Unter lang anhaltendem Beifall führten die Kulissenschieber zu Silvester im ausverkauften Saal des Milchwerks die Gesellschaftssatire „Frau Müller muss weg“ auf. In der spritzig-grotesken Komödie aus der Feder von Lutz Hübner und Sarah Nemitz erklären Eltern einer Lehrerin den Krieg. Unter der Regie von Michael Bengeser blühte das Ensemble bei der turbulenten Inszenierung mit ihrem rasantem verbalen Schlagabtausch förmlich auf – bis die perfekten Familienfassaden fallen und eine überraschende Wendung der Handlung der anderen folgte. Das sehenswerte Theaterstück kommt am Mittwoch, 4. Januar, im Milchwerk erneut auf die Bühne des kleinen Saals, ehe es dann nach Rielasingen-Arlen, Moos und Bodman-Ludwigshafen weiterzieht.

„Frau Müller muss weg“

Das Übergangszeugnis steht ins Haus. Und mit ihm auch die Entscheidung, ob das Kind auf eine weiterführende Schule darf. Wie ein Damoklesschwert hängt es über den Eltern, die sich für ihre Kinder nur eine Zukunft auf einem Gymnasium vorstellen können. Doch weil die Leistungen der Schüler deutlich nachgelassen haben, ist das Vertrauen der Eltern in die Lehrerin Sabine Müller (Mareen Bromma) zerrüttet.

Eine Viertelstunde vor dem Elternabend treffen sich fünf Elternteile zu einer konspirativen Besprechung über das weitere Vorgehen. Für die Elternsprecherin Jessica Höfel (Karen Gerner) ist der Grund für das schlechte Abschneiden der Schüler klar und deutlich: Das Lernklima sei schlecht, die Kinder hätten Angst vor der Schule und auch Angst vor der Lehrerin. Alle seien in den Noten abgesackt. Es gebe auch viel zu viele Hausaufgaben.

Lehrerin Sabine Müller verlässt während des Elternabends das Klassenzimmer und vergisst dabei ihre Tasche. Die Eltern (v.l.) Hanni ...
Lehrerin Sabine Müller verlässt während des Elternabends das Klassenzimmer und vergisst dabei ihre Tasche. Die Eltern (v.l.) Hanni Fischer, Sabine Torres-Prado, Karen Gerner und Martin Ritzi) machen sich neugierig über den Inhalt her. | Bild: Georg Lange

Erkennbar scheint die Lehrerin auch psychische Probleme zu haben, da sie eine Therapie absolvieren würde. Bevor die Kinder weiterhin schlechte Noten nach Hause bringen, soll beim Elternabend die Lehrerin ausgetauscht werden. Die Eltern sind sich einig: Frau Müller muss weg – bevor „diese unfähige Kuh die Zukunft unserer Kinder ganz versaut“, so der Ex-Fernmeldetechniker und besorgte Vater Wolf Heider (verkörpert in diesem Stück von Martin Ritzi).

Angeführt von Jessica Höfel wollen die Eltern die Karre aus dem Dreck ziehen. Ziel sei es, „das Ganze in einer halben Stunde über die Bühne zu bringen. Der Rest geht über den Dienstweg“, so die Elternsprecherin: Sie bittet die anderen, keine Volksreden zu halten, keine Diskussionen über das eigene Kind zu führen und keine Gefühlsausbrüche zu haben. So schwört sie die Eltern für das geplante Komplott ein. Doch das Vorhaben scheitert.

Kühle Strategie ist schnell dahin

Ex-Fernmeldetechniker Wolf Heider rastet beim Elternabend total aus. Statt kühler Strategie stehen nun emotionale und haltlose Anschuldigungen im Raum. Bis auch der Klassenlehrerin der Kragen platzt und sie die Eltern über die wahre Natur der ach-so-begabten Sprösslinge aufklärt. Vorzeitig verlässt die Lehrerin den Elternabend. Dabei vergisst sie ihre Tasche und auch das Notizbuch mit den Noten – was letztlich zu einem überraschenden Wechsel der Strategie führt: Frau Müller muss plötzlich bleiben.

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In der bissigen Komödie glänzt vor allem Karen Gerner als Jessica Höfel textsicher als brillante Taktikerin und kühler Kopf der Elternkonspiration. Zielsicher sitzt jede Verbalattacke gegen die Lehrerin. Ihre Amtsenthebung wird jedoch von den Elternteilen ausgehebelt: Die eine schwenkt um, der andere wird cholerisch – so die Elternsprecherin bei der Aufarbeitung des verfehlten Planes. Brillant auch hier das Zusammenspiel aller Akteure mitsamt Wortgefechten und gegenseitigen Schuldzuschreibungen und mit Martin Ritzi als cholerischem Ex-Fernmeldetechniker – der letztlich auch zielsicher zu einem Rundumschlag gegen sämtliche Eltern ausholt.

Jeder Elternteil hat sein Päckchen zu tragen

Sabine Torres-Prado in der Rolle als Marina Jeskow zeigt sich nach ihrem Umzug von München sichtlich besorgt um die Integration ihres Sohnes in die Schulgemeinschaft und wehrt sich wie eine Löwin gegen die Vorwürfe gegenüber ihrem Sohn. Am Ende ihrer Geduld breitet sie verzweifelt (und mit gehöriger Portion Heimweh) die Probleme mit Harald Famulla als ihrem Ehemann Patrick Jeskow aus. Beide Partner ringen in einem rasanten und brillant gespielten Streitgespräch um die Vorherrschaft in der Ehe – letztlich auf dem Rücken des Sohns, der im Unterricht verhaltensauffällig wurde.

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Hanni Fischer zeigt sich in der Rolle der Museumspädagogin Katja Grabowski besonnen in ihrer Affäre mit einem Vater des Elternabends und entzieht sich souverän und ohne Ressentiments dem Techtelmechtel. Authentisch verkörpert sie eine Mutter, die plötzlich bemerkt, dass ihr das eigene Kind fremd wird.

Derweil geht Mareen Bromma in der Rolle der Lehrerin nicht nur in Klausur, sondern als Pädagogin förmlich in ihrer Rolle auf. Nach der Pause kommt sie – zwar geläutert, aber ohne Aufgabe ihrer Prinzipien – zu den Eltern zurück. Durch Wendungen und komödiantische Missverständnisse erlangt sie letztlich ihre verloren gegangene Autonomie zurück.