Herr Trah, Sie sind jetzt seit rund einem Jahr Vorstandsvorsitzender von Singen aktiv. Was sind rückblickend Ihre Eindrücke von Ihrem ersten Jahr?
Trah: Zuerst einmal hat mich die Vielfalt der Aufgaben beeindruckt. Industrie, Handel, Handwerk, das Fachkräfte-Thema, auch das Feld der Ausbildung und der Weg zur Klimaneutralität der Unternehmen, im speziellen das Thema Dekarbonisierung. Und bei allem habe ich den Eindruck gewonnen, dass wir etwas bewegen können. Es hat mich positiv überrascht, wie vertrauensvoll die Zusammenarbeit mit den Unternehmen und der Stadt ist. Die Unternehmen kommen mit aktuellen Themen und Fragen auf uns zu und wir suchen gemeinsam nach Lösungsansätzen. Eine gute Voraussetzung ist natürlich die Nähe und gute Vernetzung mit der Stadtverwaltung.
Frau Kessler-Franzen, als Geschäftsführerin sind Sie seit der Gründung von Singen aktiv an der Entwicklung von Singen beteiligt. Wo sehen Sie die Stärken von Singen als Wirtschaftsstandort?
Kessler-Franzen: Da gibt es vieles, was ich anführen könnte. Singen ist eine Stadt der kurzen Wege. Ob Handwerk, Handel, Gastronomie, Ärzte oder Dienstleister. Vieles liegt nah beieinander. Singen hat 198.000 Quadratmeter Handelsfläche, davon ein Drittel in der Innenstadt. Für mich ganz entscheidend ist aber auch, dass Singen eine arbeitende Stadt ist, in der auch Geld erwirtschaftet und verdient wird. Hier spielt die Industrie eine ganz große Rolle. Dann natürlich die geografische Lage mit der guten Anbindung an die Autobahn und die Bahnlinie. Das gibt Singen einen wichtigen Standortvorteil. Nicht zuletzt auch die Nähe zur Schweiz.
Apropos Schweiz, jüngste Kaufkrafterhebungen haben gezeigt, dass der Kaufkraftindex von Singen bei 200 liegt. Das heißt, in Singen gibt es doppelt so viel Kaufkraft wie die eigenen Bewohner zur Verfügung haben. Da spielen die Schweizer Käufer sicher auch eine Rolle.
Kessler-Franzen: Wir in Singen sind weit weniger von der Schweiz abhängig als andere Städte im Grenzgebiet. Das Geschäft mit den Kunden aus der Schweiz ist für uns „on top“ und von großer Bedeutung. Sehr wichtig für Singen ist zudem die zentrale Lage und das Einpendeln in die Einkaufsstadt aus dem Umland, nicht nur aus dem Hegau, sondern je nach Branche auch weit darüber hinaus.
Gerd Springe hat viele Jahre den Standortmarketingverein geformt? Wie soll seine Arbeit fortgeführt werden und wo liegen die Schwerpunkte der Zukunft?
Trah: Das lässt sich angesichts der Fülle der Aufgaben nur schwer beantworten. Es wurde ja bereits in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet. Deshalb nur ein Beispiel: Die Innenstadt muss kontinuierlich zu einem „Treffpunkt Innenstadt“ weiterentwickelt werden, indem die Verweilqualität stetig ausgebaut wird. Dazu gehört auch, dass die Gastronomie sich noch mehr als Community sieht, nicht als Wettbewerber, sondern sich im Sinne der Vielfalt ergänzt.
Kessler-Franzen: Ein gutes Beispiel hierfür ist das neue Brauhaus, das im Heikorn-Gebäude entsteht. Hier haben wir, in diesem Fall die Wirtschaftsförderung, genau hingesehen, was es noch nicht gibt und wie wir das Angebotsspektrum ergänzen können. Dazu haben wir dann auch aktiv den Kontakt zwischen den Partnern hergestellt, was letztlich zu einem neuen Erlebnisort in der Stadt führt.
Als Singen aktiv Standortmarketing sind Sie aber nicht nur für den Handel zuständig
Kessler-Franzen: Nein, wir sind für alle Branchen und für die Entwicklung des Standorts Singen engagiert. So unterstützen wir auch die Weiterentwicklung des Gesundheitsstandorts und Dienstleistungsstandorts.
Trah: Ganz konkret sind für die Industrie auch die Themen Fachkräfte und Energie wichtig. Hier unterstützen wir dabei, die Kräfte zu bündeln und als Interessensvertretung zu agieren. Zudem gibt es in Singen rund 600 Handwerksbetriebe, wovon 100 ausbilden und damit eine wichtige Rolle für die Zukunft und die Fachkräftesicherung übernehmen.
Wie erkennen Sie die verschiedenen Bedürfnisse der Unternehmen?
Trah: Wir sind gut vernetzt und fördern auch die Vernetzung der Unternehmen untereinander. Die Themen entstehen oft aus persönlichen Gesprächen mit unseren Mitgliedern. Manche Themen stoßen wir an, die dann auf Arbeitsebene von den Unternehmen ausgearbeitet werden. Dazu veranstalten wir Informationsveranstaltungen, wie zum Beispiel zur Cyberkriminalität, zur Energiepreisbremse, zum mobilen Arbeiten oder zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Kessler-Franzen: Manche Themen ergeben sich auch ungeplant, wie zum Beispiel die Corona-Maßnahmen. Hier haben wir über lange Zeit alle Mitgliedsunternehmen umfassend informiert und so eine aktive Hilfestellung in dieser schwierigen Zeit geleistet.
Wo sehen Sie bereits jetzt Themen für die Zukunft?
Kessler-Franzen: Mit dem Schülerforschungszentrum und dem Reallabor der HTWG Konstanz haben wir dazu bereits konkrete Schritte unternommen. Beim Reallabor sind die Schwerpunkte Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung, Werkstoffe und Mobilität. Gerade in Hinblick auf die notwendige Klimaneutralität sind dies ganz entscheidende Aspekte für die Zukunft, die wir immer als Chance sehen. Wenn es um Qualität und Innovation geht, ist der Faktor Mensch wettbewerbsentscheidend. Auch für den Standort Singen.
Trah: Wichtig ist es auch in der Zukunft, den Transfer von Forschung und Lehre in die Wirtschaft zu fördern. Durch eine aktive Zusammenarbeit profitieren sowohl die Wissenschaftseinrichtungen als auch die Wirtschaftsunternehmen. Wir können aber immer nur begleitend und unterstützend helfen, jedes Unternehmen, ob groß oder klein, muss selbst aktiv werden. Loslegen und machen ist allemal besser, als sich einzuigeln.
Als Vorstandsvorsitzender arbeiten Sie ehrenamtlich. Wenn Sie von den verschiedenen Aufgaben berichten, ergibt sich ein gewaltiges Arbeitspensum.
Trah: Es ist natürlich so, dass das nur zusammen mit dem professionellen Team von Singen aktiv geht, das sehr gut vernetzt ist. Denken Sie an den Tag des offenen Handwerks. Hier ziehen das Handwerk, die Schulen und die Stadt an einem Strang. Das Team von Singen aktiv um Claudia Kessler-Franzen bringt die beteiligten Partner zusammen, hat alle Abläufe im Blick und kümmert sich intensiv um die reibungslose Durchführung.