibt und dass meine Anneliese noch lange gut durchhält“, sagt er ganz bescheiden.